OK, dann gebe ich jetzt auch meinen Senf dazu. Schon heute früh, als ich den OP gesehen hatte, spürte ich spontan das Bedürfnis, darauf zu reagieren, hatte aber keine Zeit. Inzwischen ist nun schon viel geschrieben worden, und durchaus auch viel, was ich gut nachvollziehen kann.
Vielleicht kann ich aber trotzdem noch etwas beisteuern.
Vorausgeschickt sei, dass ich hier aus Perspektive eines Newbies schreibe, der hier erst vor drei Monaten mit null Ahnung von gar nichts aufgeschlagen ist. Ich habe – auch das soll vorausgeschickt werden – hier eine Community vorgefunden, die in Bezug auf den Umgang miteinander einzigartig ist – bemerkenswert im Sinne von Intellekt und gegenseitigem Respekt. Ich weiß genau, wovon ich rede, denn ich war in meinem Leben schon in vielen anderen Foren und habe auch lange Jahre selber eines administriert - mit stets am Ende sehr unschönen Erfahrungen. Deswegen bin ich jetzt so gerne hier.
Zur Diskussion. Mein Stichwort lautet: Pragmatismus. Seit ich hier angekommen bin, habe ich - entlang einer sehr steilen Lernkurve - inzwischen zwei Shorties veröffentlichen dürfen, zwei weitere anderer Autor*innen für eine Veröffentlichung gecuttet sowie mit Musik versorgt, und arbeite im Moment am dritten Shortie sowie an einem ersten Intern-Projekt. Neben einem „Real-Life“-Fulltime-Job als Wissenschaftsreferent. So etwas kann nur gelingen, wenn Menschen, wie hier, wirklich begeistert kooperieren - und wenn man als Autor durchaus etwas systematisch und pragmatisch vorgeht. Für mein Intern-Hörspielprojekt habe ich ein Casting gemacht. Das erste in meinem Leben. Mit Deadline, die ich genau einhielt. Zuvor hatte ich aber einigen Sprecher*innen mein Skript gezeigt, von denen ich bereits beim Schreiben wusste, dass ihre Stimmen passen könnten. Und alle fanden sich tatsächlich sofort im Skript wieder, ohne dass ich ihnen „ihre“ Rolle explizit zuweisen musste. Ein perfekter Match. Deshalb wurden auch nur die übrigen Rollen (darunter zwei Hauptrollen) gecastet; sehr erfolgreich übrigens. Ich hoffe dieses Hörspiel noch vor dem Herbst fertiggestellt zu haben.
Was ich damit sagen will: Wäre man in einer idealen Welt mit unendlich viel Zeit, kann man die Wahl der Partner, mit denen man ein Projekt verwirklichen möchte, natürlich beliebig weiter verfeinern, um (sofern überhaupt möglich) eine ideale Besetzung zu finden. Doch die Realität ist anders. Das „Drum prüfe wer sich ewig bindet, ob sich nicht etwas Bess’res findet“ kann auch dazu führen, dass man sich nie bindet.
Auf dieses Thema bezogen heißt das: Zum einen sind wir hier offenbar zu einem Großteil Freizeit-Künstler – zumindest habe ich diesen Eindruck. Da gibt es noch ein Leben vor, während und nach dem Hörspiel. Zum anderen stößt man hier – nach meiner bisherigen Erfahrung jedenfalls - auch auf ein paar „natürliche Engpässe“. Für
Intern-Hörspiele kann das schon mal die Zahl der verfügbaren Lektor*innen sein, und für
alle Hörspiele – wie ich auch anderen Äußerungen entnehme - die Zahl der verfügbaren Cutter und Cutterinnen (genau deshalb habe ich mir diese Kunst inzwischen selbst ein bisschen angeeignet). Will man nicht das Schicksal mancher Werke teilen, die offenbar über Wochen und Monate – manche noch länger - in der Warteschleife ruhen, empfiehlt es sich als Autor also durchaus, in mehrerer Hinsicht proaktiv zu werden. Das heißt noch lange nicht, „das erste beste“ zu nehmen, was man bekommt. Aber es heißt durchaus, auch mal eine Entscheidung zu treffen, wenn man das Gefühl hat, sie treffen zu können. Allerdings - da gebe ich
@Deunan ebenso recht wie alle anderen zuvor - stets im Rahmen eines fairen und transparenten Prozesses, der auch von Anfang an transparent war!
Und nun in diesem Kontext noch ein paar Worte zu den Shorties, da diese ja auch im OP angesprochen wurden. Shorties sind schon ihrer Natur nach nie endgültig fertig, weil beliebig viele Variationen vom selben Skript gefertigt werden können. Von meinen ersten Shortie gibt es deshalb beispielweise zwei Cut-Versionen, und von meinem zweiten habe ich selbst drei verschiedene Varianten geschnitten und dabei jede zuvor eingesprochene Stimme an einer Stelle berücksichtigt. Insofern kann im Grunde keine Bewerbung auf eine Shortie-Rolle wirklich zu spät kommen. Und auch keine (sofern sie nicht einfach unpassend ist) umsonst. Alles kann stets aufs Neue aufgegriffen werden, auch nach längerer Zeit. Das ist jedenfalls die Idee, wie ich sie verstanden habe. Gut, es wird letztlich nur eine Shortie-Variante auf dem HT-YouTube-Kanal veröffentlicht, sofern man noch einen letzten Qualitätscheck damit besteht. Die anderen können aber durchaus ihren Weg auf individuelle Webseiten finden und dann dort einem interessierten Publikum Freude machen.
Die „Schattenseite“ der Shortie-Realität ist eigentlich eine ganz andere: Viele Shorties „verhungern“ nach der Bekanntgabe, und zwar keineswegs, weil tolle geeignete Sprecher*innen übersehen oder ignoriert werden, sondern weil tolle geeignete Sprecher*innen gar nicht erst die eine oder andere Rolle einsprechen! Und was lernt der der frischgekürte Autor dann an diesem Punkt, wenn er sein Werk eben doch gern vertont erleben möchte? Entweder greife zu, wenn Du die Stimmen zusammen hast, die sich eignen (ich wiederhole:
die sich eignen!), oder gehe selbst aktiv auf Stimmensuche. Wenn manche sagen, in dieser Community gäbe es zu viele Sprecher*innen und zu wenige Skripte, kann ich das also nur bedingt nachvollziehen. Ich kann eigentlich nur plädieren, gelegentlich einfach mal ins Shortie-Forum zu schauen, oder in das Forum für Texte, Geschichten und Gedichte, wo sich garantiert brachliegenden Schätze finden, bei denen - abgesehen von den Stimmen einiger stets Engagierter - keine weiteren mehr zusammengekommen sind.
Also: Nie aufgeben und sich zurückziehen, liebe Sprecherinnen und Sprecher. Das wäre doch wirklich zu schade!