pio

Autor, Audio Engineer (BA), Sprecher und Musiker
Sprechprobe
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Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass immer bei "einfach schreiben" und "Plotten" zwischen kreativ und nicht kreativ unterschieden wird. Dabei ist das Plotten DER kreative Prozess, schlecht hin. Hier entsteht die Geschichte, die Beziehungen der Charaktere untereinander. Beim Schreiben des Skripts wird das Ganze dann "nur" noch in Worte gefasst. Nur mal so... :D
 

uburoi

Mitglied
Das ist so ne Diskussion, die poppt alle paar Wochen in jedem Forum auf, in dem es um das geschriebene fiktionale Wort geht. Die habe ich mit Dutzenden Leuten in Dutzenden Foren und bei Veranstaltungen geführt und die Leute werden der Diskussion nicht müde.
Meine Erkenntnisse dazu:
1. jeder glaubt, seine Methode ist die richtige
2. viele denken, es gibt nur die zwei Ausprägungen, Plotten oder wild loslegen. Der Reihe nach oder durcheinander. Etc.
3. Aussagen wie die von Mr. King sind mit Vorsicht zu genießen. Wer mehr als 60 Romane geschrieben hat, muss nicht mehr unbedingt plotten, weil das sein Beruf ist und das Plotten bei dem ws. im Unterbewusstsein stattfindet.
4. Und das ist m.E. die wichtigste: es nützt wenig, wenn einem andere erzählen, wie sie es machen. Man muss einen Weg und eine Methode finden, die zu einem passt und die kriegt man nur durch ausprobieren raus. Schreiben lernt man v.a. durch Schreiben. Die eigene Methode kann sich total von der anderer Leute unterscheiden.
5. Mach etwas nur weiter, wenn es dir Spaß macht, und lass die anderen reden, was "richtig" oder "falsch" ist. Wichtig ist, was sich für dich richtig anfühlt.

Ich hab jetzt 4 Romane geschrieben und bei Verlagen veröffentlicht, mehr als ein Dutzend Heftromane und kommerzielle Hörspiele, eine Handvoll Kurzgeschichten und bei jedem neuen Projekt probier ich wieder was neues aus, weil es m.E. nie perfekt läuft. Das ist eine lebenslange Reise fürchte ich.
 

Schneehase

Mitglied
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Ich gebe einfach mal ein Beispiel. :)
Bei Phoenix wusste ich am Anfang nicht mal den Namen. Das Projekt hieß am Anfang lustigerweise "Ein Engel und ein Damon" und sollte sich nur um Damon und Anabell drehen.
Dann fiel mir aber auf, dass sich Damon als Charakter nicht eignet, eine Geschichte ganz alleine zu erzählen und mit Anabell als Ich-Erzählerin wurde ich auch nicht warm.
Dann saß ich eines Tages in einem überfüllten Zug neben einem sehr schreckhaften Mädchen, das in einem Fort mit sich selbst gesprochen hat.
Dieses Mädchen war dann die Grundlage für Phoebe. Und dann hab ich mich gefragt, ob Phoebe nicht die zweite Ich-Erzählerin sein könnte.
Und warum Phoebe mit sich selbst sprechen könnte.
Und wie ich Teile meiner eigenen Vergangenheit in die Geschichte mischen könnte, ohne das der Bezug zu den realen Menschen allzu groß wird.
Daraus ist dann Phoenix entsstanden und ich hab erstmal das Ende geschrieben, was heute vorne und hinten keinen Sinn mehr ergibt.
Der Name "Phoenix" stand da aber schon fest. Zum Einen weil Phoebe, zum Anderen weil Phönix und was der mit Anabell zu tun hat.
"Ein Engel und ein Damon" ist jetzt der Arbeitstitel für ein alleinstehendes Spin-off.
 

Özge

Autorin, Sprecheragentin, Korrekturhörerin
Ich finde es sehr interessant wie unterschiedlich man ans schreiben herangehen kann.
Ich bin auch nicht die Person, die viel plottet. Ich hab da immer das Gefühl ich kann dann nichts mehr aufs Papier bringen. Meistens gehe ich dann spontan an die Sache heran. Oder ich mache mir Notizen zu den Charakteren.
Mein Beispiel: Ich bin ja gerade dabei die ersten sechs Folgen der ersten Staffel für die TIMEKEEPER zu schreiben. Ungefähr pro Folge vielleicht 10 bis 12 Szenen. Könnte eine Länge von ca. 15 bis 25 Minuten sein. Vielleicht auch weniger als 25 Minuten. Aber worauf ich hinaus wollte, ich habe bei den Timekeepern auch nur, zu Beginn, erst mal drauf los geschrieben, bis ich feststellte, ich brauch einen groben Plot. Eine Richtung, in die ich gehen möchte.
Hab dann während des NaNoWriMos (National Novel Writing Month) dann einmal einige Bios und Ministeckbriefe, oh, ist ja dasselbe, für meine drei Protagonist*innen entworfen. Dann kam der Pitch (wie ein Exposé für ein Buch). Nur mit der Prämisse, dem USP (Unique Selling Proposition) oder (Unique Selling Point) dazu, indem ich die Sachen kurz geschildert habe. Das alles während der Phase meiner Bachelorarbeit, weil die Keeper ein Teil der Arbeit sind, nämlich der künstlerische Part. Part II war dann der wissenschaftliche.
Also Pitch fertig geschrieben, Episoden auf zwei bis drei Sätze runtergekürzt. Dann hab ich die Versionen der ersten zwei Folgen runtergeschrieben.
Glaub ich hab immer viel zu viel an Anweisungen, weil ich mir immer nicht ganz sicher bin, was ich da reinmachen kann und ob es dann vom Cutter, Sounddesigner dann auch verstanden wird. Die gehen schon mal über fünf sechs Zeilen, die Regieanweisungen für Sound, Musik etc. ;)
Ich merke schon, dass es mir ein wenig schwerfällt anhand eines groben Plots zu schreiben, aber es geht. Mittlerweile hab ich bereits die erste Hälfte der dritten Folge fertig. Bald ist die dritte Folge dann in Version eins komplett durch. ;)
Ruhen lassen ist auf jeden Fall sehr gut. Das sollte man auf jeden Fall machen. Vielleicht einen bis zwei Tage. Dann mit frischem Kopf an die Folge rangehen und überarbeiten. Die Version nicht überspeichern, sondern als zweite Version neu speichern. Dann kann man schauen, ob man was von der ersten Version mitnehmen möchte oder nicht.
Beim Schreiben habe ich nebenbei noch ein weiteres Dokument offen, indem ich die Szenenüberschriften notiere, damit sie immer einheitlich sind. Auch bei den Figuren existiert eine Excel Datei, wo ich sie alle aufschreibe, die in der Folge vorkommen. Ich würde ja gerne Programme benutzen, mit denen man Drehbücher schreiben kann und so alles an einem Ort hat, nur leider, leider sind sie nicht barrierefrei. Daher alles mit Word, im Normseitenformat, Courier New, Schriftgröße 12 und später noch der 1,5er Zeilenabstand. Da hat die Skriptvorlage, die mal hier reingestellt wurde, sehr geholfen.

@pio Du meinst bestimmt die Drei-Akt-Struktur. Davon hab ich mal gehört. Haben wir in einem unserer Uniseminare gehabt, als wir Filmanalyse hatten. Ja, das ist ein spannendes Thema. Weil man so auch schauen kann, wie man seine Storys plotten kann.

Das war mein Beitrag für das Thema.
Ich wünsche euch allen noch einen schönen Abend und man hört, liest und schreibt sich.
Liebe Grüße
Özge
 

MaVericK

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Zum original Thema...

Das "Schreiben" von Skripten für TV, Kino und Hörspiel ist ja, genau wie z.B. Audio-Engineering ein Handwerk. Grundlage für diese Tätigkeit ist theoretisches Wissen und Handwerkliche Fertigkeiten. Nun kann man da ganz unbedarft rangehen und einfach "machen" oder man setzt sich mit den Grundlagen dieses Handwerks auseinander und beginnt es "richtig" zu lernen.

Bis Folge 4 (also Pilotfolge und 6 Einzelfolgen) von Dark Space 2046 habe ich tatsächlich einfach drauf los geschrieben. Langsam aber sicher wurde mir dann klar, das dass (zumindest bei einer Serie) auf Dauer keine gute Idee ist. Stephen King sagt übrigens über seine Arbeit "er schreibe einfach drauf los, die Geschichte entsteht beim schreiben". Ok....ist ein guter Mann.

Ich habe allerdings dann aber nach und nach den Überblick verloren und begann mich zu verzetteln. Also habe ich mit einem befreundeten Kollegen (der viel mehr vom Schreiben von Serien versteht als ich) angefangen die Basics des Schreibens zu erlernen.

Dabei möchte ich auf zwei Dinge besonders eingehen. Erstens das "Plotten". Darunter versteht man die grobe Festlegung, das Ordnen der Story. Jede Szene bekommt eine Karte, ein Post-it. Das kann man "in echt" an der Wand/einem White Board oder im Computer machen. Anhang anzeigen 24453

Ich habe das mit einem MacProgramm namens Freeform gemacht.
Auf diesen Karten wird jede Szene kurz beschrieben, welcher Charakter ist dabei, worum geht es in der Szene. Zu den verschiedenen Farben komme ich später.
Sinn dieses "Plottens" ist es, seine Gedanken zu ordnen und ein optisches Bild seiner Geschickte zu bekommen.
Das Plotten hilft auch dabei Logikfehler zu vermeiden und bei der Plausibilitätskontrolle.

Die verschiedenen Farben zeigen auf um welche Storyline es in der Szene geht. Ein Hörspiel hat ja nicht nur einen Handlungsfaden. Gerade bei Serien gibt es die Haupthandlung und eine Anzahl von Nebenhandlungen. Auch hier helfen die Karten einen Überblick zu den verschiedenen Handlungssträngen zu bekommen.

Die Akte, eine (fast) jede Geschichte wird heutzutage in 3 oder 5 Akten erzählt. Das geht zurück auf Aristoteles in der Antike. Auch hier hilft mir das Plotten die Übersicht zu behalten und die Geschichte zu planen.

Es gibt da ohne Ende Literatur und Material im Netz. Hier mal ein Wikipedia link um in das Thema reinzukommen: Spielfilmdramaturgie – Wikipedia

Das ganze ist ein echt spannendes Thema dem ich mich mittlerweile mit Begeisterung widme. Das wars erst einmal von mir... LG, pio

PS: Den Screenshot habe ich natürlich unleserlich gemacht ;-)

Ich habe auch immer die Akte im Kopf - Was mir sehr hilft ist; Ich baue Grundsätzlich mitlerweile meine Welten und da fließt auch viel Zeit rein: Das Worldbuilding nimmt mir viel Zeit beim Schreiben ab. Denn ich merke, dass meine Figuren dann durch die Welt sich bewegen und die Thematik aushandeln - ohne das ich abgleite, weil es noch an Informationen aus meiner Sicht mangelt. Was mein zweiter Tipp wäre: Seitdem ich mich bewusst auf eine Prämisse in der Geschichte fokussiere, ist nicht für jeden etwas - fällt das Schreiben mir ziemlich leicht und der Output ist halt auch dementsprechend - ohne das ich das Gefühl habe in ein "Wiederholen von Storys" drifte.

LG
 
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Noir

chronisch mies gelaunt
Ich schreibe grundsätzlich immer chronologisch. Ich hab zwar durchaus schon bestimmte Schlüsselszenen im Kopf (bei Barash-Tyr 2 war im Grunde das Ende das erste, was ich bei der Ideenfindung im Kopf hatte) ... trotzdem schreibe ich erst Szene 1 und hangele mich dann nach und nach ans Ende. Dabei verzichte ich weitestgehend auf Treatments oder andere Hilfsmittel. Ich schreibe eigentlich nur drauflos. Das kann mitunter zu viel Ausschussmaterial führen. Aber am Ende war ich immer zufrieden mit meinen Stories.

Barrier ist eine Ausnahme gewesen. Da habe ich sehr viel vorher durchgeplant. Nicht nur allein, sondern auch mit den anderen Leuten des SHU, um da eine Struktur für die geplanten Crossover zu kriegen. Leider ist es dann ja nie dazu gekommen. Aber das Skript zu Folge 1 hat sehr davon profitiert. Es gab deutlich weniger Szenen, die ich rausgeworfen oder grundlegend überarbeitet habe.
 

pio

Autor, Audio Engineer (BA), Sprecher und Musiker
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@MaVericK Ja, Worldbuilding macht eine Geschichte extrem "anfassbar" und realistisch. Mir fällt es dann auch viel leichter, mich in die Charaktere zu versetzen und "ihrer" Handlung zu folgen.
 

MaVericK

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@MaVericK Ja, Worldbuilding macht eine Geschichte extrem "anfassbar" und realistisch. Mir fällt es dann auch viel leichter, mich in die Charaktere zu versetzen und "ihrer" Handlung zu folgen.
Ich sag mal, bei euren Hörspielproduktionen ist das ja auch echt unabdingbar - bzw. man nimmt das als Hörer manchmal auch so selbstverständlich - aber denke ich jetzt mal an dein Werk "Wie verkaufe ich einen Planeten" du hast ja diverse Handlungsstränge und Lores, die diese Welt organisch machen. Alleine nur dieser kurze Dialog mit Mr. C. und trotzdem hat diese Nebenfigur einen organischen Hintergrund. Und bei Hörbuchskripten - ist ja der Dialog mit schreiberisch die Königsklasse. Bei der klassischen Kurzgeschichte, kann ich mit dem Erzähle noch gut zuarbeiten - das funktioniert beim Hörspielskript finde ich, ja nur bedingt. Wenn da die Welt nicht stimmt, denke ich - hauen einen die Dialoge um die Ohren. Das ist aber auch nur eine persönliche Meinung. Ich merke gerade, das mich mein erstes Hörspielskript richtig fordert.
 

pio

Autor, Audio Engineer (BA), Sprecher und Musiker
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Danke für die Blumen 🌻

Aber ja, Dialoge sind ALLES im Hörspiel. Alles andere ist "kann", Dialoge sind "muss". Ich bemängele an vielen Hörspielen immer wieder, dass die Dialoge zu statisch sind. So spricht kein Mensch. Gleiches gilt ja für viele Deutsche TV Produktionen. Schaut bzw. hört euch gute amerikanische TV-Serien an. Die sind eine wahre Inspiration für gut geschrieben Dialoge. Schon mal Hous of Cards gesehen? Mach mal, derart gute Dialoge sind sleten.
 
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