AW: Nightmares 1 - Du weißt, dass es wahr ist...
Sodala, ein wenig musste ich das Hörspiel in meinem Kopf ruhen lassen, bevor ich zur Kritik aushole. Nun stehe ich nicht mehr unter dem Sound- und Schlotterbann und kann versuchen einigermaßen konstruktiv ranzugehen.
Während des Hörens habe ich mir ein paar Notizen gemacht und wenn ich diese nun anschaue, werde ich wohl kaum eine postiv/negativ Liste machen können, sondern versuchen alles in einem Text unterzurbringen. Auch wenn Noir gegen die Bezeichnung "Spladder" wehrt, so handelt es sich hier doch um den berühmt-berüchtigten
"survival horror", der in vielen Fällen dem Spladder sehr nahe kommt. Und im Skript wurde gerade das recht häufig aufgenommen. Bleiben wir kurz bei diesem Punkt. Grusel kommt mit einem Minimumm an Gewalt aus, spielt mit dem Übersinnlichen und versucht Gewalt nicht einmal als Drohung zwischen Menschen zu äußern, sondern baut eine Atmosphäre des Nervenkitzels, die sich allein schon dadurch entlädt, dass der Protagonist durch das sich Bewegen eines Vorhangs den höchsten Schockmoment erlebt. "Nightmares" hingegen arbeitet mit der Technik der Psychose, wie er gerne bei Thrillern aufgenommen wird. Die Idee der Alpträume waren gut, der Sprung zum Alp war fantastisch, aber um "Grusel" zu bleiben, kann man einfach nicht auf die bösen Monster axtschwingend zustürmen, immer wieder klar zeigen, wie jemand zerfleischt wird und in jeder Einzelheit Leichen charakterisieren. DAS ist deffintiv Spladder. Wenn auch die Luxus-Form, da eine dramaturgisch hervorragende Story gebaut wurde.
Trotzdem bedeutete das für mich, dass der Ekelfaktor da war und ich in der Atmosphäre gefangen war, die mich oft zittern ließ. Leider waren viele Handlungszusammenhänge schon früh zu erkennen. Was nicht unbedingt schlecht ist, denn - sorry Noir - Spladder baut auf eine klare Reihenfolge, denn wenn die Helden ins Dunkel gehen, dann passiert auch etwas.
Was mir sehr gut gefiel, waren die verschiedenen Perspektiven. Am Ende waren es etwas viele, aber im Grunde hat es wirklich gut gepasst. Ich hoffe nur - und dafür verdamme ich den Autoren - das es möglich sein wird alle Fragen zu beantowrten und den Cliffhanger sauber in eine zweite Folge zu lenken. Ich hasse Cliffhanger (als Hörer), aber das sei nur persönlich hier genannt, denn ein Cliffhanger ist nun mal die Lieblingsmethode eines Autors um Spannung zu schüren. Eigentlich wird er ja eher genutzt um den Hörer bei kommerziellen Produkten dazu zu bringen, auch den nächsten Teil zu kaufen, was also beim Hörspielprojekt gar nicht nötig wäre, aber es sei dem Autoren gegönnt. Insgeheim hinterlässt es den schalen Geschmack, dass dem Autoren die Ideen ausgingen, die Story noch nicht so weit war, oder das Produkt endlich fertig werden musste. Aber wie ich aus einem anderen Thread erfuhr, ist Noir ja bereits dabei den zweiten Teil zu schreiben.
Eine Frage an Noir: Warum Amerika? Warum muss es immer der englischsprachige Raum sein? Warum hattest Du nicht den Mut, Dich von Deinen Vorbildern zu lösen und den Horror "to good old Europe" zu bringen? Der Grusel des "um die Ecke" und der Griff zu etwas "Neuem" ist zwar schwer, aber durchaus den Versuch wert.
Zwei Szenen haben mir gar nicht gefallen: Warum die Axt? (siehe oben) und die etwas hohlen, immer gleichklingenden Sprüche des Alps. Vielleicht werden sie im nächsten Teil gelöst.
Besonders gut hingegen gefielen mir jene Szenen, die die Atmosphäre ungemein steigerten. So etwa die Erzählung von Jessica. Nebenbei ein schöner Charakter, was besonders an der schauspielerischen Leistung von Sabine liegt. :thumbsup:
Ethan gefiel mir nicht so gut. Noir hat zwar das Maximum mögliche rausgeholt, aber an der Schauspielerei lag es nicht. Jene war wirklich gut, besonders die depressiv-pessimistische Ader des Charakters kam hervorragend rüber. Das Problem (weswegen mir die vielen Perspektiven auch mißfielen) war das "Tell" (Erzählen).
Ich laber den Hörer mit meinem schrecklichen Leben dicht, dann kapiert er den Plot. Es gibt zwei Möglichkeiten dies zu verbessern: Entweder streut man während der Story im Dialog die Probleme des Charakters ein (Beispiel dafür war der Wutanfall des Ethan, also als er nicht weiter mit ins Kino wollte), oder aber man baut es szenisch. Statt dem Interview des Mörders (hab den Sinngehalt der Szene eh nicht verstanden, auch wenn er sicherlich dem atmosphärischen Zweck diente) hätte man eine Rückblende setzen können. Hier und da eine kleinen Flashback hätte das Problem des "Tells" herausgenommen und die Story im Fluss gelassen. Zu viel Ich-Erzähler reißt aus der Szene (das habe ich erst kürzlich auch lernen müssen). Sparsamkeit ist hier Trumpf.
Einsame Spitze fand ich Sternenelfchen, die sich durch die Darstellung der jungen Emiley wirklich hervortat. Durch ihre Art und den Text baute sie überhaupt die Angst erst richtig auf. Mir gefiel, dass sie erst nicht erzählen wollte, was sie geträumt hat. Dadurch blieb die Rätselamtmosphäre aufrecht erhalten. :music:
Eine der genialsten, weil beängstigsten, Szenen war die Obduktion und der tranceartige Wandel über den Leichenberg. Hui, ich starte gebannt auf den Bildschirm und beobachtete verkrampft das Ticken der Sekunden.
Gleich, gleich passiert etwas, oh Gott... bibber... DAS war wirklich eine geniale Szene.
Thuda als missmutiger, vom Leben geprägten Kommissar, war toll. Seine Texte waren ausgezeichnet und der Charakter hatte Hintergrund (Sorge um die verschwundene, sicherlich tote Tochter --> sagt der Mörder zu Beginn nicht etwas über ein blond-gelocktes Mädchen? Ist hier ein Zeitsprung?).
Über die restlichen Schauspieler kann ich einfach nicht viel sagen, was daran lag, dass sie in Szenen sprachen, die einen atmosphärisch so mitnahmen, dass man gar nicht mehr auf die Schauspielerei achtete, sondern so gebannt war von der Handlung. Eigentlich ist das ein Pluspunkt, denn die Sprecher fügten sich perfekt ein und gaben ein rundes Bild. :i-m_so_happy:
Also am Ende war ich doch recht erschöpft vom Hörspiel und ich dachte mir dann:
Verdammt, so muss man sich wohl nach so einem Schocker fühlen...
In diesem Sinne, :wink:
jetzt weiß ich, dass es wahr ist...
Euer Marco
Edit: Der Gesang am Ende, ob nun die Stimme von [Noir] Alexander Gühlke [natürlich!], oder der Sprechgesang von Thuda, war großartig. Wirklich. Eine sehr gute und äußerst passende Geschichte. Mutig etwas Neues zu probieren, Thuda. Hat mich begeistert. Kaum hört er auf am Daumen zu lutschen (siehe Exfoto), wir er zum Ramstein-Man! Weiter so!