AW: MOLE
Ich habe längere Zeit mit mir gerungen, ob ich meine Meinung zu "Mole" hier wirklich kundtun soll, denn sie unterscheidet sich doch teilweise deutlich von dem, was hier bislang zu dieser Produktion gesagt wurde. Ich denke aber, dass es der Meinungsvielfalt dient, wenn ich es tue:
"Mole" hatte für mich durchaus Unterhaltungswert, was vor allem an dem homogenen Cast, der guten Regie, der schönen Soundkulisse und den passend ausgewählten Soundeffekten lag. Dass mich das Hörspiel nicht vom Hocker gehauen hat, liegt vor allem an dem Skript, welches aus meiner Sicht einiges an Schwächen besitzt.
So halte ich es nicht für geschickt, in einer Horrorgeschichte dieser Art die Hauptfigur zur Ich-Erzählerin zu machen. Da sie die Ereignisse aus der Retrospektive erzählt, ist für mich als Hörer damit sofort klar, dass die Protagonistin alle Ereignisse überleben wird. Wie soll sie die Geschichte denn sonst rückblickend erzählen können? In vergleichbaren Fällen arbeitet man z.B. mit Tagebucheinträgen, was Vorteile hat, da auf diese Art nicht direkt absehbar ist, dass der Held/die Heldin am Ende überlebt.
Wäre das Jahr 1899 nicht genannt worden, so wäre es durchaus schwierig, die Handlung zeitlich zu verorten. Die Menschen nutzen Pferdefuhrwerke und Dampfzüge, doch dies taten sie schon 30 Jahre vorher und auch noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, vor allem im ländlichen England. Es fehlt die Nennung von Persönlichkeiten, Lebensumständen und geschichtlichen Ereignissen, die spezifisch für die Epoche sind. Auch konnte ich geographisch den Weg der Akteure nur ansatzweise nachvollziehen, weil der Bezug zu bekannten Städten als Orientierungspunkt für den Hörer meistens fehlte.
Das Erzähltempo war angenehm hoch, die Charakterisierung der Figuren ist dem raschen Voranschreiten der Handlung leider zum Opfer gefallen. Für mich als Hörer hatte dies vor allem den Nachteil, dass eine Identifikation mit den Figuren kaum möglich war. Es hat mich nicht wirklich berührt, wenn jemand gestorben ist, denn ich kannte die Person kaum. Ebenso sind mir die Protagonisten nicht ans Herz gewachsen. Für das Funktionieren der Geschichte ist es aber aus meiner Sicht unerlässlich, dass ich die Figuren sympathisch finde und um sie bange. "Mole" hat in dieser Hinsicht für mich leider nicht funktioniert, wenn ich mal von der Figur der Lizzy absehe, die aber auch mit ihrer Zeit im Waisenhaus einen prägenden Background aufweisen konnte. Die anderen Charaktere blieben sehr blass. Die Charakterisierung des Onkels und die gewollte Anleihe bei "Oliver Twist" empfand ich als aufgesetzt, weil das Verhalten des Onkels nicht zu den Ereignissen passte. Sein Verhalten Abby gegenüber hatte nur den Sinn, dafür zu sorgen, dass die Handlung dort nicht endet, sondern die Reise weitergeht. Das hätte man eleganter handhaben können.
Es wurde hier diskutiert, wie man Mole kategorisieren könnte. Ich verstehe die Geschichte eigentlich nicht als Roadtrip und auch nicht als Buddygeschichte, wenngleich es Aspekte gibt, die aus solchen Stories entliehen wurden, was auch für eine Apokalypse gilt. Aus meiner Sicht ist "Mole" eine Geschichte im Stile der Monstermovies der 1950er Jahre ("Formicula", "Tarantula", "Der Schrecken vom Amazonas"), also nahezu Plot in Reinkultur, wo es fast keine Rolle spielt, wie die Figuren eigentlich heißen. Im Grunde ist es eine Variation von "Krieg der Welten", nur eben nicht "Erde vs. Mars", sondern "Unterwelt vs. Oberwelt". Angereichert wurde die Story um die Thematik, wie Menschen sich und ihr Verhalten in Extremsituationen verändern. Da die Charakere nicht sonderlich gut ausgearbeitet sind, bleibt dieser Aspekt jedoch im Ansatz stecken. Mehr kann ich in der Geschichte nicht sehen.
Was ihre äußerliche Erscheinung und ihre Angriffsweise angeht, so hat man ein ganz gutes Bild von den Moles. Leider bleibt sonst alles andere über sie im Dunkeln, was mich doch sehr gestört hat, weil es Auswirkungen auf die Stimmung des Hörspiels hatte. Angeblich sollen sie den Süden Englands überrollt haben, doch sind sie nur in England aktiv? Gibt es Mole-Angriffe auch in Frankreich oder Deutschland? Was tut eigentlich die britische Armee? Britannien war Weltmacht und hatte gut ausgebildete und ausgerüstete Streitkräfte. Sind die alle im Urlaub? Herrscht im Land Kriegsrecht wegen der Mole-Angriffe? Wo ist die Regierung? Konnte die Königin sich rechtzeitig in Sicherheit bringen? Über alle diese Dinge erfahren wir leider nichts, obwohl sich die Figuren der Handlung für diese Fragen sicherlich interessiert und darüber gesprochen hätten. Auch der Ursprung der Moles ist weiterhin komplett unbekannt. Hat ein verrückter Wissenschaftler a la Doktor Moreau sie geschaffen? Gibt es ein übergeordnetes Ziel, dass die Moles mit den Angriffen verfolgen? Fragen über Fragen. Die Antworten bleibt die Story leider schuldig.
Wer im Premierenchat anwesend war oder die Diskussion im Forum verfolgt, der weiß, dass es einen zweiten Teil geben wird. Für die externen Hörer ist dies nicht klar, denn es findet sich weder am Ende des Hörspiels noch auf dem Cover kein Hinweis darauf. Wäre ich ein externer Hörer, dann hätte mich der Schluss des Hörspiels enttäuscht, denn die Handlung wird nicht ordentlich abgeschlossen, sondern läuft einfach aus. Wenn doch eine Fortsetzung ohnehin geplant ist, warum macht man diesen Plan dann nicht öffentlich? Es ist doch nicht egal, ob ich die erste Hälfte eines Zweiteilers höre oder ein in sich abgeschlossenes Hörspiel, da die Erwartungen in beiden Fällen gänzlich andere sind.
Wie gesagt, hat mich Mole durchaus gut unterhalten. Ich würde mir nur wünschen, dass der Plot des zweiten Teil gegenüber dem Vorgänger deutlich steigern kann.