Beim Thema Kritik gibt es immer zwei Parteien – diejenige, die sie bekommt, und die, die sie ausspricht.
Das ist natürlich erst mal trivial. Warum ich es trotzdem sage, liegt daran, dass ich bei den Beiträgen hier jetzt schon sehr viel gelesen habe von und über die Kritikempfänger, und noch nicht so viel über die Kritikgeber. Das mag daran liegen, dass man sich als Sprecher oder Schauspieler überwiegend in ersterer Position befindet. Für mich aber war es aber mindestens genauso interessant, jene Statements zu lesen, die sich mit dem Problem befasst haben, wie man Kritik gibt. Das hat total interessante Aspekte, und ganz stark dabei auch den der Persönlichkeit.
Da ich hier u.a. in der Funktion eines Lektors unterwegs bin, ist es natürlich schlichtweg erstmal mein Job, kritisch zu sein. Sonst könnte man ein Lektorat lassen. Aber ist es auch meine Natur? Ich gebe zu: Ich mache mir verdammt viele Gedanken nicht nur über das Was, sondern auch über das Wie einer Kritik. Denn ich habe extrem viel Respekt vor den Gefühlen anderer. Vielleicht zu viel. Dann begibt man sich als Kritiker auf eine komplizierte Gratwanderung – zusätzlich erschwert dadurch, dass man den anderen oft so gut wie gar nicht kennt und nicht weiß, wieviel er aushält. Meine langjährige berufliche Tätigkeit als Referent in einer absoluten Vertrauensstellung hat mich zwar viel Diplomatie gelehrt. Dennoch sitze ich oft länger an der Formulierung des Wie als des Was. Dieses Dilemma habe ich auch aus den Beiträgen einiger anderer hier schon herausgehört, und es führt am Ende gerne mal dazu (vor allem, wenn es um ein eigenes Projekt geht) dass man tatsächlich nicht das Bestmögliche herausholt, weil man auch immer die Rahmenbedingungen unserer Hobbyprojekte im Auge behält und den Bogen hier nicht überspannen soll und möchte. Das ist der Aspekt Persönlichkeit. Hier hilft es wirklich sehr, wenn Empfänger einen wissen lassen, dass sie Kritik nicht nur aushalten, sondern sogar als Bereicherung empfinden, nicht als Angriff. Denn Letzteres habe ich leider auch schon erlebt, und es endet nicht konstruktiv.
Dann aber gibt es auch noch den Aspekt was eine gute Kritik überhaupt ausmacht. Wir leben in Zeiten, in denen sich Menschen hemmungslos austoben können, und die Grenzen zu Beleidigung und Hass schnell überschritten sind – erleichtert durch die Anonymität in vielen medialen Kommunikations-Plattformen. Das kennen wir alle, wenn wir es nicht sogar schon am eigenen Leib erfahren mussten. Verständlicherweise wird man dadurch nicht gerade dickhäutiger. Weil ich das weiß, finde ich es umso wichtiger - ja geradezu essentiell -, gute Kritik auch in gute Worte zu fassen und dabei ganz, ganz eng an der Sache zu bleiben, nicht an der Person. Da kommt der Punkt, wo sich jeder Kritik-Geber selbst an die Nase fassen muss – und auch rechtzeitig erkennen, ob er womöglich doch schon in die Emotion abdriftet. Gefühle - sorry an alle, die gerne auf ihr „Bauchgefühl“ schwören – waren und sind in solchen Konstellationen leider niemals gute Ratgeber. Das merkt man spätestens dann, wenn ein Gegenüber eine sachliche Kritik emotional auffasst und entsprechend emotional reagiert. Dann kann es wirklich sehr schwierig werden – und manchmal am Ende auch nicht mehr zu retten sein. Ich spreche aus Erfahrung.
Am Ende läuft es also immer darauf hinaus, welche Persönlichkeiten sich begegnen und wie schnell sie einen Weg finden, miteinander konstruktiv zu interagieren. Das wird auch bei viel gutem Willen aber leider nicht immer funktionieren.