AW: DSDS 2010
Wie z.B., würde mich, als Vater dreier Kinder, interessieren sähe denn Eurer Meinung nach eine Anleitung oder Hinführung zum mündigen Umgang mit Medien aus - wenn beispielsweise die 9jährigen schon auf dem Pausenhof mitkriegen, wenn die Oberstufler sich auf dem handy runtergeladene Pornostreifchen angucken? Würde mich wirklich brennend interessieren. Gezwungen wird ja keiner.
Mündig heißt ja, wie Du schon sagtest, unterscheiden zu können, was gut und was schlecht für einen selbst ist, bzw sagen zu können ob man etwas mag oder nicht oder genauer gesagt, die Kombination aus beidem. Beispiel Süßigkeiten:
Ein Kind im Alter von 2-4 Jahren wird Süßigkeiten mögen, da das Essen von Zucker zur Ausschüttung von Hormonen (ich glaube, Serotonin) führt, welches an die Opiatrezeptoren im Hirn andockt und ein Glücksgefühl auslöst. Dass wir im Mund Bakterien haben (Kariesbakterien) die sich durch die erhöhte Zuckerkonzentration wunderbar vermehren weiß das Gehirn nicht, genauso wenig wie es weiß, dass der Körper eigentlich schon eine sehr hohe Energiedosis nach einer, relativ zu "normaler" Ernährung gemessener, geringen Masse an Süßigkeiten zu sich genommen hat. Das Problem ist hier, dass dem Gehirn einfach die Erfahrung fehlt. Hier kommt dann auch die Rolle der Eltern ins Spiel, die regulierend eingreifen müssen, da es sonst unweigerlich zu Übergewicht, Karies und all den anderen Problemen und Krankheiten kommen kann.
Ist das Kind älter (7-10 Jahre) wird es aus den Informationen der Eltern wissen, was es ohne Probleme tun kann und was nicht. Allerdings spielt auch hier wieder das Belohnungssystem im Kopf mit und verleitet das Kind eventuell dazu, doch mehr Süßigkeiten zu essen. Dadurch bekommt es nun möglicherweise Karies oder Übergewicht und wird merken, dass das was die Eltern sagten die Wahrheit war und sich vermutlich von nun an daran halten (oder auch nicht - etwas Selbstdisziplin gehört immer dazu
).
Was ich damit zeigen möchte ist, dass ein Kind nicht wissen kann, was gut und was schlecht für es selbst ist. Da rein erfahrungsbedingtes Lernen wohl schon vor langer Zeit zum Aussterben der Menschen geführt hätte, müssen vor allem kleine Kinder den Eltern bedingungslos vertrauen, "zur Sicherung des Fortbestandes der Art" quasi.
Die Schwierigkeit im Bezug auf Medien ist, dass die Eltern selbst die Wirkung nicht oder nur ungenügend kennen, diesen selbst verfallen sind und die Wirkung an sich (Fernseh-/Internetsucht etc) eine Langzeitfolge ist, bei der man auch nicht unbedingt spürt, dass es schlecht ist. Karies kann auch eine Langzeitfolge sein, aber er tut weh. Fernsehsucht schmerzt erstmal nicht physisch.
Was eventuell eine gute Idee sein könnte ist, genauso vorzugehen, wie wenn man einem Kind beibringt, nicht einfach blindlings über eine stark befahrene Straße zu laufen oder auf der Straße stehen zu bleiben. Das Kind sollte, ohne selbst die Erfahrung machen zu müssen, wissen, dass es dumm ist, dem Rat der Eltern nicht zu folgen.
Im Falle von Internetsucht und Fernsehsucht könnte ich mir durchaus eine Diskussion mit dem Kind vorstellen, indem man ihm ein paar negativ Beispiele zeigt - davon gibt es heutzutage ja leider genug. Man könnte ihm auch zeigen, was es alles verpassen könnte, während es der eigenen Sucht nachhängt.
Der wichtigste und schwierigste Punkt, meiner Meinung nach, ist dann, dem Kind zu zeigen, wie es selbst entscheiden kann, was ein gutes Medium ist und was nicht. Wichtig ist der Punkt, da das Kind später möglichst selbst und begründet entscheiden können sollte, wie es sich beeinflussen lässt (den beeinflusst werden wir ohne Unterbrechung) und schwierig, weil es Teile davon gibt, die sich nicht ohne Erfahrung bewerkstelligen lassen.
Einem Kind beizubringen, wie es mit Pornofilmen umgehen sollte ist sehr schwierig. Komödien wird ein Kind mögen, da lachen das Belohnungssystem aktiviert, Horrorschocker wird es nicht mögen, da sie Angst verursachen. Insofern gibt es hierbei direkte Mechanismen, die ein zweimaliges Anschauen verhindern oder fördern. Im Bezug auf Pornos wird ein unaufgeklärtes Kind diese vermutlich erstmal komisch (nackte Menschen) finden und dann langweilig (die Handlung hält sich ja meist eher in Grenzen), ein aufgeklärtes wird es evtl interessant finden - was aus evolutionsbiologischer Sicht auch nicht dumm wäre oder sie einfach anschauen, weil es von den Eltern verboten wurde.
Bei den Oberstufenschülern spielen da vermeintliche Coolness und die Hormone eine Rolle. Das Coolness-Problem lässt sich dadurch abschalten, dass man sich von anderen Dingen beeinflussen lässt als seinen Kumpels (ich weiß, leichter gesagt als getan). Gegen die Hormone ist man leider mehr oder weniger machtlos. Aber das gibt sich denke ich mit der Zeit. Und letztendlich kann man das eigentliche Pornoproblem auch auf ein Fernsehsuchtproblem zurückführen, wenn man mal von allen moralischen Punkten Abstand nimmt. Auf die Moral will ich hier aber nicht eingehen, da dies ein seeehr dehnbarer Begriff ist und von Kulturkreis zu Kulturkreis auch sehr unterschiedlich ausgelegt wird.
Ich persönlich halte einen gezielt offenen Umgang mit den genannten Problemen für wichtig um den "ich mache es, weil es verboten ist"-Effekt zu mindern und damit das Kind weiß, dass es mit den Eltern auch drüber reden kann, wenn es etwas beschäftigt.
So, Schluss mit Monolog. Andere Meinungen bitte. BTW.: wollen wir die Diskussion nicht evtl aus dem Thread auslagern?