AW: Sven Regener über Urheberrecht
Auch auf die Gefahr hin, mit in die Aufzählung der Respektlosen von Karpatenhund geworfen zu werden; ich empfinde diesen Wutausbruch einerseits als von Herzen kommend, andererseits als heuchlerisch. Regener befindet sich am oberen Ende der Verdiener auf dem Musik- und Buchmarkt. Wenn er den Umgang mit den Künstlern kritisiert, dann gebe ich ihm Recht. Und ich hätte ihm auch vor 7 Jahren Recht gegeben. Aber ich kann mich an keinen Regener entsinnen, der sich jemals irgendwie darüber muckiert hätte, dass ein Großteil der regelmäßig publizierenden Autoren (und damit beziehe ich mich allein auf Belletristik) nicht von den Erträgen ihrer künstlerischen Arbeit leben kann. Dasselbe - in wahrscheinlich noch eklatanterer Form - ist bei der Musik der Fall.
Komischerweise kann ich mich an keinen Sven Regener erinnern, der den Untergang der Kultur beschworen hätte, weil das, was mittlerweile noch als "Kunst" durchgeht, auf unterstem Grundschulniveau einzuordnen ist. Dass die Verantwortung, die ein Künstler hat, im eigentlichen Sinne seinem Stoff, seiner eigenen Emotion dient, die er zum Ausdruck bringen will und dass jene, die erfolgreich von dem leben können, was andere als Kunst bezeichnen, mittlerweile mehr ihren Arbeitgebern verpflichtet sind, als irgendeinen emotionalen (d.h. künstlerischen) Anspruch an das zu erheben, was sie produzieren. So kommt es zustande, dass tatsächliche Kunst, nämlich etwas, das von Herzen kommt, das gefühlt und gelebt wird, viel eher in die Armut führt, als dieser ganze weichgespülte Dreck von Mario Barth, der öffentlich seine Freundin als Kretin darstellt bis hin zu einem weichgespülten Mittermeier, der über die Frucht seines Leibes berichtet.
Auch hier kann ich mich an keinen Sven Regener erinnern, der in irgendeiner Weise aufgestanden wäre, um die Kunst, die er dem Untergang geweiht sieht, gegen jene zu verteidigen, die diesen Tätigkeitsbereich nur als eine massentaugliche Möglichkeit sehen, sich als schön zur Schau gestellte Mediennutte die Taschen vollzumachen. Denn nichts anderes sehe ich, wenn ich mir jene erfolgreichen Programme 'reinziehe und mir das ansehe, was in den Medien en vogue ist. Das Zeug, das dort feilgeboten wird, bekommt noch nicht einmal das grundsätzlichste an Aufmerksamkeit, das der Gegenstand eines Künstlers erhalten sollte: Einen Urheber, der daran glaubt.
Auch kann ich mich nicht an Sven Regeners Wutausbrüche darüber erinnern, dass die einzige Frage, die die Medien seit fast einem Jahrzehnt bei jedem annähernd kritischen und emotionalen künstlerischen Beitrag umtreibt diese ist, was denn Kunst dürfe und was nicht. Die Zensur der Kunst ist zu einem wichtigeren und "quotenträchtigeren" Thema geworden, als die Kunst selbst. Das Thema, den Rezipienten vor dem Künstler zu schützen, anstatt auch nur einen Jota Respekt für die Kunst aufzubringen, wenn sie einen denn auf Gedankenspiele bringt, auf die man sich bis dato nicht eingelassen hat, ist mittlerweile nervenaufreibender als die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Kunst selbst.
Ich lerne daraus, dass für einen beträchtlichen Teil derjenigen, die von ihrem Schaffen leben können, die Frage nach dem Inhalt der Geldbörse elementar wichtiger ist, als die tatsächlich wichtigen Fragen innerhalb der Kunst. Und selbstverständlich spielt das Finanzielle auch eine Rolle! Und natürlich, soweit gehe ich mit Regener konform, hat die Spar- und Geizmentalität dazu beigetragen, dass der Wert des einzelnen Kunstwerks stark in der Wahrnehmung gesunken ist. Aber das ist nur ein Baustein zu einer Entwicklung, die viele unterschiedliche Ursachen hat.