Da ich beruflich aus dem Broadcasting und explizit der Kinowerbung und Musik komme, versuche ich dir gerne auf einige Fragen unter meinen Arbeitsumfeld antwortend zu berichten.
"Abgesehen von der Musik gefällt mir die Stimme bzw das, was aus ihr gemacht wurde, allerdings weniger. Ist das die Komprimierung? Es wirkt für mich nicht so voll, sondern eher wie durch ne Sprechanlage."
Nein, das "Dünne" daran ist das EQing.
Die Komprimierung steht hier nur im Verhältnis Musik<>Vocals (auf beiden ist Kompression drauf), so dass die Musik wahrnehmbar bleibt aber das Gesprochene nicht übertönt, bzw. die Stimme wahrnehmbar über der Musik steht.
Weswegen das nun so "dünn" klingt, hängt mit dem Ausgabemedium zusammen und wie es explizit dafür abgemischt wird.
Im Kino zum Beispiel, hast du den größten, bzw. sattesten Dynamikumfang und daher die Musik und Vocals groß, fett und voluminös klingen dürfen, wohingegen im TV und über die kleinen im Fernsehgerät verbauten 0815-Watt Lautsprecher (hat ja nicht jeder `ne fette Soundbar oder Kinosaal um sich rum), natürlich deutlich weniger an Volumen rauskommt und hier insbesondere voluminös rumpelnde Bässe sich störend auf die Sprachverständlichkeit der Werbebotschaft auswirkt und hier der Fokus der Sprachverständlichkeit in den Mittenfrequenzen liegt. (Die "Mitte" hörst eben noch, wenn du im Werbeblock gerade weg vom TV in z.B. der Küche stehst und da was werkelst).
Ein wenig anders verhält es sich wiederum mit Radiospots, wo es wiederum etwas mehr Dynamik sein darf als im TV, allerdings durchläuft man über einen Radiosendender wiederum deren Signalkette mit Kompression und Limiter usw. und hier i.d.R. keine Abmischungen mit harten Kompressionen erwünscht sind, weil das dann erst recht einfach nur noch mega-platt und noch dünner klingen würde.
Aber auch hier, weil z.B. im Auto über Autoradio der Sound in Begleitung mit Musik ebenfalls sehr voll und fett klingen kann, legt man hier Wert auf die Sprachverständlichkeit der Werbebotschaft durch einen mit wenigen Ausnahmen sich gegen die Bässe durchsetzenden eher "dünneren", aber dafür sehr verständlicher hörbaren Vocalsound.
Bei einem Hörbuch wiederum, hast du lediglich ein einziges Klangereignis... den Sprecher.
Es gibt keine störenden und ablenkenden Ereignisse wie z.B. unterlegte Dauermusik oder Explosionen und Ballerei etc. die weder seine Dynamiken (laut und leise) stören oder vom Inhalt der Story ablenken können, weswegen dort keine übermäßige Kompression stattfinden muss, weil du nur der Stimme zu lauschen brauchst und diese in ihrer Lautstärke z.B. nicht eine BigBand oder Presslufthammer übertönen muss.
Zu High- und Lowcut: ist es überhaupt notwendig, den Müll abzuschneiden bzw die Frequenzen rauszuziehen, wenn meine Stimme eh nicht in dem Bereich liegt?
Beim cutten dieser Frequenzen geht es gar nicht um den expliziten Frequenzbereich deiner Stimme, sondern hat ganz einfach den simplen technischen Aspekt, dass ein Vorhandensein dieser Low/Hi Frequenzen- die insofern nicht benötigt werden, nur sich unnötig addierende Pegelspitzen verursachen und das Lautstärkeverhältnis a la "warum klinge ich eigentlich so leise trotz dem ich meine Vocals normalisiert habe ?" beeinträchtigen.
Weil eben insbesondere diese nicht benötigten Lo&Hi Frequenzen- da reicht nur ein minimal kleines Ereignis von ein paar Milisekunden, übertönen und dann halt durch die Normalisierung oder Kompression eben auch mit verstärkt werden... und du deine eigentlichen Vocals nicht auf "lauter" bekommst, weil du halt diese kleinen technischen Störenfriede hier und da in einer Aufnahme hast.
Daher werden insbesondere jene Frequenzen gecuttet, weil diese sozusagen störend für den Pegel sind und da man als Mensch eher nicht das stimmliche Volumen eines z.B. voluminös knurrenden Krokodils oder schrille Fledermauslaute hat, werden diese Frequenzen auch nicht benötigt.
Zum EQ: also wäre es sinnvoll, meinen FQ-Bereich zu verstärken? Wenn jetzt meine Stimme bei 200 Hertz liegt zB, das zu verstärken/lauter zu machen?
Nein, aus vielen vielen verschiedenen Gründen.
Beim EQing ist man i.d.R. vielmehr darauf bedacht, etwaig störend überlagernde Frequenzen abzusenken (bedenke Thema Pegel Lo&Hi-Cut)...womit man wiederum andere Frequenzbereiche "wie durch Zauberhand" automatisch mehr Präsenz und Luft verleiht.
Ein z.B. muffiger Sound wird nicht unbedingt dadurch klarer, indem man einfach nur die Höhen anhebt (und damit auch etwaiges Rauschen verstärkt), sondern indem man jene leicht überbetont muffigen Frequenzen mit dem EQ abschwächt und die anderen Frequenzen, wie z.B. die Höhen, dann auch wieder mehr Präsenz und Durchsetzungsfähigkeiten erhalten, bzw. besser wahrgenommen werden... ohne das man diese explizit im EQ anheben musste.
Eine Faustregel lautet dabei, beim Abschwächen im "Q" (Bandbreite) etwas grobschlächtiger sein zu dürfen, wohingegen beim Anheben von Frequenzen nur sehr sehr dezent verfahren wird.
Zu "Frequenzen und Lautheit" im allgemeinen.
Eine finaler Mix, aus eben Sprache, Musik und allerlei lautstarker Geräusche usw. hat eine finale Ausgabelautstärke, die erst im Fall einer z.B. CD-Produktion usw. bei 0db liegt.
Es ist daher auch technisch gar nicht erforderlich, dass man seine Vocals nun ebenfalls maximal laut und auf 0db anheben muss.
Daher, was auch ich selbst empfehle, reicht eine Pegelspitze von um die -10db auch völlig aus, Headroom (Aussteuerungsreserve) ist damit i.d.R. völlig safe und wird auch nicht zu leise sein.
Immerhin leben wir nicht mehr im Bandmaschinenzeitalter und mit digitaler Aufnahmekette und 24-Bit Auflösung und einem Dynamikumfang bei 144db, das Thema Rauschen<>Nutzsignal<>Bandsättigung heute nicht mehr relevant ist, wie noch vor 40 Jahren.
Das "safe" Signal nachher, in einer finalen Produktion, noch einmal um die "erforderlichen" 10db zu verstärken ist kein Problem und hat auch keinen Einfluss auf die technische Qualität... wozu wir zum nächsten Grund übergehen...
Man kann im Vorfeld natürlich nicht wissen, wie eine Produktion später einmal klingen soll und wird, weswegen es dann kein Vorteil ist, da schon im Vorfeld irgendwelche kleinen-großen Soundmodifikationen vorzunehmen.
Ich vergleiche das immer gerne in der Analogie mit meiner anderen Leidenschaft... dem Kochen.
Wenn du beim Kochen vorher schon schön "sadomaso" mit dem Pfeffer&Chillistreuer zu Werke gehst, dann versuche im Nachhinein die Schärte noch heraus zu bekommen.
"Nachwürzen" kann man im Sound immer, andersrum wird es ziemlich schwierig und unangenehm.
Aber jetzt mal weg von diesem ganzen Roman und explizit zu dir:
Du hast eine suuuuper Stimme und aber auch sind deine Aufnahmen von einer wirklich guten guten Qualität, die sich sehr gut veredeln lässt.
Ich würde dir empfehlen, da eigentlich gar nichts dran mit EQ zu machen.
Ja, auf Demobasis hinsichtlich ausgeglichener Lautstärkeverhältnisse, kannst du da mit einer leichten-mittleren Kompression rangehen (derlei Presets findest du eigentlich immer in Kompressor-Software wie "Soft" oder "Medium" Kompression)... aber bastel da nicht zu viel herum, weil das auch nicht leider selten der Fall ist, dass es dann schnell in einer sogenannten "Verschlimmverbesserung" ausartet.
So, ich brauch jetzt nach der langen Tippse hier dringend eine 8 Stunden Entspannungsmassage oder Schlaf
und hoffe, dass ich dir ein wenig erklärbärisch helfen konnte.
Liebe Grüße aus Berlinesien
Markus