Ich weiß dass hier gerade viel diskutiert wird und das ist vermutlich auch gar nicht zu vermeiden bei so einem Thema. Aber ich hab keinen Nerv mehr mit irgendwem über irgendwas zu diskutieren, also werde ich jetzt einfach meine Erfahrungen mit Corona reinschreiben, falls das jemanden interessiert
Das mag für manche Leute anmaßend klingen. Aber mir hat Corona gut getan. Wirklich.
Liegt aber auch daran, dass ich Gott sei dank zu keiner Gruppe gehöre, die von den Einschränkungen besonders betroffen ist.
Ich habe wirtschaftlich null Probleme, ich habe keine Kinder, ich hab nen systemrelevanten Beruf und daher hab ich die ganze Zeit gearbeitet, war nur ganz kurz in Kurzarbeit und hab letztlich trotzdem mein Gehalt bekommen.
Ich habe zwar eine chronische Krankheit, aber keine die für mich ein nennenswert höheres Risiko darstellt (was ich anfangs jedoch noch nicht wusste).
Corona hat bei mir zwei Dinge verursacht:
a) soziale Kontakte und Verpflichtungen reduziert
b) mir Anlass gegeben mich über Leute aufzuregen, die die Pandemie nicht ernst nehmen
Auf was musste ich konkret verzichten?
Urlaub im Ausland? - Kann ich mir eh nicht mal eben leisten und will ich auch gar nicht, irgendwann mal vllt, aber ich kann gut drauf verzichten.
Straßenverkehr - nice, find ich gut, als Fahrradfahrer, wenn so viel Platz ist und es ruhig ist auf den Straßen. Top.
Eine Live-Lesung der Drei ??? - Ja bisschen schade, wird dann halt nachgeholt 2021, da ich nicht mit einem Fuß im grab stehe, sehe ich keinen Anlass mich darüber zu beschweren, ist halt so.
Klare Sicht - meine Brille beschlägt leider ziemlich mit manchen Masken, hab jetzt schon einige genäht (insgesamt 25, davon waren 5 für mich). Hab jetzt eine, wo es auch bei regenwetter gut geht und werde mir für den Herbst noch welche nähen, dann bin ich gewappnet und kann trotzdem was sehen. Haha. Trial and Error eben.
Soziale Kontakte im Privatleben - Das war wundervoll. Ich arbeite in meinem Beruf mit Menschen, brauche da viel Geduld, muss mich viel konzentrieren, reflektieren und viel zuhören, z.T. mit schwierigen Leuten irgendwie umgehen. Und ganz im ernst: nach Feierabend will ich keine weiteren Menschen sehen. Ist halt schade, weil ich ja auch Leute habe die mir am Herzen liegen.
Aber es war traumhaft: keine Geburtstage, wo ich das Gefühl hatte ich kann nicht 'Nein' sagen, keine extra Veranstaltungen, die mich in die Zwickmühle bringen ob ich hingehen will oder nicht, einfach mal einbisschen Luft zum durchatmen. Da ich gesundheitlich dauernd angeschlagen bin, finde ich das alles so unglaublich anstrengend und das ist einfach weggefallen und das war wundervoll.
Tanzen - ja, das hab ich doch ziemlich vermisst, aber auch da hat vllt ne Pause mal gut getan. Ich hab mir alleine einpaar Säbel-Techniken beigebracht, hätte ich sonst vermutlich nie gemacht. Und im zweifel eben alleine üben. Mittlerweile treffe ich mich mit einer Freundin ab und zu, zum trainieren im Park.
Soziale Kontakte Online - unzählige, also hatte mehr Zeit für Fantasy-Rollenspiele und so, sogar Pen and Paper übers Internet mit Leuten, die ich normalerweise persönlich getroffen hätte.
Einsam? - Nicht wirklich. Siehe oben. Außerdem hab ich nen Mann und ne Katze und super online Gottesdienste jeden Sonntag.
Leider habe ich mich sehr viel über die Arbeit aufgeregt, da mein Chef die Lage nicht sehr ernst nimmt und ich mich immer wieder frage, wie es denn so schwer sein kann einfahc für einpaar Minuten einen Mundschutz zu tragen (und zwar nicht unter der Nase - wie dumm manche Menschen sind ist erstaunlich) und etwas Abstand zu halten....
Ich hab versucht das Risiko für mich und die Patienten zu verringern, was nicht einfach ist, wenn die Frau vom Chef nebenbei laut über Masken meckert und der Chef sich nicht mal bequemt Hygienemaßnahmen zu verkünden - das hab ich dann halt mal gemacht weil ich mir dachte: habt ihr den Schuss noch nicht gehört, oder was?
Naja. Auch solche die sagen: "Ich hab keine Angst vor Corona!!" da könnte ich erwidern: "Ich hab auch keine Angst, ich hab nur Verantwortungsbewusstsein meinen Mitmenschen gegenüber. Schluck deinen Stolz und zieh die verdammte Maske an und hör auf anderen Leuten ins Gesicht zu atmen, so schwer ist es eigentlich nicht.)
Hab jetzt rausgefunden, dass meine Nase anatomisch zum atmen echt beschissen konzipiert ist (viel zu schmal, nicht viel platz, Nasenscheidewand schief usw.), aber selbst ich schaffe es problemlos durch ne Maske zu atmen. Dass manche Leute die als sehr unbequem empfinden kann ich nachvollziehen. Ich finde es auch unbequem wenn ich meine Tage habe, kann ich auch nichts dran ändern, muss ich durch und ne Maske im Supermarkt zu tragen, liebe Herrschaften, ist meines Erachtens wesentlich weniger einschränkend, schmerzhaft und unangenehm, wie ne Monatsblutung - und keines von beiden wird irgendwen umbringen.
Soweit von mir
Ich bin dankbar, dass die Krise mich kaum betrifft. Ich bin dankbar, dass ich weniger 'nein' sagen musste und mehr Ruhe hatte. Ich bin dankbar, dass ich in einem Land mit so viel Luxus lebe, auf den ich eine Zeit lang verzichten und mich im Anschluss nochmal neu darüber freuen darf, wenn es wieder erlaubt ist.