OldNick

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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Um mich noch ein wenig um den "Medicus" herumzudrücken, habe ich (nach vielen Jahren) mal wieder die "Schachnovelle" von Stefan Zweig gelesen, was immer wieder - der Ernsthaftigkeit der Geschichte zum Trotz - ein großes Vergnügen ist. In diesem Zuge habe ich gleich einen weiteren kurzen Roman angefangen, nämlich "Sich lieben" von Jean-Philippe Toussaint. Der Originaltitel des Buches ist "faire l'amour", was (meinem sehr schlechten Schulfranzösisch zufolge - Kundigere mögen mich korrigieren) "Liebe machen" bedeutet, und die Doppelbödigkeit des Übersetzungstitels vermissen läßt. Liebt man in einer Beziehung nicht immer einander, und nicht primär sich?
Meines Erachtens ein sehr treffender Übersetzungstitel, denn es geht um eine Beziehung, die sich totgelaufen hat. Sie muss geschäftlich nach Tokio, und er begleitet sie zu einem Zeitpunkt, da die Trennung noch nicht ganz vollzogen ist, aufgrund der Befürchtung, man könnte einander vermissen und somit die Verbindung doch weiterführen.
Ich will und kann (da ich erst in der Mitte des Buches bin) nicht rezensieren, aber möchte sagen, dass mich das Buch bis jetzt zutiefst berührt hat. Jeder, der einmal eine Trennung von einem einst geliebten Menschen erlebt hat, kennt das kalte, blasse Empfinden, wenn Berührungen ersterben, wenn aus der einstigen Romantik, aus der so bedeutungsvollen Mimik, den kleinen Berührungen nur noch eine kalte Mechanik wird und sich jede noch so zärtliche Umarmung anfühlt wie der betäubte Arm kurz vor einem chirurgischen Eingriff.
Während Toussaint immer wieder kleine Rückblenden zum Anfang der Beziehung einarbeitet, gelingt es ihm auf kunstvolle Weise, der beiderseitigen Verzweiflung und Fassungslosigkeit ob der erstorbenen Gefühle eine ebenso kalte wie mechanische Sprache zu verleihen. Besonders in einer Liebesszene macht er dies in wunderbaren Sprachbildern deutlich:

"Ich hatte das Gefühl, daß sie sich meines Körpers bediente, um an mir, gegen mich zu masturbieren, daß sie ihre Verzweiflung an meinem Körper rieb, um sich in der Suche nach einem gefährlichen, glühenden und einsamen Genuß zu verlieren, schmerzhaft wie eine lang schwelende Brandwunde und tragisch wie das Feuer des Bruchs, den wir im Begriff waren zu vollziehen, und genau dasselbe Gefühl dürfte sie auch in bezug auf mich empfunden haben, denn seitdem unsere Umklammerung zu jenem Kampf zweier paralleler Gelüste geworden war, nicht mehr zueinander-, sondern auseinanderstrebend, antagonistisch, als würden wir uns gegenseitig die Lust streitig machen, statt sie zu teilen, hatte auch ich mich schließlich wie sie auf die Suche nach einer rein onanistischen Lust konzentriert. Und je länger diese Umarmung dauerte, je mehr die sexuelle Lust anstieg wie Säure, um so stärker spürte ich die schreckliche unterschwellige Gewalt dieser Umarmung anwachsen."

-Seite 28ff.

Ein bisher sehr ergreifendes Buch, das in einer Wunde rührt, die wohl die meisten von uns teilen. Überdies eine scheinbar sehr gelungene Übersetzung - obgleich es sehr schade ist, dass mein Französisch viel zu schlecht ist, um mich an der Originalausgabe zu versuchen. Aber vielleicht wird der ein oder andere hier das tun oder hat es bereits getan - erscheint mir auf jeden Fall sehr empfehlenswert.
 

Phollux

Robert Kerick
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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Vielen Dank für den Tip, Marcel. Der Auszug liest sich wirklich wie ein fahler Geschmack auf der Zunge und könnte das Wort Distanz nicht besser umschreiben. :)

[...]Jeder, der einmal eine Trennung von einem einst geliebten Menschen erlebt hat, kennt das kalte, blasse Empfinden, wenn Berührungen ersterben, wenn aus der einstigen Romantik, aus der so bedeutungsvollen Mimik, den kleinen Berührungen nur noch eine kalte Mechanik wird und sich jede noch so zärtliche Umarmung anfühlt wie der betäubte Arm kurz vor einem chirurgischen Eingriff.
[...]

Deine Beschreibung kann dem Auszug aber getrost das Wasser reichen. :) :thumbsup:
 

OldNick

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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Auch wenn ich das aus Gründen der Bescheidenheit zurückweisen muss, hat mich das Kompliment sehr gefreut, vielen, vielen Dank, Robert:).
Ich habe das Buch jetzt zu drei Vierteln gelesen, und kann versichern, dass es noch viele weitere dieser Stellen gibt. Toussaint versteht es großartig, mit dieser beklemmenden Atmosphäre zu spielen. Unnötig zu erwähnen, dass dieses Buch sicherlich nicht primär der Unterhaltung dient, sondern mehr der eigenen Reflektion und Katharsis. In der Hinsicht funktioniert es auch verdammt gut.
 

reduktor

Krachmacher
AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Habe endlich mal Garlyn angefangen. Oder vielmehr versucht... :eek:
Dabei ist mir dann auch augefallen, dass das letzte Buch schon ein Jahr her ist.

Drück mich ja schon lange drum rum. Aber jetzt hilft alles nichts mehr: Ich brauche eine Lesebrille!

...
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Da ich alles andere als eine Leseratte bin, gleichzeitig aber ein großes Faible für Splatter habe, fällt es mir leicht, die "Extrem"-Romane des Festa-Verlags zu lesen...also Bücher von Edward Lee, Brian Keene oder Bryan Smith....so herrlich trivial, schmuddelig und Gewalt verherrlichend....
(Wow, wat für ein Outing) :-D
 

Freddy Bee

Gute-Laune-Bee
AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Da ich sie nun alle besitze, fange ich grade mit der Harry Potter Reihe an. Derzeit das Erste: "Der Stein der Weisen"
 

reduktor

Krachmacher
AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Da ich sie nun alle besitze, fange ich grade mit der Harry Potter Reihe an. Derzeit das Erste: "Der Stein der Weisen"
Gelesen habe ich die nie. Aber dank Kinder habe ich auszugsweise die Hörbücher gehört: Rufus Beck hat das super gemacht!
Und alle Filme gesehen: Ab dem 4. merkt man die Inhaltliche Verstümmelung auch, wenn man die Geschichte nicht kennt...

Soweit ich das kennen gelernt habe wundert mich der Riesenerfolg bei Band 1 + 2. Aber jetzt wo es komplett ist, ist es auf jeden Fall eine spannende Geschichte.
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Den ersten Potter kenn ich auch nur als Hörbuch....sehr kurzweilig.
 

Chaos

Schneewittchen
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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

WAS. BITTE WAS. :eek:
Ich bin entrüstet.
Ja, ich weiß, viele können mit Harry Potter nix anfangen, weil Stereotype blablabla, ABER

....*sammelt sich*
Für die meisten meiner Generation bedeutet Harry Potter Kindheit und das wird auch immer so bleiben. Ganz große Bildungslücke, meine Herren! :)
Deswegen ebenso erfreulich, dass sie aufgeholt wird :p
 

Kolibri

Hannah
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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

WAS. BITTE WAS. :eek:
Ich bin entrüstet.
Ja, ich weiß, viele können mit Harry Potter nix anfangen, weil Stereotype blablabla, ABER

....*sammelt sich*
Für die meisten meiner Generation bedeutet Harry Potter Kindheit und das wird auch immer so bleiben. Ganz große Bildungslücke, meine Herren! :)
Deswegen ebenso erfreulich, dass sie aufgeholt wird :p


I completly agree.... geht GAR NICHT!!! Harry Potter gehört zum Leben dazu wie... ähm... was auch immer :D

@Old Nick: Ich musste sehr lachen, als ich deine Kommentare gelesen habe :D Ich lese gerade den Medicus! Und kann ihn wärmstens empfehlen - mir gefällt er sehr gut! Er hat ziemlich viele interessante Aspekte drin - die unterschiedlichen Religionen, diese Wissbegier in der Medizin... Das alte England, das alte Persien... Ich finde es wirklich cool und auch ziemlich gut geschrieben. Aber ehrlich gesagt tatsächlich eher so zum Runterlesen, kann man gnaz schnell lesen! :D (Und sich vorm Lernen drücken, klappt hervorragend... :eek: )
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Die Potter-Filme hab ich natürlich alle zuhause und mehrmals gesehen...es geht ja ums Lesen...bei den dicken Wälzern hätte ich keine Ausdauer.....
 

OldNick

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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

@Kolibri:
Schön, dass Dir das Buch Spaß macht. Bin dann mal gespannt, wie ich das finden werde. Das Buch habe ich von meinem Dad und ich bin deshalb so skeptisch, da er alles, was ich ihm zum Lesen 'rauslege, furchtbar findet. Ich hoffe mal, dass dies im Umkehrschluß nicht so ist *g*.


Zum Thema: Man gab mir "Shades of Grey", den 1. Band. Nein, nicht aufgrund einer Empfehlung, sondern zur Restmüllweiterreichung. Und ehrlich gesagt macht mich das Buch unheimlich wütend. Die Dame hat mit diesem Müll in einem Jahr 80 Millionen US-Dollar verdient und nahezu jeder unveröffentlichte Autor, den ich kennenlernte, hat einen besseren Schreibstil UND eine durchdachtere, originellere Geschichte zu erzählen. Während es wenige große Literaten gibt, die unveröffentlicht bleiben und irgendwo zwischen Mülltonne und Taschenrevolver stehen, verdient man sich mit so einem Mist dumm und dusselig, und selbst Teile des Feuilletons frohlocken ob dieses aufgeblasenen Nichts. Normalerweise mache ich sowas nicht - aber das Buch wandert in den Müll. Oder vielleicht sollte ich es rituell verbrennen und gleichzeitig einen Fluch darauf aussprechen.
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Tja.....Geschmäcker sind zum Glück verschieden....Shades of grey hat offenbar viele Menschen gut unterhalten...DAS ist offenbar der entscheidende Faktor. Man muss einen Autor nicht durch den Dreck ziehen, nur weil er KEINE tiefsinnige Geschichte mit einer hyperintelligenten ausgeklügelten Sprache erzählt.
 

Arne

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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Der Hundertjährige, der aus dem fenster stieg und verschwand
 

reduktor

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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

WAS. BITTE WAS. :eek:
Ich bin entrüstet.
Ja, ich weiß, viele können mit Harry Potter nix anfangen, weil Stereotype blablabla, ABER

....*sammelt sich*
Für die meisten meiner Generation bedeutet Harry Potter Kindheit und das wird auch immer so bleiben. Ganz große Bildungslücke, meine Herren! :)
Deswegen ebenso erfreulich, dass sie aufgeholt wird :p


Eben: Kindheit.
Das erste Buch ist nicht unbedingt an Erwachsene gerichtet und insofern hat es mich derzeit nicht interessiert. Und die eingenen Kinder gab es damals auch noch nicht.
Aber es stört mich überhaupt nicht, dass es andere anders empfinden. Ich gönne euch die Begeisterung :)
 

OldNick

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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

@michelsausb: Oh, ich glaube kaum, dass sich Frau Leonard daran stören wird, dass irgendein Typ in Europa ihr Buch nicht mag und aus welchen Gründen er es nicht tut. Und in diesem Falle, mit Verlaub, geht es nicht um das bewußte Moment der Unterhaltung - der Vergleich zöge eher renommierte Unterhaltungsschriftsteller wie King oder Grisham durch den besagten "Dreck". Eine populäre Geschichte ("Twilight") nachzuerzählen und um ein schrecklich banales Handlungselement (Sadomasochismus) zu erweitern ist das eine, aber dann nicht einmal einen nachvollziehbaren Spannungsbogen anbieten zu können und obendrein eine Interpretation feilzubieten, die jeder Sechstklässler besser hinbekommen hätte - das finde ich wirklich unverschämt. Und das nicht von Frau Leonard, die es besser könnte oder auch nicht - sondern von denjenigen, die tagtäglich um Längen bessere Manuskripte ablehnen, aber eine ursprüngliche Fan Fiction aus dem bloßen Grund verlegen, da man sie mit dem Twilightlabel vermarkten kann. Diese Ungeheuerlichkeit zeigt, wo es in Zukunft auf dem Buchmarkt hingeht. Das finde ich sehr schade - aber da ich da wahrscheinlich mit einigen wenigen Tausend allein stehe, wirst Du weiterhin "Shades of Grey" und ähnliche Werke genießen können, die Du aber auch auf Internetplattformen hättest lesen können, wenn sie nicht im Hardcover erschienen wären. Und es gibt zweifellos einige bessere Fan Fictions als diese.

Ich lese zur Zeit Jerzy Kosinskis "Steps" (dt. "Aus den Feuern"). Und damit ich darüber nicht so viel schwafel, verlinke ich den Spiegel und Marcel Reich-Ranickis Artikel in der Zeit:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44906514.html
http://www.zeit.de/1970/13/obszoen-brutal-poetisch

Mich beeindruckt das Buch auf ähnliche Weise, wie es seinerzeit "Evil" von Jack Ketchum tat. Abgestoßen von der inneren Bilderfabrik, die doch nicht aufhört, immer neue assoziative Szenen zu produzieren, stellt man sich die Frage nach der eigenen Position ob des "Verinnerlichten". Fürchtet man sich vor dem Monstrum, das den anderen innewohnt? Möchte man den Leidenden von dem Täter befreien, oder fürchtet man viel eher, dass der Leidende selbst zu einem Monstrum wird, wenn er "erlöst" ist? Und wieso nicht sich vor sich selbst fürchten, wenn dieselben Anlagen auch in einem selbst vorhanden sind? Der Instinkt funktioniert wunderbar - er produziert diese Bilder ohne Not, genauso, als würde man einen Arztroman lesen. Das Beängstigendste an dem Buch ist der Blick in den Spiegel.
 

Noir

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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Ich lese im Moment "Mara und der Feuerbringer". Ein Jugendbuch, dass mir bisher wirklich Spaß macht. Anders als der erste Harry Potter Band, den ich ziiiiemlich langweilig fand (sorry, Mädels ;) )
 

Noir

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AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

So, ich bin durch (lesen als Entspannung gegenüber des Klausurstresses war früher nie so meins. Jetzt hab ichs für mich entdeckt ;) ). Hier mein Eindruck:

Mara und der Feuerbringer

Teil 1 einer Jugendromantrilogie von "Bernd das Brot"-Erfinder Tommy Krappweis. Vielen auch bekannt durch sein Mitwirken in der Comedyshow "RTL Samstag Nacht".
Das Krappweis ein außerordentliches Talent in Sachen Comedy hat, merkt man seinem Schreibstil durchaus an. Locker flockig, teilweise sogar arg flapsig beschreibt er die Erlebnisse von Mara Lorbeer, die oft zum Mobbingopfer der "coolen Kids" wird, weil sie oft in den Tag hineinträumt und dabei gerne alles um sich herum vergisst. Bis auf diese Tagträume, ist Mara ein ziemlich durchschnittlicher Mensch. Sie kann alles ein bischen, aber nichts so wirklich gut. Eines Tages begleitet sie ihre Mutter mal wieder auf eines der ihr so verhassten Wicca-Seminare, als sich ihre Welt schlagartig ändert und klar wird, dass sie alles andere, als ein durchschnittlicher Mensch ist.
Im nun folgenden Abenteuer begegnet Mara legendären Figuren der germanischen Mythologie und selbst jemand, der bisher glaubte, sich etwas mit diesen Sagen auszukennen, wird verwundert mit den Ohren schlackern, wenn Krappweis Dinge offenbart, die Otto Normalverbraucher ohne die Lektüre wissenschaftlicher Werke kaum erführe.

Das Abenteuer liest sich, wie schon erwähnt, witzig und locker herunter. Mir selbst ist es allerdings an einigen Stellen dann doch zu locker. Man muss natürlich beachten, dass es sich hier um einen Jugendroman handelt und der Erfolg des Buches (man klicke sich bspw. nur einmal durch die Amazon-Rezensionen), spricht ja durchaus für diesen Stil, mir persönlich wäre es aber auch als Jugendlicher zu flapsig gewesen. Aber auch hier muss man natürlich bedenken, dass es "damals" (Gott, bin ich alt) eine andere Zeit war. Wer weiß, ob ich das auch so sähe, wenn ich in der heutigen Zeit um die 10 bis 14 Jahre alt gewesen wäre.

Die Geschichte wird langsam und gemächlich eingeleitet und die Charaktere bekommen genug Raum um sich zu entfalten. Das Buch nimmt dann aber immer mehr Fahrt auf und gegen Ende kann man durchaus kurz ins Stocken geraten und denken: "Okay ... den letzten Absatz muss ich jetzt nochmal lesen. Irgendetwas hab ich übersehen."

Ich empfand es auch als etwas befremdlich, wenn Mara berühmten Figuren aus der Sagenwelt begegnet und sie etwas plump mit "Herr Loki" oder ähnliches anspricht. Klar, es ist schon realistisch! Wie soll eine 14-Jährige auch auf eine mächtige Sagengestalt reagieren. Trotzdem wirkte es auf mich eher seltsam komisch, als witzig. Aber auch hier muss man wohl darauf verweisen, dass ich nicht wirklich die Zielgruppe bin.

Die Konflikte, in die Mara und die anderen Charaktere stolpern sind, trotz ihrer nicht selten fantastischen Natur, nachvollziehbar und werden auch jugendromantauglich gelöst. Aber auch hier, wurde mir meist zu schnell die richtige Vorgehensweise gefunden oder der Zufall half den Protagonisten. Auch hier muss man wohl erneut auf den Zusatz "Jugendroman" verweisen und auch Bücher wie das von mir oft so gelobte "Der Hobbit" von Tolkien weist dieses Phänomen immer wieder auf. Aber bei Mara kam es mir irgendwie heftiger vor. Vielleicht lag es an des schon erwähnten Schreibstils, der das alles dann vielleicht noch leichter erscheinen lässt, als der schwerere Erzählstil des Altmeisters Tolkien.
Andererseits habe ich auch schon Jugendbücher gelesen, die diesen Stil weniger pflegten. Beispielsweise "Die Insel der besonderen Kinder" von Ransom Riggs. Ich finde den Vergleich mit Riggs hier gar nicht mal so falsch, nicht weil sich die Themen so sehr ähnelten (Riggs hat ein paar Elemente des 2. Weltkriegs in einen fantastischen Jugendroman eingewebt und somit eigentlich keinerlei thematische Ähnlichkeit mit Krappweis' Mara), sondern weil sich beide Romane eher untypischen Storyelementen widmen und beide Protagonisten plötzlich auf ihre besondere Fähigkeit hingewiesen werden. Während Krappweis' hier sehr kindlich jugendlich bleibt, wird Riggs zunehmend düsterer und arbeitet durchaus auch mit Situationen, die selbst den erwachsenen Leser mal schwer schlucken lassen. Mir persönlich hätte Mara in dem Stil wohl noch besser gefallen - aber das ist nur mein persönlicher Geschmack, soll und kann auch dem Buch von Krappweis nicht angelastet werden, da dieses ja nie versucht hat, sich dieser Art Jugendbuch zu nähern.

Nein, "Mara und der Feuerbringer" ist ein spritzig, frisches Jugendbucherlebnis und erzählt einen klassischen "Weltrettungsplot" aus der Sicht eines 14 jährigen Mädchens, die auch noch selbst Teil dieser Weltrettung sein soll. Authentisch und durchaus spannend. Leider bleiben am Ende von Band 1 noch einige Fragen offen, die offensichtlich zeigen, dass man hier keinen Einzelroman vor sich hat, sondern mindestens einen Zweiteiler. Inzwischen wissen wir, da die Bücher ja schon länger veröffentlich sind (ich glaube der 3. Teil kam 2011 in den Handel), dass es sich um eine Trilogie handelt. Allerdings finde ich auf dem Buch selbst keinen Hinweis darauf, dass es sich hier um eine Trilogie handelt. Als Käufer sehe ich ein Buch, dass den Titel "Mara und der Feuerbringer" trägt. Aber keinen Hinweis darauf, dass es sich um den ersten Band einer Reihe handelt. Erstmals in der Danksagung, liest man von einem "Band II". Aber auch nur beiläufig. Wenn ich selbst nicht im Internet recherchiert hätte, wäre mir also zunächst nicht aufgefallen, dass es mehrere Bände sind.
Mir persönlich gefällt das nicht. Ich möchte als Buchkäufer ungern die letzte Seite umblättern und dann merken, dass die Geschichte noch gar nicht zu Ende ist. So etwas ärgert mich. Ich habe keine Probleme mit Buchreihen. Aber hier fand ich es sehr unbefriedigend, nicht vorher gewusst zu haben, worauf ich mich "einlasse". Aber - ich verweise erneut auf die vielen lobenden Rezensionen im Netz - ich scheine da einer Minderheit anzugehören.

Das klingt negativer, als ich es empfunden habe. "Mara und der Feuerbringer" konnte mich mehr begeistern als Rowlings erster Potter-Roman. Und das soll Jugendbuchfreunden Hinweis genug sein, dass Krappweis hier ein absolut lesenswertes buch geschrieben hat.

Eines möchte ich noch erwähnen: Auch "Die Insel der besonderen Kinder" hat ein offenes Ende. Gefühlt sogar offener als das von Mara. Das soll gerechterweise, da ich Riggs' Roman vorhin als positives Beispiel nannte, gesagt werden.

Ich gebe insgesamt 3 von 5 Flammen.
 
Zuletzt bearbeitet:

stephan1979

Mitglied
AW: Welches Buch lest Ihr zur Zeit?

Stern ohne Himmel

Eigentlich ein Jugendbuch, aber das ernste Thema ist auch für Erwachsene interessant. Die Geschichte spielt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine Gruppe Kinder findet in einem zerbombten Stadtteil ein Vorratslager. Aber sie finden dort auch einen Juden. Wenn Sie den Juden verraten, müssen sie auch ihr Vorratslager aufgeben. Ich finde diesen Konflikt sehr interessant dargestellt.
 
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