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Heiko Martens

Prof. Sigmund Freud - 01 - Das zweite Gesicht

Kriminalhörspiel
Produktion: STIL in Kooperation mit dem Hessischen Rundfunk
ca. 70 Minuten
1 CD; Euro 9,99

Regie, Ton und Musikkomposition: Simon Bertling und Christian Hagitte

Sprecher:
Sigmund Freud: Hans-Peter Hallwachs
Anna Freud: Felicitas Woll
Karl Gruber: Andreas Fröhlich
Über-Ich: Nicolas Artajo
Es: Cathleen Gawlich
Anton Presslauer: Rolf Zacher
Heinz Peschl: Sascha Rotermund
Marianne Presslauer: Julia Stoepel
Sergius Pankejeff: Carsten Wilhelm
Felbermayr: Gerald Schaale
Vampir-Lakai: Klaus-Peter Grap
Martha: Kerstin Sanders-Dornseif


Inhalt:

Wien, 1920: Die Avantgarde der Psychoanalyse befindet sich noch immer in den Wohn- und Arbeitsräumen von Prof. Dr. Sigmund Freud. Als eines Tages der an seiner Arbeit leidende Gendarm Karl Gruber auf der berühmten Couch Freuds landet, eröffnet sich für den Erforscher der menschlichen Seele eine willkommene Gelegenheit, seinen Therapeutenalltag um eine ebenso reizvolle wie gefährliche Komponente zu erweitern. Zusammen mit dem Ermittler in Mordsachen, Gruber, und mithilfe seiner dickköpfigen Tochter Anna macht sich Sigmund Freud auf, den psychologisch vertrackten Verbrechen seiner Heimatstadt auf den Grund zu gehen…

Ein mysteriöser Mordfall treibt den Gendarmen Karl Gruber erstmalig dazu, den Psychoanalytiker Sigmund Freud aufzusuchen. Die Tochter des Leiters des Wiener Burgtheaters wurde ermordet und die Umstände ihres Todes sind grausig: Die Leiche ist blutleer. Der Ermittler Gruber hegt einen Verdacht: In Wien treibt ein Vampir sein Unwesen. Sigmund Freud ist mehr als herausgefordert, dem Aberglauben ein Ende zu setzen und den wahren Täter zu überführen…


Kritik:

Wien 1920. Sigmund Freud und seine später so berühmte Psychoanalyse stecken noch in den Kinderschuhen. Während Gendarm Gruber sich mit einem grässlichen Mord konfrontiert sieht, der ihn wegen anhaltender Schlaflosigkeit auf die Couch des Psychoanalytikers treibt, nimmt Freud dieses erste Zusammentreffen mit Gruber zum Anlass, dem Ermittler auf seine Weise unter die Arme zu greifen: mit Freuds profundem Wissen über die menschliche Seele und deren Abgründe wollen die beiden Männer den "Vampir-Fall" lösen... Doch die Dinge geraten aus dem Ruder, als Freud sich irrt und Anna, Freuds Tochter, dem Mörder gefährlich nahe kommt...

Das Verbrechen von seiner psychologischen Seite beleuchtet die neue Hörspielreihe "Prof. Sigmund Freud" aus dem Hause STIL, die erstmals mit dieser Krimi-Reihe den Hörspielmarkt als eigenständiges Label bereichern. STIL, das sind Simon Bertling und Christian Hagitte, die bereits so hochkarätige Hörspielserien wie "Wallander" (Hörverlag) und "Die Alchimistin" (Lübbe Audio) produziert haben.

Mit dem ersten Fall, "Das zweite Gesicht", zeigt das kreative Macher-Duo auch schon sehr deutlich, wo es langgeht: Die Reihe bietet keine Krimikost im herkömmlichen Sinne, vielmehr eine Symbiose aus Krimi und psychologischem Hörspiel, die bislang auf dem Hörspielmarkt einzigartig ist. Zum einen zeigt die Einstandsfolge den höchst interessanten Arbeitsalltag von Prof. Freud, zum anderen wird ein Verbrechen durchleuchtet und aufgeklärt.

Angelpunkt der Reihe ist natürlich Freuds Psychoanalyse, und innerhalb dieser die These der grundsätzlichen Aufsplittung der Seele in "Ich", "Über-Ich" und "Es", die in Form innerer Dispute des Arztes hörbar gemacht wird. Das ist ein toller Kniff, der fürs Hörspiel mit schönen Effekten und den erstklassigen Sprechern Nicolas Artajo (Über-Ich) und Cathleen Gawlich (Es) sehr anschaulich umgesetzt wurde.

Hagitte und Bertling haben den Cast der Reihe überhaupt sehr gut besetzt: Mit Hans Peter Hallwachs als Prof. Freud, Felicitas Woll als Anna und Andreas Fröhlich als Gendarm Karl Gruber sind die Hauptrollen exzellent besetzt, und in dieser Einstandsfolge sind mit Rolf Zacher und Sascha Rotermund auch weitere bekannte Sprecher mit an Bord, die klasse aufspielen.

Sehr großen Wert wird bei STIL immer auf die Musik gelegt. Die Kompositionen für "Prof. Sigmund Freud" wurden mit dem Berliner Filmorchester eingespielt und kommen selbstverständlich nicht aus der "Dose". Die Musik zu dieser ersten Folge ist extrem atmosphärisch und bringt die kriselnden Seelenlandschaften genial zum Ausdruck: mal aufwühlend, mal abgründig, mal verstörend - da wird mit atonalen Sequenzen, romantischen Ochesterpassagen samt Dissonanzen, mit beklemmenden Fagott-Soli, aber auch mit sphärischen Klängen gearbeitet - eine absolut starke Klangkulisse.

Das Artwork zur Reihe ist gefällig, und das Cover zeigt einige Details aus dem Hörspiel. Im Booklet gibt es Interessantes über Freuds Arbeit zu lesen, nur bei der auf alt gemachten Schreibmaschinen-Typo hat man des Gutes zuviel getan: der "Matrizen-Effekt" führt zu einer schlechten Lesbarkeit im Innenteil.


Mit "Das zweite Gesicht" präsentiert STIL eine völlig neue Art von Krimihörspiel:
Ziel der Reihe ist es weniger, die Ermittlungsarbeit detailliert zu verfolgen (wie etwa bei Sherlock Holmes), sondern den psychischen Zustand des Verbrechers begreiflich zu machen.
Deshalb gibt es am Ende des Hörspiels einen wissenschaftlichen Kommentar zu hören, der Näheres zum Thema erklärt: diesmal geht es um multiple Persönlichkeitsstörungen, um schizophrene Psychosen, Verdrängung und Verschiebungen. Kein leichter Tobak, sicher, aber wer zu einem Hörspiel greift, auf dem "Prof. Sigmund Freud" steht, der sollte wissen, worauf er sich einlässt. ;-)


Fazit:

Guter Auftakt zur neuen Hörspielreihe von STIL: kein Krimi im herkömmlichen Sinne, eher eine Mischung aus Krimi und psychologischem Hörspiel - Empfehlung!
 

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Poldi

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AW: Prof. Sigmund Freud - 01 - Das zweite Gesicht

Prof. Sigmund Freud – 1. Das zweite Gesicht

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Erster Eindruck: Neue Kriminalserie mit Tiefgang

Gendarm Karl Gruber hat es mit einem besonders grausamen und verwirrenden Verbrechen zu tun: Die Tochter des hiesigen Theaterdirektors wurde aufgehängt und komplett blutleer aufgefunden. Seine Vermutung, ein Nosferatu würde hinter dem Mord stehen, möchte er mit Hilfe des berühmten Psychologen Dr. Sigmund Freud aufklären und begibt sich in seine Praxis...

Professor Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse, hat nun auch Einzug in die heutige Hörspielszene gefunden: Stil, die schon mit Edgar Allen Poe und Die Alchimistin begeistert haben, widmen dem großen Denker eine eigene Kriminalhörspielserie, die auch gleich seinen Namen trägt. Selbstverständlich wird diese Serie vom Werk und vom Leben Freuds stark beeinflusst. So spielt beispielsweise seine Tochter Anna eine wichtige Rolle, die Freud immer wieder beeinflusst und in ausführlichen Diskussionen seine Arbeit weiter vorantreibt. Besonders interessant ist aber die Aufnahme von Ich, Es und Über-Ich als Element der Serie. Die drei unbewussten Größen, deren Begrifflichkeiten Freud prägte, sind in kurzen Einschüben eingesetzt und verleihen eine ungeahnte Tiefe, indem sie die Psyche des Arztes verdeutlichen. Am Ende findet sich noch ein wissenschaftlicher Kommentar von Dr. Salwa Meier, die den Fall analysiert. All dies wertet den spannenden Kriminalfall noch weiter auf, der hier erzählt wird. Bemerkenswert ist, dass auch er durchaus Parallelen zu Freuds Schaffen hat, wie ein kleiner Infotext im Booklet aufzeigt. Karl Gruber als Ermittler wird immer wieder mit neuen Tatsachen und neuen Erkenntnissen von Freud und seiner Tochter konfrontiert, bis sich schließlich ein stimmiges und äußerst interessantes Gesamtbild zeigt. Allerdings wird dies etwas von den typischen Symptomen der ersten Folge gemildert: Die Charaktere müssen vorgestellt, das Szenarium erklärt werden, worauf nun mal viel Zeit aufgewendet werden muss, was Tempo aus der Geschichte nimmt. Trotzdem ein sehr guter und spannender Auftakt der Serie, die beweist, dass Krimis auch Tiefgang haben können.

Die Besetzung dieser ersten Geschichte ist hervorragend, alle Sprecher meistern ihre anspruchsvolle Aufgabe mit Bravour. Als Sigmund Freud ist Hans Peter Hallwachszu hören, dessen intensive und eindrucksvolle Stimme wunderbar zu der Figur passt und der sich hörbar in die Rolle hinein gefunden hat. Gendarm Karl Gruber wird von Andreas Fröhlich gesprochen, auch er kann mit seiner markanten Stimme für die nötigen Akzente sorgen und spielt seine Rolle mit viel Engagement. Sehr gut gefällt mir auch Cathleen Gawlich, die das Es spricht. Ihr verzerrte Stimme trägt viel zur gelungenen Atmosphäre bei. Weitere Sprecher sind unter anderem Sascha Rotermund, Gerald Schaale und Rolf Zacher.

Wie man es von Simon Berteling und Christian Hagitte nicht anders erwarten durfte, wurde auf die passende musikalische Begleitung besonders viel Wert gelegt und nur für diese Reihe komponiert und eingespielt – wieder vom Berliner Filmorchester. Dieser große Aufwand lohnt sich auch hier, sehr stimmungsvoll und dicht ist die Atmosphäre. Insbesondere die Texte von Es und Über-Ich sind grandios in Szene gesetzt worden.

Mittelpunkt der Covergestaltung ist eine Abbildung von Freuds Gesicht, auf dem er den Betrachter intensiv anzusehen scheint. Darum sind einige Motive aus dem Hörspiel platziert, die die Thematik gekonnt aufgreifen. Das Booklet ist mit vielen Informationen über Freud und sein Schaffen ausgestattet, auch Fotos der Hauptdarsteller sind hier zu finden.

Fazit: Auch wenn die Folge etwas schwer ins Rollen kommt, der Auftakt zu der neuen Serie bietet außergewöhnliche und intelligente Kriminalunterhaltung mit einer wunderbaren Atmosphäre.

VÖ: 28. Januar 2011
Label: Stil
Bestellnummer: 4042564128260
 
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