AW: Lukes Meinung
OK, die ganzen Links zu "zum lesen" sind tot, da ich dieses Forum heute aufgelöst habe! Ich arbeite zuviel!
Hallo Luke,
hast Du schon einmal die Punktown Hörstücke von Günter Merlau unter die Lupe genommen? Falls ja, würde es mich interessieren, was Du davon als Kritiker hälst.
Gruß
Zaleos
Ja, habe ich. Bittesehr:
Punktown Vol. 1
Bizarr, abartig, brutal, unschön, verstörend und sogar bedrückend...
...das sind die Begriffe welche mir einfallen wenn ich die Geschichten aus Paxton, oder auch besser „Punktown“, höre.
In einer recht Blade Runner-like angehauchten Szeneire ereignen sich die wildesten Storys und nichts davon besitzt auch nur den Anflug von Schönheit. Wer hier Happy Endings erhofft, der irrt. Hier werden die Bewohner der Stadt mit allem negativen konfrontiert zu dem solch eine Gesellschaft fähig ist. Und Paxtons Gesellschaft ist bunt gemixt. Ein bunter Reigen aus Menschen, Kunstwesen und Außerirdischen bevölkern die Kolonie im Weltraum und geben dem Autor so fast unendliche Spielmöglichkeiten, was seelisches Leben und anatomische Absonderlichkeiten angeht.
In den ersten drei Geschichten, welche aus der Storysammlung „Punktown“ als inszenierte Lesungen ausgekoppelt wurden, lernt man sofort ungeschönt das Leben in Paxton kennen. Die erste Story, „Die Bibliothek der Leiden“, stellt den Profiler Mac Diaz vor. Dieser verfügt über ein photographisches Gedächtnis, was seine Arbeit eigentlich erleichtern sollte. Doch wird im diese Erinnerungshilfe immer mehr zur seelischen Qual und er will sich dieser entledigen.
Geschichte Zwei, „Alles aus Liebe“, zeigte wie schnell sich auf Payton eine Liebesbeziehung vernichten lässt wenn man der unteren Schicht angehört und sich auf wagemutige Geschäfte mit Körper und Seele einlässt, indem man sich selbst als Kunstobjekt zu vermarkten sucht. Und die letzte Story, „Völlig Vertiert“, beschreibt das nicht alles so aussieht wie man es sich auf Paxton vorstellt. Denn die Polizisten, welche eine Tierhändler in Gewahrsam nehmen sollen, wissen nicht wie er aussieht und bringen sich durch ihr Unwissen in eine nicht zu unterschätzende Gefahr.
Alle diese Geschichten sind sehr atmosphärisch inszeniert worden, doch reichen sie nicht an ein Hörspiel heran und man muss hier wirklich eher von einer „inszenierten Lesung mit mehreren Sprechern“ reden. Bern Hölscher, Jürgen Holdorf, Simona Pahl, Gerrit Schmidt-Foß, Jan Spitzer, Michael Prelle und Günter Merlau bekleben viele der Charaktere und lassen so die Lesungen lebendig wirken.
Ein dichter Teppich an Geräuschen und Musikstücken bringt zusätzlich Leben in die Geschichten hinein. Doch sind die Untermalungen so unaufdringlich gehalten, da die Sprecher und die Storys zu jeder zeit im Vordergrund stehen und nicht vom Beiwerk erdrückt werden. So steht der Zuhörer stets mit im Mittelpunkt der Geschichten, da er genug Raum und Möglichkeit hat den Hauptprotagonisten durch die Geschichte zu begleiten und alles aus dessen Sicht, oder zumindest aus einer Sichtweise kurz neben ihm, zu betrachten.
Ein sehr bedrückender, aber dennoch faszinierender, Ausflug in eine dunkle und unangenehme Welt...
...deshalb die Wertung: ***** / *****
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Punktown Vol. 2
Die Stadt Paxton ist der Schauplatz dieser recht ungewöhnlichen Geschichten. Doch befindet sich Paxton nicht auf der Erde. Die Stadt ist eine Kolonie welche von menschlichen Siedlern auf dem Planeten „Oasis“ errichtet wurde. Paxton ist keine besonders angenehme Stadt, zumindest für die meisten ihrer Bewohner, weshalb sie auch den unrühmlichen Spitznamen „Punktown“ trägt. Und in dieser Umgebung, welche aus einem Bild von H.R. Giger entsprungen sein könnte, geschehen die wildesten Dinge.
In der ersten Geschichte, „Spiegelbild von Geistern“, trifft der Zuhöre auf den jungen Künstler Drew. Drew ist ein ganz besondere Künstler, denn er hat sich der Arbeit mit Fleisch verschrieben. Er erschafft Klone von sich selbst welche er zu künstlerischen Werken umbaut. Doch ist er nicht so distanziert von seiner Arbeit wie er denkt. Die zweite Geschichte erinnert mehr an eine Art Film Noir in der ein Mann sein eigenes „Falling Down“ - man erinnere sich an den Film mit Michael Douglas – erlebt. In der dritten Geschichte begegnet man einer Art von verdrehtem „Blade Runner“.
Schon die erste Story dreht schon voll auf und spart nicht mir erzählerischen Splatterelementen welche durch die Geräusche noch zusätzlich verstärkt werden. Auch mit Verzweiflung, Hass und Gleichgültigkeit wird man während dieses teilweise recht psychedelischen Trips konfrontiert. Wirklich nichts ist positiv oder schön in Punktown, doch strömt alles eine Menge an morbider Faszination und Anziehungskraft aus.
Bei diesem „Hörstück“ wird sehr viel Wert auf die Klanguntermalung der Geschichten gelegt. Obwohl vieles mit mehreren Sprechern ausgestattet ist, hat man immer das Gefühl einer inszenierten Lesung denn eines Hörspiels da die Erzähleranteile sehr hoch ausfallen und auch stets von der bestimmenden Hauptperson zusätzlich gesprochen werden. Die Soundkulisse ist permanent vorhanden und auch mit Musik wird nicht gespart. Und diese Untermalung macht die Geschichte sehr kurzweilig und ich wage zu behaupten das sie dies ohne Musik und Geräusche nicht wären.
In der ersten Story darf sich Gerrit Schmidt-Voss austoben. Er bringt seinen Part mit so viel Ruhe und Tiefe zu Gehör, das einem beim zuhören zwischendrin recht mulmig werden kann. Bernd Hölscher hilft ihm ein wenig bei der ersten Geschichte um in der zweiten dann dafür den Hauptpart sprechen zu können in der Gerrit Schmidt-Voss dann nur eine kleinen Part hat – ausgleichende Gerechtigkeit mag man meinen. In der dritten Geschichte bekommt man dann Jan Spitzer, Heike Schrötter, Gerrit Schmidt-Voss und Simona Pahl zu hören. Ihnen steht Dietmar Wunder zur Seite der dort den dominanten Part des Erzähler inne hat.
Auch wenn hier nichts im Lot ist oder man sich in Schönheit und Freude ergeht, so macht das hören doch einen diebischen Spaß. Selbst wenn dieser vielleicht nur daraus bestehen mag das man froh darüber ist nicht in dieser Welt leben zu müssen. Doch trotz aller skurilen und surrealen Dinge könnte man diese Welt als logische Weiterentwicklung der unsrigen Gesellschaft betrachten, denn die seelischen Tiefen und Abgründe die hier ausgelotet werden sind real und keinesfalls fiktiv...
...deshalb die Wertung: ***** / *****