Poldi

Mitglied
Der Spieler

derspieler.jpg


Erster Eindruck: Schleichender Verfall

Alexej Iwanowitsch ist Angestellter einer russischen Adelsfamilie, die jedoch kurz vor der Ruin steht und nur auf die Erbschaft einer reichen Tante wartet. Diese verprasst jedoch ihr Vermögen beim Glücksspiel, und auch Alexej verfällt dem Roulette, nachdem die Tochter der Familie, Pauline, seine Liebe abgewiesen hat...

Fjodor M. Dostojewski, hoch angesehener russischer Autor, hat zahlreiche Romane verfasst, die mittlerweile zu Klassikern geworden sind. „Der Spieler“ ist der Titel eines seiner früheren Werke, welches im Jahr 1956 eine Hörspielfassung vom NDR erhalten hat. Diese hat der Hörverlag nun aus den Archiven ausgegraben und die 78-minütige Umsetzung auf CD veröffentlicht. Wer lockere Unterhaltung bevorzugt, sollte hier nicht zugreifen, denn die Geschichte um Alexej, der nach und nach der Spielsucht verfällt, ist um einiges gehaltvoller als die übliche Hörspielunterhaltung. Oftmals erinnert die Geschichte an eine psychische Studie, so tief dringt man in den Charakter der Hauptfigur ein und kann von dem recht beschaulichen Anfang über die ersten Erscheinungen bis hin zum völligen Absturz jede Station miterleben und nachvollziehen. Dieser Prozess geht dabei recht langsam voran, sodass manchmal nur sich veränderte Nuancen auffallen und so den schleichenden Verfall kennzeichnen. Vorerst wird selbstverständlich erst die Grundsituation erklärt und der Auslöser von Alexejs Spielsucht geklärt, und auch im Verlauf der Geschichte sind immer wieder kleine Nebenschauplätze eingebaut, die nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern auch immer Auswirkungen auf Alexejs aktuelle Situation haben. „Der Spieler“ ist keine leichte Kost (und will es auch gar nicht sein), sondern fordert Aufmerksamkeit und ein gewisses Interesse am Thema, dann jedoch wird man mit einem wirklich sehr intensiven und beeindruckenden Hörerlebnis belohnt, welches in seinem Nuancenreichtum überzeugend ist.

Viele hervorragende Sprecher wurden hier engagiert, die den nicht gerade lockeren Stoff mit einer Ernsthaftigkeit und Präsenz umsetzen, die beeindruckend ist. Alles voran gilt dies für Heinz Reincke als Alexej Iwanowitsch, der mit seinem facettenreichen Spiel den langsamen Verfall seines Charakters nachzeichnet und für den Hörer erlebbar macht. Gisela Zoch-Westphal spricht Pauline und legt gleichsam etwas liebenswert-verführerisches wie abweisendes in ihre Stimme und kann somit sehr dynamisch wirken. Hans Paetsch, der auch in der heutigen Hörspielszene einen sehr guten Ruf innehat, spricht hier Mr. Astley und kann seinen prägnanten Klang auch hier wunderbar zu seinen Zwecken formen. Weitere Sprecher sind Heinz Klevenow, Heinz Piper und Inge Windschild.

Mitte der fünfziger Jahre ist dieses Hörspiel entstanden, und das ist vorrangig in der Akustik spürbar, offenbar herrschten damals völlig andere Ansprüche. Keine Musik wurde hier eingesetzt, die für Ablenkung oder Frohsinn sorgt, nüchtern wird die Geschichte erzählt. Zahlreiche Geräusche sorgen aber immer wieder für die passende Stimmung zu der jeweiligen Situation und gestalten alles noch intensiver.

In gedeckten Brauntönen ist ein schlichtes, aber eindrucksvolles Cover entstanden, welches lediglich den Teil einer Roulettescheibe zeigt. Darüber ist sehr groß der Name des Autors vermerkt, wohingegen der Titel des Hörspiels in geschwungenen Lettern hübsch gestaltet ist. Das Booklet enthält zusätzliche Infos zu Dostojewski und zu den Sprechern.

Fazit: Ein interessanter Rückblick in die Geschichte des Hörspiels, zudem ein sehr nuancierter Einblick in die menschliche Psyche. Anspruchsvoll und bedeutsam.

VÖ: 14. Januar 2011
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-86717-726-9
 
Oben