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Themenstarter/in
Erzähler Ja oder Nein-
Wer führt wie durch die Story?
Bevor man mit dem Schreiben loslegt, sollte man sich Gedanken darüber machen, ob man einen Erzähler für seine Story haben möchte oder nicht. Bei langen, voluminösen Geschichten kann ein Erzähler sehr hilfreich sein, um den Hörern immer wieder gebündelte Infos zu geben, um auf das, was gewesen ist hin zu weisen und einen Tipp für Zukünftiges zu geben. Auch erleichtert ein Erzähler mit seinen Monolog-Parts dem Cutter die Arbeit.
Hier nun einige Beispiele welche Möglichkeiten es ohne Erzähler oder mit Erzähler gibt, anhand einer Kneipenschlägerei zwischen zwei Männern, eine Frau kommt später dazu, übernimmt den Dialog mit dem Hauptprotagonisten.
Beispiel 1 – ohne Erzähler (ohne überflüssige Erklärungen)
Sound: Kneipe, Gespräche im Hintergrund, ab und an klirren Gläser, leise Musik
Ben (drohend): Ich sage es dir zum letzten Mal, Jakob. Fang nicht wieder mit dem Thema an. Es reicht!
Jakob (süffisant, provozierend): Ich weiß, mein Lieber. Du hast nur leider nie verstanden, worum es wirklich geht. Habe ich recht? Ja, habe ich. Ich habe immer recht.
Sound: abruptes Stuhlrücken, Glas fällt um auf Tisch, zerschellt dann auf Boden
Ben (richtig sauer): Halt die Fresse, Mann! Sonst…sonst
Jakob (zu selbstsicher): Was sonst? Häh? Was sonst? Sonst holst du deine Mami, oder was? Häh? … Ah! (überraschtes Stöhnen bei Treffer ins Gesicht, stoßweises Atmen, schlucken, ausspucken weiter beibehalten, läuft als Hintergrund mit)
Sound: Schlag, Knacken von Knochen
Jakob (kann kaum sprechen mit gebrochener Nase): Sag mal, spinnst du?
Ben (zischend atmen, hat sich selbst die Hand gebrochen, redet stockend): Bist selber schuld, Mann. Scheiße. (gerne ein „Ahhh“ oder „Aua“ leise anhängen) Leck mich!
Sound: Schritte (Ben verlässt Kneipe), Tür auf – zu, Schritte stoppen abrupt.
Anna: Hi, Ben. Willst du schon gehen? Jetzt, wenn ich komme?
Ben (unterdrückt Schmerzen in der Hand, etwas gepresst sprechen): Oh, Hi Anna. Naja, der Abend ist gelaufen.
Anna (besorgt): Was ist das auf deiner Hand? Blut?
Ben (tut so als wäre nichts): Pff, nee. Ja, kann sein. Nicht meins.
Anna (seufzend): Ich kann mir denken, was passiert ist. Na, komm. Ich bringe dich ins Krankenhaus. Deine Hand sieht nicht gut aus. Ich hoffe, dass in der Kneipe keiner ist, dem es schlechter geht als dir.
Ben (erleichtert, dass Anna nicht nachfragt): Nö, glaube ich nicht. Da hat nur jemand Nasenbluten.
Beispiel 2 – ohne Erzähler mit Erklärungen durch Sprecher
(…)
Jakob (zu selbstsicher): Was sonst? Häh? Was sonst? Sonst holst du deine Mami, oder was? Häh? … Ah! (überraschtes Stöhnen bei Treffer ins Gesicht.)
Sound: Schlag, Knacken von Knochen
Jakob (kann kaum sprechen mit gebrochener Nase): Sag mal, spinnst du? Ey, du hast mir die Nase gebrochen.
Ben (zischendes Einatmen, hat Schmerzen): Hör auf zu jammern. Ich habe mir die Hand gebrochen. Ach, leck mich.
Sound: Schritte, Ben verlässt die Kneipe
(…)
Beispiel 3 – mit Erzähler
Erzähler-Variante 1 –allwissender Erzähler, reine Infoweitergabe
(…)
Jakob (zu selbstsicher): Was sonst? Häh? Was sonst? Sonst holst du deine Mami, oder was? Häh? … Ah! (überraschtes Stöhnen bei Treffer ins Gesicht)
Erzähler: Mit voller Wucht schlug Ben zu. Ein Knacken war zu hören, als Jakobs Nase brach, aber auch Bens Finger. Während Jakob blutüberströmt auf dem Boden zusammensackte, hielt Ben seine verletzte Hand fest und verließ wortlos die Kneipe. Gerade als sich die Tür hinter ihm schloss, stand Anna vor ihm. Die kam wie gerufen und fuhr ihn umgehend ins Krankenhaus. Was mit Jakob war, interessierte ihn nicht.
Diese Infoweitergabe ist sehr langweilig und enthält keinerlei Emotionen. Besonders wenn ein Erzähler einen Spannungsbogen unterbricht, sollte der die emotionale Spannung mit aufnehmen und weitergeben.
Erzähler-Variante 2 – allwissender Erzähler, der sowohl Annas als auch Bens Emotionen mit einbezieht
Bens aufgestaute Wut entlud sich in einem einzigen Schlag, der Jakobs Gesicht traf. Ein stechender Schmerz durchfuhr seine Faust im selben Moment, als Jakobs Nase brach. Blutüberströmt sackte der auf dem Boden zusammen. Erschüttert über die eigene Tat, verließ Ben die Kneipe. Vor der Tür stolperte er jemandem in die Arme: Anna, die ihn aus großen, fragenden Augen ansah und beim Betrachten seiner Hand instinktiv ahnte, dass er Mist gebaut hatte. Mal wieder. Ohne viele Worte, weil sie wusste, dass es keinen Zweck hatte mit ihm zu reden, fuhr sie ihn in die nächste Klinik.
Erzähler-Variante 3 – Ich-Erzähler
Wie in einem Film sah ich meiner Faust zu, die voller Wucht Jakobs Gesicht traf. Das Knacken, das ich hörte, spürte ich auch in meinen Fingern. Der stechende Schmerz, der in meine Hand fuhr, durchbrach meine Wut. Sofort wusste ich, dass ich Mist gebaut hatte. Ich musste von hier weg. Um Jakob, der blutüberströmt zusammengesunken auf dem Boden kauerte, würden sich genügend Leute kümmern. Ich sah zu, dass ich rauskam. Die kalte Luft vor der Kneipe traf mich genauso wie der Anblick von Anna, die plötzlich vor mir auftauchte und mich mit ihren wunderschönen, großen Augen fragend ansah. Sie wusste, was passiert war. Ein Blick von ihr auf meine Hand, in mein Gesicht genügte, und ohne viele Worte fuhr sie mich in die Klinik.
Der Ich-Erzähler ist eine Art ultimativer Joker, der es den Hörern ermöglicht eine tiefe Verbindung zum Hauptprotagonisten aufzubauen. Hier können gerne Emotionen und kleine Erklärungen, die die Verbindung zu anderen Protagonisten beleuchten, eingebracht werden.
Es gibt also einige Möglichkeiten eine Geschichte zu erzählen. Wichtig ist nur, dass man sich gut überlegt, wem man in welcher Weise diese wichtige Aufgabe übergibt.
Viel Spaß beim Schreiben
Euer Tinchen