AW: Vorgehensweise beim Einsprechen
Hallo liebe Gemeinschaft,
vielen Dank für all diese vielfältigen Infos. Ich habe mal die Tips und Hinweise, die ich für nützlich hielt hier zusammengetragen. Ich denke es könnte auch dem ein oder anderen Anfänger helfen, das geballte Community-Wissen konzentriert an einem Ort versammelt zu haben. Weiterhin ist diese Zusammenfassung sicher eine gute Basis, um daraus eine FAQ (häufig gestellte Fragen) zusammen zu bauen.
Prozedere für das Einsprechen einer Rolle [
Detlef Tams]
- Kompletten Text lesen und die Story verstehen.
- Text der eigenen Rolle möglichst auswendig lernen. (Geht nicht immer, ist klar!)
- Text der eigenen Rolle mindestens 2 mal laut lesen, ohne Aufzunehmen.
- Text aufnehmen, anhören und prüfen ob der Text natürlich klingt oder vorgelesen.
- Text der einem selber nicht gefällt neu Aufnehmen.
- Eine Nacht drüber schlafen, dann noch mal alles anhören und prüfen ob der Text immer noch natürlich klingt oder vorgelesen. (Wenn möglich noch eine Vertrauensperson mithören lassen)
- Text der einem selber nicht gefällt neu Aufnehmen.
Bitte glaubt nicht, dass jede Aufnahme beim ersten Mal sitzen muss.
Ablauf des Einsprechens an sich [
Searge]
Ich mache es so, das ich die Aufnahme starte, dann fange ich an das Drehbuch zu lesen, damit ich weis was in der Situation gerade los ist. Wenn dann meine Takes dran sind spreche ich die auf. Manchmal merke ich sofort das sie nicht gut zur Stimmung passen und spreche sie leicht verändert zusätzlich auf. Am Schluß stoppe ich die Aufnahme und höre mir die einzelnen Aufnahmen erneut an. Die Pause dazwischen lösche ich natürlich. Erst dann exportiere ich sie in Einzelfiles. Je nach Länge des Drehbuches mache ich zwischendrin auch schon mal ne Pause und höre mir die Aufnahmen an. Da fallen mir dann auch schon mal unpassende Passagen auf.
Technik vorher fertig machen [
Detlef Tams]
Versucht, Euch beim Aufnehmen nicht gleichzeitig mit der Aufnahmetechnik rumzuplagen. Das raubt Zeit, Konzentration und Energie. Versucht den ganzen technischen Aspekt vorher in Ruhe so hinzukriegen, dass ihr am Tag der Aufnahme nur noch "aufs Knöpfchen" drücken müsst.
Übertreiben [
Detlef Tams]
Nehmt Euch beim Einsprechen bloß nicht zurück. Wenn Ihr glaubt, dass Ihr maßlos übertreibt in der Rolle, ist es meistens gerade richtig für den Hörer. Vergesst nicht, das ihr nur den "Audiokanal" zur Verfügung habt um das Publikum zu erreichen. Der "Videokanal" (Mimik, Bewegung, Aussehen) fällt weg. Also gebt ordentlich Gas und übertreibt lieber als dass Ihr untertreibt.
Betonung [
Detlef Tams]
In der Regel gibt es pro Satz immer nur ein Wort auf dem die Hauptbetonung liegt. Zwei Worte die gleich stark betont sind klingen unnatürlich.
- Eine Hauptbetonung pro Sinnschritt.
- Die Hauptbetonung ist immer das Neue im Satz (Rhema).
- Aus Zweitwichtigem (Thema) werden Nebenbetonungen, die Anzahl hängt von der Dichte des Satzes ab.
- Die Hauptbetonung ist meist im hinteren Satzteil.
Sich identifizieren [
T.Hammer]
erst mal 15 min oder länger hinsitzen und sich darüber klar werden, was dieser charakter eigentlich ist, was macht ihn aus. sich da hineinversetzten, während dem sprechen nicht aus der rolle fallen, sondern alles so machen, als wäre man selbst derjenige/diejenige.
Kurze Takes [
Schneeschaufel]
Beispiel: Folgende Anweisung liegt vor
Text: "wirklich sicher?" (leicht verunsichert, fragend)
Draus gebaut der Satz der dann eingesprochen wird:
"Ich war eben oben, bist du wirklich sicher?"
Dann wenn der ganze Satz fertig gesprochen ist den Teil vor "wirklich" schneiden und passt.
Im Grunde sollte ein Satz gebildet werden, der den eigentlichen Take genau so beinhaltet wie er später auch sein sollte. Beispiel:
wieder der Text : "wirklich sicher?"
Soll Fragend ausfallen: "Ich war eben nach sehen, bist du wirklich sicher?"
Eher überzeugt: "Ich hab nachgesehen, das kann nicht sein, bist du wirklich sicher?"
Ins lächerliche: "Das kann nicht sein, niemals, bist du wirklich sicher?"
Hecheln [
Schneeschaufel]
Wenn ihr mal was sprechen müsst das hechelt (klar, weil gerade um sein leben gerannt ist, was denkt ihr denn) bringen ein paar Kniebeugen vorher gute Hilfe.
Schreien [
Chia]
- An den Deich gehen und gegen den Wind brüllen
- Beim Autofahren üben - da hört einen wirklich keiner (vor allem auf der Autobahn)
- Im Stimmsitz schreien damit es nicht so auf die Stimmbänder geht (siehe Details zur Stimme)
- Erst ein wenig in die Situation reindenken
Gestik und Mimik einbeziehen
Wer ne webcam zu Hause hat, einfach beim Aufnehmen der Sprache Mitlaufen lassen und nachher mal ansehen. So sieht man die Emotionen von einem selber.[
Hartmut]
Sich einsprechen/-singen
- Auf jeden Fall! Erstmal 2 Mal laut vorlesen, ggf. übertrieben deutlich, dann sind zumindest die Artikulations-Werkzeuge schon mal geschmeidig. Das ist aber natürlich quick'n'dirty. Hauptsache man spricht erstmal irgendwas laut, singen geht auch. Das entfernt Flecken und Beläge ;D [Detlef Tams]
- Wirklich gute Lektüre dazu ist aus meiner Sicht: "Sprechtraining" von Barbara Maria Bernhard. [Detlef Tams]
- Einsingübungen auf verschiedene Konsonanten (f, s, sch) [Chia]
- Bleistift zwischen die Zähne klemmen und dann Texte sprechen und zwar so deutlich wie irgendmöglich. Das vermindert nuscheln und bringt eine erheblich deutlichere Sprech - und Singstimme. Wenn deine Wangen dabei richtig schön weh tun machst du es richtig. Dabei auf Bauchatmung achten. Bauchatmung mag erstmal für Sprecher nicht soooo wichtig zu sein aber wenn du Emotionen darstellen willst bleiben dieser bei Bauchatmung deutlicher (so zumindest meine Erfahrungen). [Chia]
Dont's
Aber egal ob singen oder sprechen. Kein Kaffee und keine Schokolade!!!! Kaffee reizt die Stimmbänder und Schokolade ist sehr oft mit Nüssen gemacht und die heften sich an die Stimmbänder und führen schnell zu Heiserkeit. [
Chia]
Details zur Stimme [
Detlef Tams]
- Stimmsitz heißt, Schreie in der Indifferenzlage Deiner Stimme. Also nicht zu hoch gehen mit der Stimme.
- Die Indifferenzlage ist die Tonhöhe Deiner Stimme, die Du hörst wenn Du laut seufzt: Am Ende des Seufzers bist Du in etwa in der Indifferenzlage.
- Weiterhin wichtig beim Schreien ist die Rachenweite (an Gähnen denken oder bitte einfach mal Gähnen, jetzt: Das Gefühl was Du jetzt hast, nennt man Rachenweite). Also nicht den Hals "eng" machen beim Schreien. Dazu kommt noch die "Minimalluft" und der "Druck von Unten".
- Minimalluft = Wenig Luft im oberen Brustbereich. (Erreichbar z.B. durch lautes Seufzen)
- Druck von Unten = Der Muskelapparat im Unterbauch/Po/Lendenbereich schleudert die Luft beim Schreien (oder Sprechen) hinaus. Der Druck kommt also nicht aus der Brust oder gar dem Hals, sonst droht miese Stimmung und Heiserkeit!
Details zur Atmung [
Thiudareik]
- Bauchatmung (costo-abdominale Atmung) ist IMMER wichtig, weil nur die costo-abdominale A. die einzige physiologische ist - weswegen wir ja auch das Zwerchfell als Hauptatemmuskel haben... Wer eine Hochatmung hat (claviculare Atmung) sollte sich schnellstmöglich wieder die Bauchatmung angewöhnen.
- Um seine Bauchatmung (richtig eigentlich Zwerchfell-Flanken-Atmung) zu trainieren, kann man sich entspannt hinlegen und einen schweren Gegenstand auf den Zwerchfellbereich legen (das Zwerchfell befindet sich ca. 2 fingerbreit um den Bauchnabel) z.B. ein schweres Buch oder man lässt seinen Liebsten/Liebste die Hand mit leichtem Druck dort auflegen und dann versucht man den Atem bewusst dort hinzulegen, wo der Druck ist...