Dies ist natürlich ein absolut zutreffender Aspekt. Bei allem, was wir Menschen heute erfinden und kreieren, stehen wir stets „auf den Schultern von Riesen“, nämlich auf dem ungeheureren kollektiven Gut und Wissen, das andere zuvor im Laufe unserer jahrhundertelangen kulturellen Evolution bereits gesammelt und geschaffen haben. Keiner von uns muss heute erst einmal vom Baum klettern und grübeln, wie man einen Faustkeil macht, bevor er ein neues Skript oder ein neues Musikstück schreibt.Glaubst du nicht, dass die Autarkie, zu glauben völlig unabhängig von Einflüssen anderer seine Ideen zu entwickeln, eine Illusion ist ?
....
Ich denke, man sollte beim Thema KI, auch zwischen "ersetzend" und "unterstützend" differenzieren, meine ich.
Dass es aber in der Menschheitsgeschichte nicht beim Faustkeil geblieben ist, liegt daran, dass unsere Gehirne dafür gebaut sind, Ideen weiterzuentwickeln und die Dinge um uns herum zu optimieren. Auf dieser Basis entsteht immer wieder Neues. Deshalb gab sich Mozart nicht mit dem Instrumentarium und den Regeln zufrieden, mit denen Bach komponiert hatte, und Wagner nicht mit denen von Mozart. Natürlich sind wir alle von dem beeinflusst, was wir bereits erfahren und erlebt haben. Natürlich klingt meine Musik so wie sie klingt, weil ich mehr Klassik statt Pop gehört habe, und das was ich schreibe, fußt auf natürlich dem, was ich las uns lese. Manches beeindruckte mich mehr, manches weniger. Das Beeindruckende verankerte sich besser in meinem Bewusstsein. Das bildet die Grundlage, aus der ich jetzt schöpfe. Insofern kann man immer sagen, dass ich nur nachahme, was ich schon kenne. Es stimmt. Aber trotzdem kommen dabei immer wieder Werke heraus, die jedenfalls so noch nie geschrieben und nie gehört worden sind. Und das liegt daran, dass ich Vorhandenes nicht kopiere, sondern kombiniere.
Und hier liegt ein feiner Unterschied. Wieviel dieser Neukombination will ich mir von einer KI abnehmen lassen? Auch Chat-GPT tut nichts anderes als Elemente aus einem gigantischen Datensatz auf Anfrage möglichst sinnvoll zu kombinieren, und ist dabei - wenn etwas zuvor noch nicht so Kombiniertes herauskommt - durchaus selbstverständlich auch kreativ. Trotzdem finde ich es nicht dasselbe, ob jemand bei einem Schaffensprozess eine KI „befragt“, oder ob ein Schüler seinen Lehrer um Rat und Anregung bittet. Der Unterschied ist die Quantität. Ein (guter) Lehrer wird zwar Anregungen geben, aber stets vor allem zum Nachdenken animieren. Die KI kann auf Knopfdruck gleich einen kompletten Skript-Entwurf oder ein komplettes Gemälde auf den Bildschirm bringen. Je mehr Bausteine ich jedoch bereits fertig vorgemischt und ausgearbeitet bekomme, desto weniger bleibt mir für meine eigene Phantasie.
Und das ist der andere Punkt: Wieviel Neukombination möchte (oder muss) ich mir von einer KI abnehmen lassen, weil meine eigene Phantasie und Begabung nicht weit genug reicht? Nur weil sich heute jeder mit Computer und Internet plötzlich digital Skripte und Bilder machen lassen kann, ist dennoch noch lange nicht jeder deshalb ein Künstler. Und hier muss wirklich jeder selbst entscheiden: Nutze ich KI aus Neugierde, Notwendigkeit, oder Bequemlichkeit? Wie weit gehe ich dabei? Und was mache ich dann mit dem Ergebnis?
Für mich ist freilich klar: In meinem Kopf befindet sich offenbar ausreichend Vorwissen und Kombinationsgabe, um mit relativ wenigen Anregungen arbeiten zu können. Diese Anregungen hat mir mein analoges Umfeld schon immer geboten, und bietet sie auch heute noch. Daher habe ich oben schreiben können, dass ich mir etwas wegnehmen würde, wenn ich nun eine digitale KI für meine kreativen Werke einsetzte: Nämlich die unbezahlbare Freude und Befriedigung (und meinetwegen gerne auch Illusion), etwas aus mir heraus geschaffen zu haben .
Zuletzt bearbeitet: