Hallo Eike!
Nun, eine Art Kompendium mag es irgendwo sicherlich geben, aber für mich ist Deine Frage doch recht universell bzw. sehr allgemein.
Wenn sich Deine Frage auf die Tontechnik bezieht, so möchte ich Dir einen ziemlich guten Begriff mitgeben: Eine akustische Szene muss nicht realistisch sein, es reicht, wenn sie plausibel ist. Das Gehirn der Hörenden ergänzt automatisch die Differenz zwischen plausibel und realistisch.
Der Aufwand etwas akustisch "plausibel" zu machen ist um einige Zehnerpotenzen kleiner, als der etwas realistisch zu machen.
Ein paar Stichworte gefällig?
Hall - Laufzeiten - Doppler-Effekt - "Herankommende Sprecher" - EQing ....
Wenn Du einen Hall realistisch machen möchtest, wünsche ich Dir viel Spaß beim Film
Folgende Szene:
Zwei Männer unterhalten sich über das letzte Baseballspiel, während sie durch eine nächtliche Straße gehen. Links und rechts sind höhere Häuser (sagen wir 6 Stockwerke im Durchschnitt!). Jetzt kommen die Männer, die immer noch sprechen an eine Straßenkreuzung.
Jetzt haben wir also nicht nur unten (Straße) und seitlich Reflektionsflächen, sondern auch hinter, vor und seitlich von uns und natürlich die Straße.
Die Laufzeiten sind jetzt massiv anders. Stärkere Verwürfelungen, ungleichmäßige Reflektionen und massivst unterschiedliche Laufzeiten.
Das in realistisch? - NIEMALS in diesem Leben. - Guuut man könnte eine IR an einer solchen Straßenkreuzung aufnehmen, dann ein paar Faltungen vornehmen lassen ... okay. Geht, aber nicht realistisch.
Mit der IR der Straßenkreuzung lässt es sich in plausibel machen. Und wenn die Männer denn wieder in eine Straßenschlucht weitergehen, überwiegt das Delay bzw. die Delays wieder. Mit einfachem Ghosting sollte das plausibel klingen. - Realistisch ... Herrje.
Meiner Meinung nach lernt man durch eigene Hörerfahrungen am meisten. Also raus an die frische Luft und den Field-Rekorder in selbige gehalten. Record drücken und ein paar Minuten aufnehmen.
Wenn Du schon mal da bist, kannst Du auch eine IR aufnehmen.
Wobei ich mit Schreckschusspistolen vorsichtig wäre
Ich denke, dass Du mit Deiner Vorbildung ziemlich schnell mitbekommst, wie der Hase hoppelt. Versuch Dich in die geforderte Situation "reinzuhören". Zapf Deine Erinnerungen an, wie hört sich das im real life an?
Wenn Du Dir nicht mehr sicher bist, geh an eine Stelle, die der im Skript zumindest sehr nahe kommt und dann die großen Elefanten-Kohlblatt-Ohren ausklappen und lauschen.
Ansonsten kann ich nur empfehlen: Probieren geht über Studieren.
Hörspiel-Sound-Desgin ist auch viel "Trial and Error". Mache ich auch so. Ich baue mir eine Szene zusammen, wie ich annehme, dass sie klingen sollte.
Dann, nach einer Pause, höre ich mir das noch mal mit geschlossenen Augen an und fühle in mich hinein, ob ich mir diese Szene selber glaube.
Nach ein paar Iterartionen wirst Du merken, was funktioniert und was nicht.
Seit ich mich näher mit Sound-Design befasse, habe ich mein NAS mit vielen Sounds geflutet. Nach gut einem Jahr habe ich rund 4 TB Sound-Libraries, von denen ich meistens nur einen Bruchteil nutze.
Ein gutes Sound-Verwaltungstool ist hier hilfreich und hilft Zeit zu sparen. Ich verwende Soundly, aber es gibt noch viele, viele, viele andere.
Und nach der Re-Org meiner Sound-Libraries werde ich mich auf die Pirsch begeben und all die Dinge aufnehmen, die mir noch fehlen. Nackte Füße schlurfen über einen Fliesenboden z.B.!
Oder wie man aus rosa Rauschen, einem Chorus, Flanger und einem Delay einen "Sci-Fi-Gun-Shot" macht ....
Was mir sehr hilft, wenn ich mich mit einem Skript auseinander setze: Ich schreibe viele (!) Kommentare! Schon beim ersten Durchlesen schreibe ich in Kommentaren rein, was mir spontan einfällt. Einiges verwerfe ich wieder, das Meiste jedoch wird die Basis für's Sound Design.
Da ich schon etwas länger auf dieser Welt weile, habe ich nicht mehr alles im Kopf, bzw. manches verschwindet schneller als mir lieb ist. Deswegen schreibe ich wirklich alles auf, auch was nicht auf den ersten Blick hilfreich ist. Hat mir schon oft sehr geholfen!
Selbst Kommentare wie "Keine Idee!" - "Wie ist das gemeint?" - "Wie kann sie diese Worte hören, wenn die Sprechenden doch um die Ecke stehen?" ...
Und dann baue ich mir daraus eine individuelle Taskliste. Ich verwende
WeKan, da ich eh OpenShift am Laufen habe ... (das hat mit meinem Job zu tun
) es geht aber auch mit Podman oder diesem ... Docker. Muss aber nicht sein.
Aber auch ein Spreadsheet hilft hier viel. Alles was erledigt ist, wird abgehakt und für die Runaways gibt es dann auch Links auf Sound-Dateien. Dann kann man Sachen schneller wiederfinden und noch einmal verwenden. Das (!) spart viel Zeit.
Was mir immer hilft ist die Frage: "Ist das plausibel genug?" Wenn ja, dann weiter, ansonsten noch mal den akustischen Hobel ansetzen.
So weit von mir ...
P.S.: Man hat immer zu wenig Freunde, Zeit, Geld, gute Einfälle und ... Sounds.
Egal wo ich Sounds finde, die ich speicher DARF, tue ich das. Die werden später sortiert und zum Teil aussortiert. So nehme ich MP3 Sounds nur dann, wenn es nichts Besseres gibt. MP3 ist datenreduziertes Material und das kann NIEMALS gut klingen. Punkt. Aber bevor ich nichts habe ...
P.P.S.: Häufig ist es so, dass ich für eine akustische Szene 10 oder auch bis zu 240 verschiedene Sounds einsetze. (Mehr hatte ich noch nicht!)
Nicht immer sind sie trennscharf als solche erkennbar, aber das ist eben Sound-Design, wie ich es verstehe.
Die Mischung macht's