S.o. Ich bin leider kein Fan von Erzählern in Hörspielen - weil ich denke: Erzähl es mir nicht - zeige es mir.
Das muss einen Sinn und Zweck haben.
Wenn dich das aber interessiert - dann lerne vom Meister und das ist Mann.
Es gibt keinen anderen Autor der es schafft Landschaften oder Settings oder Situationen so exakt zu transportieren, dass in der Beschreibung gleichzeitig auch eine Emotion enthalten ist, so dass im Texte eine fotorealistische Beschreibung vorliegt (also nicht nur von dem was du siehst, sondern wie "wirkt" es).
Und das auf den Punkt formuliert.
Also wenn ich das wollte, was du willst - würde ich den Mann lesen. Weil was nicht im Buch ist - passiert auch nicht auf der Bühne.
Habe endlich mal etwas Zeit gefunden und mich ein wenig mit Thomas Manns Beschreibungen von Natur und Physiognomie vertraut gemacht.
Und wenn du es mal vergleichst mit Karl May - der sehr wohl auch - sehr viele Beschreibungen hat - die sind neutral.
Der beschreibt dir: Da ist eine Wüste mit Dornenbüschen.
Bei Mann liest du die Hitze, die Einsamkeit und auch das Gefühl des Protagonisten in so einem Satz, so dass wenn du die Situation kennst, wirst du sofort denken: Hab ich schon mal live in ner Doku oder wat auch immer gesehen.
Das ist der Unterschied.
Dein Beispiel mit Karl May ist wirklich passend, ganz praktisch verfasst, als ob der Leser seine eigene Fantasie "ankurbeln" muss, auch wenn es keine Atmosphäre mit sich bringt.
Viel habe ich zu meiner Schande noch nicht entdeckt, aber hier und da einige wenige Eindrücke gewinnen können, auch wenn es wahrscheinlich weit aus tiefere und verdichtende Textstellen geben mag, auf die ich allerdings ob meiner leichten Unrast noch nicht gekommen bin. ;-)
Der Zauberberg – an diesem Beispiel eine leichte Mischung aus vorwiegend wetter-bezogenen Aspekten, ein wenig Natur und einer Prise Physiognomie:
„Hans Castorp hatte keinen Kalender auf seinen Ausflug mitgenommen und so fand er sich in Betreff seines Datums nicht immer ganz genau auf dem Laufenden.
So viel war gewiss, dass der September nachgerade ziemlich weit bis gegen seine Mitte hin vorgeschritten war.
Draußen im Tale war es, seitdem Hans Castorp Bettlager eingenommen, das trübe und kalte Wetter, das damals geherrscht hatte, herrlichen Hochsommertagen gewichen, ungezählten solcher Tage, einer ganzen Serie davon, so das Joachim allmorgendlich in weißen Hosen bei seinem Vetter eingetreten war und dieser ein redliches Bedauern, ein Bedauern der Seele unserer jungen Muskeln über den Verlust solcher Prachtzeit, nicht hatte unterdrücken können, aber gegen das Ende der ihm auferlegten Zurückgezogenheit schlug wieder das Wetter um, über Nacht war es neblig, kalt geworden, das Tal hüllte sich in nasses Schneegestöber, und der trockene Hauch der Dampfheizung erfüllte das Zimmer.“
Mario und der Zauberer – an diesem Beispiel eine Mischung aus genervt touristisch geprägter Reisebeschreibung mit zwischenmenschlich - gesellschaftsrelevantem Aspekt:
„Torre liegt etwa fünfzehn Kilometer von Portoclemente, einer der beliebtesten Sommerfrischen am Tyrrhenischen Meer, städtisch-elegant und monatelang überfüllt, mit bunter Hotel- und Basarstraße am Meere hin, breitem, von Capannen, bewimpelten Burgen und brauner Menschheit bedecktem Strande und einem geräuschvollen Unterhaltungsbetrieb.
Da der Strand, begleitet von Piniengehölz, auf das aus geringer Entfernung die Berge herniederblicken, diese ganze Küste entlang seine wohnlich-feinsandige Geräumigkeit behält, ist es kein Wunder, dass etwas weiterhin stillere Konkurrenz sich schon zeitig aufgetan hat: Torre di Venere, wo man sich übrigens nach dem Turm, dem es seinen Namen verdankt, längst vergebens umsieht, ist als Fremdenort ein Ableger des benachbarten Großbades und war während einiger Jahre ein Idyll für wenige, Zuflucht für Freunde des unverweltlichten Elementes.
Wie es aber mit solchen Plätzen zu gehen pflegt, so hat sich der Friede längst eine Strecke weiter begeben müssen, der Küste entlang, nach Marina Petriera und Gott weiß wohin; die Welt, man kennt das, sucht ihn und vertreibt ihn, indem sie sich in lächerlicher Sehnsucht auf ihn stürzt, wähnend, sie könne sich mit ihm vermählen, und wo sie ist, da könne er sein; ja, wenn sie an seiner Stelle schon ihren Jahrmarkt aufgeschlagen hat, ist sie imstande zu glauben, er sei noch da.
So ist Torre, wenn auch immer noch beschaulicher und bescheidener als Portoclemente, bei Italienern und Fremden stark in Aufnahme gekommen.
Man geht nicht mehr in das Weltbad, wenn auch nur in dem Maße nicht mehr, dass dieses trotzdem ein lärmend ausverkauftes Weltbad bleibt; man geht nebenan, nach Torre, es ist sogar feiner, es ist außerdem billiger, und die Anziehungskraft dieser Eigenschaften fährt fort, sich zu bewähren, während die Eigenschaften selbst schon nicht mehr bestehen.
Torre hat ein Grand Hôtel bekommen; zahlreiche Pensionen, anspruchsvolle und schlichtere, sind erstanden, die Besitzer und Mieter der Sommerhäuser und Pineta-Gärten oberhalb des Meeres sind am Strande keineswegs mehr ungestört; im Juli, August unterscheidet das Bild sich dort in nichts mehr von dem in Portoclemente: es wimmelt von zeterndem, zankendem, jauchzendem Badevolk, dem eine wie toll herabbrennende Sonne die Haut von den Nacken schält, flachbodige, grell bemalte Boote, von Kindern bemannt, deren tönende Vornamen, ausgestoßen von Ausschau haltenden Müttern, in heiserer Besorgnis die Lüfte erfüllen, schaukeln auf der blitzenden Bläue, und über die Gliedmaßen der Lagernden tretend bieten die Verkäufer von Austern, Getränken, Blumen, Korallenschmuck und Cornetti al burro, auch sie mit der belegten und offenen Stimme des Südens, ihre Ware an.“
(
Nebenbei ein Hörspiel in englischer Sprache gefunden - "Thomas Mann - The Magic Mountain" )
Der Tod in Venedig – ein Ineinander von vorherrschender Natur und Mensch mit psychedelischen Hauch einhergehender Surrealität/Entrücktheit (bedrohlich wirkende Flora & Fauna).
„Er sah nämlich, als Beispiel gleichsam für alle Wunder und Schrecken der mannigfaltigen Erde, die seine Begierde sich auf einmal vorzustellen trachtete, - sah wie mit leiblichem Auge eine ungeheuere Landschaft, ein tropisches Sumpfgebiet unter dickdunstigem Himmel, feucht, üppig und ungesund, eine von Menschen gemiedene Urweltwildnis aus Inseln, Morästen und Schlamm führenden Wasserarmen.
Die flachen Eilande, deren Boden mit Blättern, so dick wie Hände, mit riesigen Farnen, mit fettem, gequollenem und abenteuerlich blühendem Pflanzenwerk überwuchert war, sandten haarige Palmenschäfte empor, und wunderlich ungestalte Bäume, deren Wurzeln dem Stamm entwuchsen und sich durch die Luft in den Boden, ins Wasser senkten, bildeten verworrene Waldungen.
Auf der stockenden, grünschattig spiegelnden Flut schwammen, wie Schüsseln groß, milchweiße Blumen; Vögel von fremder Art, hochschultrig, mit unförmigen Schnäbeln, standen auf hohen Beinen im Seichten und blickten unbeweglich zur Seite, während durch ausgedehnte Schilffelder ein klapperndes Wetzen und Rauschen ging, wie durch Heere von Geharnischten; dem Schauenden war es, als hauchte der laue, mephitische Odem dieser geilen und untauglichen Öde ihn an, die in einem ungeheuerlichen Zustande von Werden oder Vergehen zu schweben schien, zwischen den knotigen Rohrstämmen eines Bambusdickichts glaubte er einen Augenblick die phosphoreszierenden Lichter des Tigers funkeln zu sehen - und fühlte sein Herz pochen vor Entsetzen und rätselhaftem Verlangen.
Dann wich das Gesicht; und mit einem Kopfschütteln nahm Aschenbach seine Promenade an den Zäunen der Grabsteinmetzereien wieder auf.“
Gerächt - Hörspiel (beinahe eine Art Monolog eines Mannes, welcher innerliche und äußere Beschreibungen einer Frau tätigt, sich geistig von dieser angezogen fühlt, dann aber doch, im Widerspruch zu seiner anfänglichen Äußerung dieser gegenüber, auch körperlich zu interessieren beginnt, und schlussendlich die daraus folgende Reaktion der Frau)
Anbei:
Wie ich erfahren durfte, mochte Thomas Mann den Autor Adalbert Stifter. Man mag eine gewisse Wesensverwandtschaft bemerken:
Der Waldgänger
Adalbert Stifter: Der Waldgänger
Das wars erstmal von meiner Seite.