Poldi

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Unterm Birnbaum

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Erster Eindruck: Klassische Literatur in klassischer Umsetzung

Das Ehepaar Abel und Ursel Hradschek besitzt einen Kramladen mit angeschlossenem Gasthaus, ist aber hochverschuldet. Als eines ungemütlichen Herbsttages ein Mitarbeiter ihres Gläubigers bei ihnen übernachtet, bringen sie ihn kurzerhand um und lassen seine Leiche verschwinden. Doch ihre Nachbarin, die neugierige Witwe Jeschke, hegt bald Verdacht…

Theodor Fontane gilt auch heute noch als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller, auch über einhundert Jahre nach seinem Tod werden seine Werke gelesen – und auch wiederveröffentlicht. Zu seiner Novelle „Unterm Birnbaum“ wurde in Kooperation des BR und des NDR im Jahr 1961 ein Hörspiel produziert, das der Hörverlag nun auf CD veröffentlicht hat. Vordergründig ist die Geschichte ein Kriminalroman, der Plan vom Ehepaar Hradschek steht hier im Mittelpunkt und ist der Ausgangspunkt der Handlung. Zwar wird nicht gleich alles offenbart, die wirklichen Geschehnisse in der verregneten Novembernacht bleiben zu großen Teilen im Dunkeln. Doch der Hörer kann sich vieles zusammenreimen, sodass der Verlauf nicht wirklich überraschend ist. Die Geschichte zieht ihren Reiz aber auch eher aus der psychologischen Betrachtung der Protagonisten und trägt an einigen Stellen schon die Züge eines Milieustudiums. Genau werden die beiden Charaktere von Abel und Ursel beschrieben, bis in die hintersten Winkel vorgedrungen, die Skrupellosigkeit Abels ebenso gezeigt wie die Gier Ursels. Besonders interessant ist auch die Rolle der Witwe Jeschke, neugierig und aufdringlich, die sich immer weiter in die Geschichte hineinsteigert. Doch auch die anderen Nebenrollen sind beachtenswert und gut ausgeführt. Durch die lebendige Erzählweise wird das Geschehen sehr nah an den Hörer herangetragen, der sich völlig in die Handlung hineinversetzen kann. Natürlich klingt „Unterm Birnbaum“ für heutige Ohren recht ungewohnt, die nüchterne Umsetzung und die getragene Sprache sorgen nicht gerade für lockere Unterhaltung, dafür wird aber ein hochinteressantes Hörstück mit Anspruch geboten, das mich mit seinen starken Charakteren überzeugen konnte.

Sehr treffend ist die Wahl der Sprecher gelungen, sie sorgen für den richtigen Ausdruck ihrer Charaktere. Abel Hradschek wird von Heinz Klevenow gesprochen, dessen volltönende und ausdrucksstarke Stimme die skrupellose und standfeste Rolle sehr glaubhaft vertonen kann. Seine Frau Ursel wird von Ages Fink gesprochen, die immer einen recht undurchsichtigen Zug in ihre Stimme legen kann und Klevenow bestens zu ergänzen versteht. Die wunderbare Tilla Durieux spricht Witwe Jenschke mit viel Leidenschaft und Energie, ihre Passagen kommen sehr einprägsam beim Hörer an. Weitere Sprecher sind unter anderem Wolfgang Büttner, Bruni Löbel und Siegfried Lowitz.

Musik wird hier während der Handlung nicht eingesetzt, wie viele Hörspiele aus dieser Zeit stehen die Dialoge fast für sich allein. Das unterstreicht den ernsthaften Charakter der Erzählung, wirkt aber manchmal steif und trocken. An einigen dramatischeren Stellen hätte ruhig etwas Musik spielen können. Einige Geräusche unterstützen die Sprecher bei den Gesprächen und sind insgesamt gut eungefügt.

Ein junger, bärtiger Mann blickt dem Betrachter ernst und eindringlich vom Cover entgegen, eine Gesichtshälfte ist im Schatten verborgen. Im dunklen Hintergrund sind die knorrigen, blattlosen Äste eines Baumes zu sehen – ein schlichtes, gelungenes Titelbild. Fest in das hübsche Digipack eingefasst ist ein vielseitiges Booklet, das einen ausführlichen Einführungstext sowie Auszüge aus dem Dialogbuch enthält. Auch Informationen zu einigen Mitwirkenden sind hier zu finden.

Fazit: Die Ereignisse aus der Mordnacht sind zwar schnell durchsichtig, viel interessanter sind jedoch die starken Charaktere, die durch hervorragende Sprecher ins rechte Licht gerückt werden.

VÖ: 13.Mai 2013
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-86717-806-8
 
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