Poldi
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Themenstarter/in
Terror
Erster Eindruck: Der Zuhörer entscheidet
Ein Terrorist hat eine Passagiermaschiene gekapert und lenkt diese auf ein voll besetztes Fußballstadion zu. Ein Kampfpilot der Luftwaffe hat sich über den Befehl seiner Vorgesetzten hinweg gesetzt und die Maschine im letzten Moment abgeschossen, alle Insassen sind ums Leben gekommen. Nun muss sich der Soldat vor Gericht verantworten, es wird über schuldig oder nicht schuldig entschieden...
Mit „Terror“ hat Ferdinand von Schirach ein ungewöhnliches Theaterstück geschaffen, in dem die Zuschauer selbst Schöffen des Gerichs sind und über den Ausgang des Prozesses entscheiden. Von der ARD verfilmt gibt es das Stück nun auch als Filmhörspiel mit der Originaltonspur beim Hörverlag, welches sogar kurz vor der TV-Ausstrahlung im Handel erhältlich ist. Normalerweise bin ich kein großer Fan von Filmhörspielen, doch hier ist dies anders: Es kommt bei der Verfilmung nicht auf eine bildgewaltige Umsetzung an, im Gegenteil: Diese ist sehr reduziert gehalten und spielt lediglich im Gerichtssaal, alles Wesentliche wird über die Stimmen der Schauspieler transportiert. Dennoch wurde ein Erzähler eingefügt, der einige Dinge kommentiert – für meinen Geschmack schon etwas zu viel, denn die Sprecher leisten hervorragendes und lassen jede noch so kleine Gefühlsregung in ihrer Stimme erklingen. Und auch der Prozess ist äußerst interessant und stützt sich im Wesentlichen auf drei Aussagen: Dem Vorgesetzten des Kampfpiloten, seine eigene Aussage sowie die einer Nebenklägerin, die ihren Mann bei dem Absturz verloren hat. Die Vorgänge am betreffenden Tag werden dabei sehr ausführlich beschrieben, viele Details hinzugefügt, Argumente ausgetauscht, der Hintergrund des Piloten und seine Gedankenwelt dargestellt. Und auch, wer eine vorgefertigte Meinung hat, kommt sicherlich einige Male ins Wanken, spätestens bei den Schlussplädoyers von Staatsanwältin und Verteidiger. Beide tragen stichhaltige Argumente vor, begründen mit Beispielen aus der Rechtswissenschaft, nehmen eine moralische Beurteilung der Handlungsweise vor. Und danach wird auch hier der Zuhörer selbst aufgefordert, sein Urteil zu fällen, zu entscheiden, ob er dem Piloten für schuldig oder unschuldig hält. Für beide Versionen findet sich im Nachgang ein Urteil mit einer entsprechenden Begründung wieder, die beide ebenfalls sehr hörenswert sind.
Es sind gerade einmal sechs Schauspieler am Werk, ergänzt durch die Erzählerstimme von Micheal Bideller, der sich sehr zurückhält und wertneutral die Informationen zu Handlungen im Gerichtssaal darbeitet. Burghart Klaußner ist als Richter zu hören, der ebenso neutral an den Fall herangeht, ale Zeugen in viele Richtungen befragt und dabei gerade bei der Aussage der Nebenklägerin ein wenig Emotion einfließen lässt. Martina Gedeck ist als streitbare Staatsanwältin zu hören, die mit harten Nachfragen den Vorgängen auf den Grund geht und dabei auch überraschend Pfeile in andere Richtungen verschießt – eine sehr gute und packende Leistung. Florian David Fitz ist als Angeklagter zu hören und bringt die Emotionen des jungen Mannes sehr gekonnt auf den Punkt, setzt mal mit Abgeklärtheit, mal mit Wut und Engagement seine Rolle um. Auch Lars Eidinger als Verteidiger, Rainer Bock als Zeuge und Jördis Triebel als Nebenklägerin machen ihre Sache ausgezeichnet.
Die Geräuschkulisse ist sehr reduziert gehalten, man hört mal ein aufgeregtes Murmeln aus dem Zuschauerraum, Schritte beim Eintreten der Zeugen, ein leises Husten – doch genau das braucht das Stück auch, um zur Wirkung zu kommen. Die volle Konzentration auf die Dialoge sorgt für die Konzentration auf das Wesentliche und destilliert den Kern der Aussagen heraus.
Das Cover ist in reinem Weiß zu halten, unterbrochen von einer geschwungenen roten Linie und der stilisierten Silhouette eines Mannes, der zu Boden zu fallen scheint. In schlichten Lettern steht aber der Titel des Stücks im Mittelpunkt. Das stabile Digipack enthält einige Szenenfotos und Aufnahmen von der Produktion, zudem auch einige Informationen zum Autor – eine stimmige Umsetzung!
Fazit: „Terror“ ist ein fesselndes und packendes Experiment, denn die eigenen Moralvorstellungen werden hinterfragt und auf die Probe gestellt. Dadurch dass der Zuschauer gezwungen wird, selbst ein Urteil zu fällen, ist er selbst Teil der Erzählung, die durch diese reduzierte und prägnante Umsetzung bestens zur Geltung kommt.
VÖ: 10.Oktober 2016
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-2447-5
Erster Eindruck: Der Zuhörer entscheidet
Ein Terrorist hat eine Passagiermaschiene gekapert und lenkt diese auf ein voll besetztes Fußballstadion zu. Ein Kampfpilot der Luftwaffe hat sich über den Befehl seiner Vorgesetzten hinweg gesetzt und die Maschine im letzten Moment abgeschossen, alle Insassen sind ums Leben gekommen. Nun muss sich der Soldat vor Gericht verantworten, es wird über schuldig oder nicht schuldig entschieden...
Mit „Terror“ hat Ferdinand von Schirach ein ungewöhnliches Theaterstück geschaffen, in dem die Zuschauer selbst Schöffen des Gerichs sind und über den Ausgang des Prozesses entscheiden. Von der ARD verfilmt gibt es das Stück nun auch als Filmhörspiel mit der Originaltonspur beim Hörverlag, welches sogar kurz vor der TV-Ausstrahlung im Handel erhältlich ist. Normalerweise bin ich kein großer Fan von Filmhörspielen, doch hier ist dies anders: Es kommt bei der Verfilmung nicht auf eine bildgewaltige Umsetzung an, im Gegenteil: Diese ist sehr reduziert gehalten und spielt lediglich im Gerichtssaal, alles Wesentliche wird über die Stimmen der Schauspieler transportiert. Dennoch wurde ein Erzähler eingefügt, der einige Dinge kommentiert – für meinen Geschmack schon etwas zu viel, denn die Sprecher leisten hervorragendes und lassen jede noch so kleine Gefühlsregung in ihrer Stimme erklingen. Und auch der Prozess ist äußerst interessant und stützt sich im Wesentlichen auf drei Aussagen: Dem Vorgesetzten des Kampfpiloten, seine eigene Aussage sowie die einer Nebenklägerin, die ihren Mann bei dem Absturz verloren hat. Die Vorgänge am betreffenden Tag werden dabei sehr ausführlich beschrieben, viele Details hinzugefügt, Argumente ausgetauscht, der Hintergrund des Piloten und seine Gedankenwelt dargestellt. Und auch, wer eine vorgefertigte Meinung hat, kommt sicherlich einige Male ins Wanken, spätestens bei den Schlussplädoyers von Staatsanwältin und Verteidiger. Beide tragen stichhaltige Argumente vor, begründen mit Beispielen aus der Rechtswissenschaft, nehmen eine moralische Beurteilung der Handlungsweise vor. Und danach wird auch hier der Zuhörer selbst aufgefordert, sein Urteil zu fällen, zu entscheiden, ob er dem Piloten für schuldig oder unschuldig hält. Für beide Versionen findet sich im Nachgang ein Urteil mit einer entsprechenden Begründung wieder, die beide ebenfalls sehr hörenswert sind.
Es sind gerade einmal sechs Schauspieler am Werk, ergänzt durch die Erzählerstimme von Micheal Bideller, der sich sehr zurückhält und wertneutral die Informationen zu Handlungen im Gerichtssaal darbeitet. Burghart Klaußner ist als Richter zu hören, der ebenso neutral an den Fall herangeht, ale Zeugen in viele Richtungen befragt und dabei gerade bei der Aussage der Nebenklägerin ein wenig Emotion einfließen lässt. Martina Gedeck ist als streitbare Staatsanwältin zu hören, die mit harten Nachfragen den Vorgängen auf den Grund geht und dabei auch überraschend Pfeile in andere Richtungen verschießt – eine sehr gute und packende Leistung. Florian David Fitz ist als Angeklagter zu hören und bringt die Emotionen des jungen Mannes sehr gekonnt auf den Punkt, setzt mal mit Abgeklärtheit, mal mit Wut und Engagement seine Rolle um. Auch Lars Eidinger als Verteidiger, Rainer Bock als Zeuge und Jördis Triebel als Nebenklägerin machen ihre Sache ausgezeichnet.
Die Geräuschkulisse ist sehr reduziert gehalten, man hört mal ein aufgeregtes Murmeln aus dem Zuschauerraum, Schritte beim Eintreten der Zeugen, ein leises Husten – doch genau das braucht das Stück auch, um zur Wirkung zu kommen. Die volle Konzentration auf die Dialoge sorgt für die Konzentration auf das Wesentliche und destilliert den Kern der Aussagen heraus.
Das Cover ist in reinem Weiß zu halten, unterbrochen von einer geschwungenen roten Linie und der stilisierten Silhouette eines Mannes, der zu Boden zu fallen scheint. In schlichten Lettern steht aber der Titel des Stücks im Mittelpunkt. Das stabile Digipack enthält einige Szenenfotos und Aufnahmen von der Produktion, zudem auch einige Informationen zum Autor – eine stimmige Umsetzung!
Fazit: „Terror“ ist ein fesselndes und packendes Experiment, denn die eigenen Moralvorstellungen werden hinterfragt und auf die Probe gestellt. Dadurch dass der Zuschauer gezwungen wird, selbst ein Urteil zu fällen, ist er selbst Teil der Erzählung, die durch diese reduzierte und prägnante Umsetzung bestens zur Geltung kommt.
VÖ: 10.Oktober 2016
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-2447-5