Poldi

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Sherlock Holmes – 26. Die Gloria Scott

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Erster Eindruck: Ein Blick zurück

Obwohl Sherlock Holmes und Dr. Watson bereits seit langer Zeit befreundet sind, hat der Mediziner und Chronist noch nicht vom ersten Fall des noch jungen Detektivs erfahren, was nun bei einer Kanne Tee von Mrs. Hudson nachgeholt werden soll. Und so berichtet Holmes von seinem Studienfreund Victor Trevor, dessen Vater und einem unwillkommenem Gast, der sich bei den Trevors im Haus einnistet...

Sherlock Holmes kennt man als abgeklärten Detektiv, den so leicht nichts mehr erschüttern kann, der sich in unzähligen Fällen bewähren konnte. Doch selbst Arthur Conan Doyle hat es gereizt, auch seine Jugend zu erkunden, sodass er mit „Die Gloria Scott“ eine Episode aus seinem Leben erzählt, in der er zum ersten mal seine Deduktionskünste nutzt. Titania Medien hat diese Geschichte nun als 26. Folge seiner erfolgreichen Serie um den Meisterdetektiv als Hörspiel umgesetzt. Der Einstieg ist etwas lang geraten – schließlich gilt es, neben der einleitenden Szene mit Watson und Mrs. Hudson auch noch die damaligen Lebensumstände von Holmes aufzudecken. Trotz dieser Länge sind die ersten Szenen sehr unterhaltsam gelungen, da man in der Tat einige gelungene Details entdeckt und eine angenehme Grundstimmung vorherrscht. Auch das Kennenlernen von Victor und den anderen Nebencharakteren der Folge geht recht gediegen von statten, Marc Gruppe und Stephan Bosenius lassen sich viel Zeit, um alles gründlich vorzustellen und legen auf eine umfangreiche Darstellungsweise wert. Für den Hörer gibt es derweil einiges zu errätseln, denn vieles liegt im Dunkeln und ist gar nicht so einfach in Zusammenhang zu setzen. Nur langsam lichtet sich das große Geheimnis und wird – ganz untypisch für die Erzählungen von Doyle – erst aufgeklärt, als es eigentlich schon zu spät ist. Keine spektakuläre Auflösung, bei dem Holmes in einem Geniestreich die Verdächtigen überführt, sondern eine fast schon stille Antwort auf die aufgeworfenen Fragen. Das führt die Handlung in eine ganz andere Richtung als bisher gedacht und hat mich sehr überzeugt, da mal andere Facetten als bisher im Vordergrund stehen und dennoch ein trickreicher Kriminalfall erzählt wird.

Julian Tennstedt hat nicht nur einen wohl bekannten Vater, der gerade den Hörern dieser Reihe etwas sagen dürfte, sondern spricht auch den jungen Sherlock Holmes in dieser Folge. Das macht er auf eine sehr charmante Weise und lässt die Grundzüge des schillernden Charakters durchklingen, findet aber seine ganz eigene und überzeugende Weise der Interpretation. Dirk Petrick ist als Victor Trevor zu hören, der sehr freundlich und agil klingt, er spricht sehr glaubhaft und mit eingängigem Rhythmus. Berd Rumpf hat mir als Hudson äußerst gut gefallen, seine laute und polternde Stimme sowie seine fordernde und unverschämte Art formen einen sehr ausdrucksstarken Charakter. Weitere Sprecher sind Jochen Schröder, Maximiliane Häcke und Jannik Endemann.

Auch wenn die Sprecher und ihre Dialoge hier stets im Mittelpunkt stehen und sich wegen der ruhigen Erzählweise sowieso keine hochtrabende akustische Umsetzung anbietet, wurde wieder ein feines Netz gewoben, das die Szenen in ihrer Wirkung sehr gut unterstützt und durch einige wohl platzierte Geräusche für eine lebendige Stimmung sorgt.

Wie ein altes Ölgemälde wirkt das Cover in seinem goldenen Rahmen und dem schwarzen Hintergrund, auch sind dieses mal keine menschlichen Gesichter zu sehen. Ein lodernd brennendes Segelschiff hat Ertugrul Edirne hier gezeichnet und es mit den dicken Rauchschwaden und den hellen Flammen sehr gekonnt in Szene gesetzt.

Fazit: Die Reise in die Jugend von Sherlock Holmes erreicht zwar nicht ganz den Witz, der sonst von Dr. Watson so liebevoll eingebracht wird, ist aber eine ungewöhnlich erzählte und sehr ruhige Folge, die mit ihrem langsamen Aufbau und den sich steigernden Spannungsbögen gut unterhalten kann und zudem einen interessanten Blick auf den jungen Holmes erlaubt.

VÖ: 14.Oktober 2016
Label: Titania Medien
Bestellnummer: 978-3-7857-5380-4
 
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