Matze
Mitglied
- #1
Themenstarter/in
Wirtschaftlich gesehen ist Lyrik Unsinn, aber Betriebswirtschaft ist im Leben eben nicht alles. Lyrik wäre nach allen ökonomischen Gesichtspunkten schon immer zum Aussterben verurteilt gewesen, und trotzdem hält sie sich nach wie vor, notfalls eben in der Form der Samisdat.
Um die staatliche Zensur zu umgehen, entstand in der Sowjetunion eine Samisdat-Literatur, die in kleinen Auflagen vervielfältigt und danach im Untergrund verbreitet wurde. Der Diktatur des Proletariats folgte die Diktatur des Kapitals. Lyrik findet schwer in die Öffentlichkeit. Befangenheit zeichnet jedes Gespräch mit dem Lektor eines Verlags aus, selbst dann wenn die Inhalte positiv bewertet werden. Das hat Julietta Fix erst recht motiviert fixpoetry.com ins Netz zu stellen. Einmalig dürfte das Projekt „Autorenbuch“ sein, sinnfällig lassen sich mit der Mouse die Seiten umklappen. Längere Texte lassen sich einfach scrollen und anhalten. Sogar eine Audioabteilung ist im Aufbau. Das Betriebssystem für die elektronischen Medien ist das Lesen. Das Betriebssystem für das Lesen ist die Sprachkompetenz. Das Betriebssystem für das Hören ist Aufmerksamkeit; eine knappe Ressource. Eine Ermöglicherin wird so zu einer zeitgemäßen Art von Verlegerin. Zudem beeindruckt die Öffentlichkeitsarbeit von fixpoetry mich immer wieder. Julietta Fix reagiert sehr zügig auf Fragen, die man ihm ihr Mail zuschickt, sie freut sich über eine treue Leserschaft und über ein Netzwerk von jungen und jung gebliebenen Dichtern, die alle eines gemeinsam haben: ihre Liebe zur Poesie.
In ihrem Lyrik-Band »shop 'til you drop« zeigt sich die Herausgeberin als Alltagslyrikerin im besten Sinne. Ihre Gegenwartslyrik fokussiert das Detail, sucht das Ungewöhnliche in den kleinen Dingen, so in „kleider machen häute“. Immer skurriler wird das Leben betrachtet, doch Julietta Fix schafft es, den Alltag ganz authentisch darzustellen. Zeiten und Orte wechseln von Gedicht zu Gedicht, Konstellationen und gesellschaftliche Zusammenhänge scheinen auf wie Panoramen, in denen sich Regungen, Gefühle, Seelenverwandtschaften spiegeln. Es sind kurze Einblicke, die uns die Autorin offeriert, Zeitfenster, hinter denen auch Skizzenhaftes zu erkennen ist. Julietta Fix ist belesen, manchmal hintergründig, auch listig; so entsteht ein Tableau, in dem sich Leben und Poesie verbinden. Ihre Gedichte zeigen Ähnlichkeiten mit der Neuen Innerlichkeit der 1970-er Jahre und sind auf der Höhe ihrer herausragenden Schreiber Nicolas Born und Jürgen Theobaldy.
Die fragilste der literarischen Formen gilt gemeinhin als deren teuerste, und dies im zwiefachen Sinn: Die Randständigkeit der Lyrik abseits des ökonomischen Gewinns steht in direkter Proportion zu der hohen symbolischen Wertschätzung, mit welcher man sie bedenkt. Lyrik scheint ein Gut zu sein, das zugleich sein eigener Marktpromoter ist. Wenn es gut geht, schafft sich Lyrik eine Gesellschaft, die bereit ist, sie am Leben zu erhalten. Und wenn fixpoetry als Plattform erhalten bleibt, hat diese digitale Anthologie alle Chancen zum Fixstern der Internetlyrikszene zu werden.
Matthias Hagedorn
Um die staatliche Zensur zu umgehen, entstand in der Sowjetunion eine Samisdat-Literatur, die in kleinen Auflagen vervielfältigt und danach im Untergrund verbreitet wurde. Der Diktatur des Proletariats folgte die Diktatur des Kapitals. Lyrik findet schwer in die Öffentlichkeit. Befangenheit zeichnet jedes Gespräch mit dem Lektor eines Verlags aus, selbst dann wenn die Inhalte positiv bewertet werden. Das hat Julietta Fix erst recht motiviert fixpoetry.com ins Netz zu stellen. Einmalig dürfte das Projekt „Autorenbuch“ sein, sinnfällig lassen sich mit der Mouse die Seiten umklappen. Längere Texte lassen sich einfach scrollen und anhalten. Sogar eine Audioabteilung ist im Aufbau. Das Betriebssystem für die elektronischen Medien ist das Lesen. Das Betriebssystem für das Lesen ist die Sprachkompetenz. Das Betriebssystem für das Hören ist Aufmerksamkeit; eine knappe Ressource. Eine Ermöglicherin wird so zu einer zeitgemäßen Art von Verlegerin. Zudem beeindruckt die Öffentlichkeitsarbeit von fixpoetry mich immer wieder. Julietta Fix reagiert sehr zügig auf Fragen, die man ihm ihr Mail zuschickt, sie freut sich über eine treue Leserschaft und über ein Netzwerk von jungen und jung gebliebenen Dichtern, die alle eines gemeinsam haben: ihre Liebe zur Poesie.
In ihrem Lyrik-Band »shop 'til you drop« zeigt sich die Herausgeberin als Alltagslyrikerin im besten Sinne. Ihre Gegenwartslyrik fokussiert das Detail, sucht das Ungewöhnliche in den kleinen Dingen, so in „kleider machen häute“. Immer skurriler wird das Leben betrachtet, doch Julietta Fix schafft es, den Alltag ganz authentisch darzustellen. Zeiten und Orte wechseln von Gedicht zu Gedicht, Konstellationen und gesellschaftliche Zusammenhänge scheinen auf wie Panoramen, in denen sich Regungen, Gefühle, Seelenverwandtschaften spiegeln. Es sind kurze Einblicke, die uns die Autorin offeriert, Zeitfenster, hinter denen auch Skizzenhaftes zu erkennen ist. Julietta Fix ist belesen, manchmal hintergründig, auch listig; so entsteht ein Tableau, in dem sich Leben und Poesie verbinden. Ihre Gedichte zeigen Ähnlichkeiten mit der Neuen Innerlichkeit der 1970-er Jahre und sind auf der Höhe ihrer herausragenden Schreiber Nicolas Born und Jürgen Theobaldy.
Die fragilste der literarischen Formen gilt gemeinhin als deren teuerste, und dies im zwiefachen Sinn: Die Randständigkeit der Lyrik abseits des ökonomischen Gewinns steht in direkter Proportion zu der hohen symbolischen Wertschätzung, mit welcher man sie bedenkt. Lyrik scheint ein Gut zu sein, das zugleich sein eigener Marktpromoter ist. Wenn es gut geht, schafft sich Lyrik eine Gesellschaft, die bereit ist, sie am Leben zu erhalten. Und wenn fixpoetry als Plattform erhalten bleibt, hat diese digitale Anthologie alle Chancen zum Fixstern der Internetlyrikszene zu werden.
Matthias Hagedorn