AW: Recherche nach Geheimbünden
Jaja, die bösen Freimaurer, die die Weltherrschaft an sich reißen wollen ... Ich war vor einigen Jahren mal mit einem dieser "bösen Freimaurer" bekannt. Besagter Mann, im handwerklichen Bereich tätig, sehr weit von der Weltherrschaft entfernt und immer noch bemüht darum, die Herrschaft im eignen Hause zu erlangen, machte den eklatanten Fehler, mit seiner Mitgliedschaft in diesem Club relativ offen umzugehen. Als dann ein paar nette (in dem, was man landläufig "christlich" nennt auch ordentlich indoktrinierte) Mitmenschen ihm des späten abends begegneten, entscheideten sie sich kurzerhand dazu, diesem Verschwörer gegen die Menschlichkeit mal ordentlich die Fresse gerade zu ziehen. Das geling gut und der Mob berief sich u.a. auf diese Verschwörungstheorien, die von Menschen mit merkwürdigen Pseudonymen und Unterhaltungsschriftstellern wiedergegeben wurden. (By the way - wusstest Du, dass Dan Brown ganze Pilgerfahrten zu den von ihm in historisch-fiktiven Kontext gesetzten Orten bewerkstelligt hat?).
Was meinen Bekannten betrifft, so ist es leicht anzunehmen, dass ihn seine Frau nie wieder so ansehen wird, wie sie es vorher getan hat. Überhaupt ist es nicht anzunehmen, dass ihn generell eine Frau noch einmal mit einem begehrenden Blick bedenken wird, dazu hat er zu viele Verletzungen im Gesicht erlitten.
Verschwörungstheorien dieser Art, wie Du sie offenbar auf eine existierende Gruppe applizieren willst, dienen schlichten Gemütern schon seit Jahrtausenden als Projektionsfläche - angefangen bei den Juden, die sich in ihre Gemeinschaft zurückgezogen haben (und überhaupt laut der Bibel ja Christusmörder sind) bis hin zu kleineren unbedeutenden Splittergruppen (Templer), die irgendwann so viel Geld angehäuft hatten, dass der Klerus auch mal endlich ein halbes Brötchen davon kosten wollte und natürlich den immer genannten Freimaurerlogen.
Richtig ist, dass es - je nach philosophischer Ausprägung - Orden gibt, in denen es munter zur Sache geht. Eben weil Leute mit einem Ego, das größer als Mitteleuropa ist, aufeinander treffen. (Ich werde Dir gewiß keine Namen nennen, wiewohl Du bei den Freimaurern da an der ganz falschen Adresse bist - die haben mit der realen Ethik, die die Kirchen vorgeben zu haben, meist mehr zu tun als ebendiese). Die Phantasie der Weltverschwörung ist aber selbst bei der relativ kurzlebigen Thule-Gesellschaft hanebüchen, aus der sich später ein großer Teil des Führungspersonal der SS zusammensetzte, da man sich hier eindeutig mit der Blutlehre und dem Antisemitismus identifizierte, insofern also ausnahmsweise politisch war, obschon man div. Rituale vornahm. Eine Seltenheit, die sicherlich auch auf den quasi-religiösen Charakter (Blut als heiligster Indikator - das findet sich in nicht-rassistischer Ausprägung in vielen Kulten, insb. den abrahamitischen Abkömmlingen) des Nationalsozialismus' zurückgehen. Aber selbst dieser Orden strebte nicht nach Weltmacht, sondern nach Blutmacht.
Also selbst diese sehr extreme, außergewöhnliche und kurzlebige Organisation erfüllt Deine Kriterien nicht. Hin und wieder kommen durchaus mal ein paar Luschen auf, die ähnliche Ansprüche geltend machen wollen - aber die Vorstellung, dass im Rahmen div. Logen Politik ausgehandelt wird, ist nichts weiter als schlecht an den Haaren herbeigezogen. Politik wird - immer noch - größtenteils in Clubs ausgehandelt. Aber das ist nicht so spannend und hat keine rituelle Komponente. Da fokussiert man sich z.B. in den USA lieber darauf, dass irgendwann mal an der Universität von Yale eine Gruppe aus Leuten damit angefangen hat, sich mit Magie auseinanderzusetzen und auf komischen Fotos hinter einer Standuhr gut zu posieren und greift sich das Dutzend Leute 'raus, das aus diesem Verein mal irgendwann annähernd der Million entgegen gesprungen ist. Einfach, weil sich Magie (lt. landläufigem christlichen Verständnis) so wunderbar auf der Skandalliste macht.
Wenn's dann mal für einen dieser Freimaurer, wie meinem Bekannten, schlecht ausgeht - mei, a bisserl Schwund is immer.
Wenn Du die ausgelutschte Story wirklich erzählen willst, würde ich Dir mit Nachdruck empfehlen, Dir selbst etwas auszudenken. Du unterstellst hier immer noch existierenden Gruppen und Menschen etwas, womit sie nichts zu tun haben. Aber grundsätzlich halte ich das ganze Setting für sehr "alt" - viel interessanter sind die wirklichen Verpflechtungen der Politik in div. Clubs, Intellektuellenvereinigungen und Treffen oder das parteitaktische Gezetere generell, das jegliche Politik im Grunde genommen untergräbt, weil man sich nur gegenseitig öffentlichkeitswirksam für das "Wahlvieh" zu schlachten versucht. Aber da öffnest Du dann vielleicht einen Bereich, der etwas heikler ist, als den ewigen Freimaurer aus seiner Mottenkiste zu ziehen und ihm eine ordentliche Watschn zu verpassen ...