Poldi

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Orlando (Virginia Woolf)

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Erster Eindruck: Mann oder Frau?

Orlando, ein junger Adeliger mit Hang zur Poesie, steht hoch in der Gust von Königin Elisabeth I und erhält von ihr einen Landsitz. Doch nach einer enttäuschten Liebe zieht er sich zurück und widmet sich der Schriftstellerei. Wegen einer aufdringlichen Verehrerin flüchtet er nach Konstantinopel – und erwacht nach einem mehrtägigen Schlaf als Frau. Er versucht, sich mit seiner neuen Rolle anzufreunden und erlebt dabei gleich mehrere Epochen der englischen Geschichte...

Mit „Orlando“ hat Virginia Woolf einen Roman erschaffen, der nicht zu ihren ganz großen und bedeutenden Werken gehört, ihr aber dennoch sehr am Herzen lag und viele experimentelle Elemente in sich vereint. Vom Bayrischen Rundfunk stammt eine Hörspieladaption des Romans im Jahr 2013, das nun beim Hörverlag auch als Kauf-CD erhältlich ist. Ich habe etwas gebraucht, bis ich mich hier richtig eingefunden habe, die Handlung startet recht bedächtig, lange Zeit ist nicht klar, in welche Richtung sie sich entwickeln wird. Der angenehme und gut verständliche Erzählstil erleichtert dies aber, und spätestens mit der Verwandlung zur Frau ist Orlando zu einem eingängigen Hörspiel geworden. Die Metamorphose der Hauptfigur steht im Mittelpunkt und erlaubt einige interessante Ansatzpunkte und Betrachtungsweisen, hinterfragt die unterschiedlichen Rollenbilder von Mann und Frau. Und auch der schnelle Verlauf der Zeit ermöglicht eine neue Herangehensweise an die Geschichte, stellt die Entwicklung von Orlando in einen anderen Kontext. So spannend diese beiden Elemente auch sein mögen, so viel bürden sie dem Hörer auch auf, mit diesem Werk muss man sich viel und intensiv beschäftigen, um es zu durchdringen. Für Literaturliebhaber ist es deshalb bestens geeignet, während Hörspielhörer, die kurzweilige Zerstreuung suchen, lieber zu anderen Produktionen greifen sollten.

Die Besetzung des Hörspiels ist sehr gut gelungen, viele starke und einprägsame Stimmen sind hier versammelt. Als Mann wird Orlando von Gabriel Raab gesprochen, der mit viel Ausdruck und einem angenehm warmen Klang für gelungene Eröffnungsszenen sorgt. Recht bald wird die Hauptperson von Georgia Stahl gesprochen, die eine ähnlich weiche Stimmfarbe hat und mit viel Energie und einer feinen Nuancierung spricht. Brigitte Hobmeier hat mir als Sasha ebenfalls gut gefallen, sie wählt eine sehr betonte und eingängige Sprechweise. Weitere Sprecher sind Fabian Gröver, Wiebke Puls und Paul Herwig.

Die Handlung wurde opulent mit Musik ausgestattet, sodass viel Ausdruck und Dynamik hierüber erzeugt werden. Stimmungsvolle, geschmeidige Melodien kommen dabei ebenso vor wie rhythmische, prägnante Momente, sodass alles gekonnt ins rechte Licht gerückt wird. An einigen Stellen drohen die Spreche jedoch etwas in den Hintergrund gestellt zu werden, mit allzu viel Präsenz sind dann die Szenen ausgeleuchtet worden.

Das stilisierte Konterfei einer jungen Frau ist auf dem Cover zu sehen, einige schwarz gefärbte Flächen heben sich hierfür vor dem strahlend weißen Hintergrund ab. Trotz dieser verfremdeten Darstellungsweise strahlt die Frau eine deutlich wahrnehmbare Melancholie aus. Auch die restliche Gestaltung und die Verpackung sind hübsch gestaltet.

Fazit: Ein anspruchsvolles Hörspiel, in das man sich erst hereinfinden muss. Die Wandlung vom Mann zur Frau und das schnelle Vergehen der Jahrzehnte sind zentrale Elemente, für die man sich aber erst öffnen muss. Dann ist „Orlando“ aber eine ungewöhnliche Geschichte, die auch mit ihrer opulenten Instrumentalisierung zu punkten weiß.

VÖ: 9.Juni 2014
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-1380-6
 
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