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Mortifer

Hallo,

ich bin eher durch einen ganz dummen Zufall auf Euch gestoßen und zu meiner eigenen Überraschung höre ich jetzt schon seit 17.00 Uhr gespannt zu. Ich bin kein sprechendes Genie aber das ist ja wohl kein Beinbruch. Meine stärke ist eher das kreative schreiben oder die Gedankliche Umsetzung einer Buch Vorlage. So, nun werde ich erstmal ein wenig im Forum blättern um meine Neugierde zu befriedigen. Und nebenbei weiterhören :music: (ich wippe zwar nicht mit höre aber trotzdem alles):D
 
G

Gelöschtes Mitglied 2384

AW: Moin Moin

Hey Mortifer. Ich lese gerade, dass deine Stärke unter anderem die gedankliche Umsetzung einer Buchvorlage ist. Vielleicht könnten wir beide eine Kooperation für ein Drehbuch anstreben. Eine Buchvorlage besitze ich. Ich bin übrigens auch neu hier - obwohl ich schon seit Ewigkeiten die Hörspiele von Hoerspielprojekt.de genieße.

Hier ist übrigens der Link zu meiner Story


http://www.hoer-talk.de/showthread....skritischer-zynisch-sarkastischer-Vampirroman
 
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Mortifer

AW: Moin Moin

Hi CharletChase. Da wäre ich nicht abgeneigt, muss aber kurz ein wenig Differenzieren. Ich bin sehr Genre-abhängig und bewege mich dort im Bereich: Fantasy / Mysterie / Grusel bzw Horror.

Ich werde mich Morgen mal etwas "reinlesen".
 
G

Gelöschtes Mitglied 2384

AW: Moin Moin

Na, das ist doch schon mal ein Wort. Da befinde ich mich doch zumindest schon mal im richtigen Genre, auch wenn Charlet ziemlich sarkastisch daher kommt. Ich kann dir gerne mal eine kurze Texpassage aus einem der hinteren Kapitel geben. Interesse?
 
G

Gelöschtes Mitglied 2384

AW: Moin Moin

Ach... ich mache sie einfach mal rein.



Henry’s Worte machten mich tatsächlich nachdenklich und brachten mich innerlich zum Schwitzen – da sitzt ein Gewissen in mir, ganz ehrlich.
Ich fühlte mich mit einem Mal so, als wäre ein Schnellzug an mir vorbeigerauscht, aus dem ein Zug Gast des letzten Waggons eine Bratpfanne auf meiner Gesichtshöhe herausgehalten hatte – das muss scheppern und zwar gewaltig.
„Erzähl weiter!” fing ich mich nach längerer Schweigephase, in der ich mich schwer damit getan hatte, meine Schuldgefühle auszublenden.
„Excuse me! Es war nicht meine Absicht dich an den Pranger zu stellen. Mir viel nur auf...”
„Erzähl schon weiter du Mistkerl!”, gab ich unter Tränen von mir – ich war wirklich ganz schön aufgewühlt. Und oberflächlich war ich leider auch, wenn ich so darüber nachdachte.
„Ich glaube El Principé de la muerte wollte mich dort...”
„Lass uns diesem Kerl endlich einen Spitznamen geben. Erstens kann ich mir diesen El Quatsch sowieso nicht merken und zweitens klingt das für mich viel zu proletenhaft. Der Typ ist genauso ein Vampir wie du und ich, selbst wenn er 3000 Jahre alt sein sollte. Du solltest endlich mal deine Ehrfurcht vor ihm ablegen.”
„Das wiederum mag ich an dir. Du bist spritzig frisch, ideenreich und ausgesprochen mutig. Ein echter Krieger, wie er in der Schrift prophezeit wurde.”
„Lass diese Beweihräucherung! Darauf stehe ich überhaupt nicht, genauso wie auf Belehrungen; hörst du! Denk dir lieber einen Spitznamen für ihn aus.”
„Wie wäre es mit Maya-Gott!?”
„Viel zu voluminös und abgehoben. Fällt dir nichts Lustiges ein, worüber man grinsen müsste?”
„Über diese Person gibt es aber nichts zu grinsen!”
„Genau deswegen ja. Du sollst doch deine Furcht vor ihm ablegen.”
„Blut Hai!”
„Nein!”
„Killerzahn!”
„Nein! Sag mal, verstehst du das Wort lustig nicht!?”
„Wie wäre es mit Piranha!”
“NEINNNN!”
„Hering?”
Seine Stimme klang immer verzweifelter.
„Schon besser, aber irgendwie unpassend. Außerdem was bitteschön ist an einem Hering lustig!?”
„Dass er silbern schimmert und man viele Gerichte aus ihm zaubern kann.”
„Hättest du jetzt ihre außergewöhnliche Kommunikation erwähnt, dann hätte ich einen Hoffnungsschimmer gesehen! Henry, es tut mir aufrichtig leid dir das sagen zu müssen. Aber dir fehlt eindeutig die Fantasie zum Humor. Dir fehlt so viel Fantasie, dass man fast in Erwägung ziehen könnte, dass du dir die Geschichte mit El Dingsbums gar nicht ausgedacht haben kannst.”

Während ich das sagte, kam mir die Idee.

„Weißt du was! Wir nennen ihn ab sofort Blutekel. Der Name ist perfekt. Er trifft den Nagel so etwas von auf den Kopf! So wie du mir El Dingsbums beschrieben hast, ist er ein echtes Ekel und blutgierig ist er auch.”
„Blutekel, wie Blutegel!?”, wiederholte mich Henry fasziniert, als könnte er es gar nicht fassen. „Blutekel! Dass ich selbst nie darauf gekommen bin. Der Name ist wirklich perfekt.”
„Also was wollte Blutekel mit dir an diesem Ort anstellen?”
„Das sagte ich doch bereits! Aber ich weiß es nicht genau. Vielleicht wollte er mich dort auch als Vampir opfern, um seine Götter gnädig zu stimmen. Er sprach auf jeden Fall von einem Ritual, dass durchgeführt werden müsste, nachdem wir den dort angeblich versteckten Goldschatz gehoben hätten. Sein Interesse an den Schriftrollen erwähnte er allerdings mit keiner Silbe vor mir. Doch irgendwie bin ich misstrauisch geworden, als er mich damit beauftragte an fünf verschiedenen Stellen eines Tempels zu graben und ich jedes Mal nur eine Schriftrolle statt dem versprochenen Gold dabei entdeckte. Du hättest sehen müssen, wie energisch er reagierte, als ich eine davon ausrollen wollte. Die letzte oder besser gesagt die erste, welche die Zeichnung und die Beschreibung zu deiner Person enthielt, grub ich heimlich während des Tages aus, als er noch schlief und floh damit zu Sonnenuntergang.”
„Und das war es schon? Keine mystischen Stimmen, die dir deine Handlung befohlen haben? Kein Kampf ums Überleben? Und du bist wie ein Feigling geflohen!?”
„Wenn ich mystischen Stimmen erwähne, glaubst du mir dann eher, oder eher nicht?”
„Wohl eher nicht!”
„Dann gab es auch keine!”, grinste Henry mich bitter-süß an, wurde aber sofort wieder ernst.
„Charlet! Ich mache das hier wirklich nicht zum Spaß. Ich leiste echte Überzeugungsarbeit. Erkennst du das nicht?”
“Nur das nichts davon überzeugend klingt. Es liegt nicht an dir, sondern an deiner Geschichte. Ganz im Ernst, wer würde so etwas glauben?”
„Jemand, der selbst zum Vampir geworden ist, obwohl er gar nicht an Vampire glaubt!?”
„Das ist wahrlich mal ein echtes Argument von dir. Aber im Verhältnis zu dem, was du mir hier aufzutischen versuchst, ein sehr schwaches. Du sprichst immerhin davon, dass ich zum Retter dieser Welt werden soll. Das kann einfach nicht sein. Dafür kenne ich mich zu gut.”
„Anscheinend nicht gut genug. Was muss man eigentlich noch alles tun, um dich von etwas zu überzeugen?”

„Vergiss es am besten! Zugegeben, mittlerweile finde ich dich wirklich ganz nett. Na gut, nett ist vielleicht etwas übertrieben. Du bist okay! Aber von deinem Quatsch will ich nichts mehr hören, egal wie viel du mir davon noch zu erzählen hast. Vielleicht ändere ich ja meine Meinung, wenn Blutekel hier auftaucht.”
„Charlet!”
„Henry, ich glaube du gehst jetzt besser. Und bitte bring das mit der Tür in Ordnung. Mein Konto ist wirklich leer und einen richtigen Job bekomme ich so schnell wohl auch nicht mehr. Diese Sonnenallergie ist schon ganz schön hinderlich für eine Bewerbung. Eventuell könntest du mir noch mal Hilfe zukommen lassen, wenn die Polizei mir auf die Schliche kommt. Und ab und zu ein paar Blutkonserven wären nett, sonst sauge ich womöglich noch die ganze Nachbarschaft aus.”
„Vor den Ermittlungen der Polizei solltest du dich am wenigsten fürchten. Ich habe dafür gesorgt, dass da nichts geschieht.”
„Und wie?”
„Indem ich dein Auto noch in derselben Nacht kurzgeschlossen und auf deinen Mietparkplatz gefahren habe.”
„Und die Leiche?”
„Ich denke das erfährst du spätestens morgen Abend in den Nachrichten. Lass dich überra...”
Eine gewaltige Detonation unterbrach Henry mitten im Satz. Sie wurde begleitet von einem Regen aus feinen Holzsplittern, die bis zum Rand des Wohnzimmers flogen und offensichtlich die Reste meines Küchenschrankes und der Wohnungstür darstellten.
Sofort breitete sich der stechende Geruch von Fluorwasserstoff in meiner Wohnung aus.
„Verdammt! Jemand hat die Bombe ausgelöst.”
„Das war weder zu überhören noch zu übersehen. Fast hätte mich so ein verdammter Holzsplitter an der Brust erwischt. Wir sollten schleunigst von hier verschwinden. Besitzt du eine Feuerleiter?”
„Nein natürlich nicht!”
„Hast du dir niemals Gedanken darüber gemacht, was du tust, wenn das hier passiert?”
„Die Bombe? Bist du des Wahnsinns!? Die aktiviere ich normalerweise nur, wenn ich außer Haus bin.”
„Wirklich gut durchdacht. Dann hoffe ich, dass wer immer das auch war, jetzt außer Gefecht gesetzt ist.”
„Mit Sicherheit! Das überlebt niemand und wir auch nicht, wenn wir nicht sofort aufhören zu reden.
Das Zeug darf auf keinen Fall in größeren Mengen in den Körper gelangen, sonst können wir uns von unseren Knochen verabschieden.”
In der sich schnell durch den Raum ausbreitenden Wolke aus Nebel, Ruß und Dunst erhob sich eine männliche Gestalt. Sie lachte höhnisch und kam mit langsamen Schritten auf uns zu.
„Henry, Henry, Henry! Nette Idee von deinem kleinen Flittchen, mich mit einem feuchten Knalleffekt zu begrüßen. Da herrscht ja sofort Bombenstimmung. Aber du hättest sie vorher vielleicht besser darüber aufgeklärt, dass Weihwasser nur der Blutlinie von Vlad Tepes etwas anhaben kann.”
„Blutekel!?”, fragte ich.
Henry schüttelte nervös den Kopf, „zwar ein Ekel, aber nicht Blutekel.”
“Wer bitteschön ist das dann!? Und was hat er in meiner Wohnung verloren?”
“Ich bin Viktor. Henry und ich kennen uns bereits. Auch wenn wir nie die besten Freunde waren. Nicht war Henry!? Dein Pech, kleines Indianer-Flittchen!”

Wer im Glauben ist, jeder Vampir müsse automatisch eine gewisse Erotik versprühen, der hat Viktor noch nicht gesehen. Viktor war der typisch russische Eisklotz. Er wirkte kalt, berechnend und gemein. Und optisch? Nun ja, wer auf Botox-Mimik, Plastikhaut und Gangsterblick steht – ich jedenfalls nicht.

„Warum sprichst du nicht mit deiner Kloschüssel, du Großmaul? Die ist die Scheiße aus deinem Maul wenigstens gewohnt.”
„Ganz schön kess, Kleine! Offensichtlich leidest du an Größenwahn!”
„Lass sie in Frieden, Viktor!”
„Wieso sollte ich? Was willst du Schlappschwanz schon gegen mich ausrichten!? Noch mehr Weihwasser auf mich schütten?”
„Das war kein Weihwasser, du Vollidiot. Wohl zu lange in der Kanalisation gelebt, sonst hättest du den stechenden Geruch, der dich umgibt längst bemerkt!”
„Süße, hat dir noch niemand gesagt, dass Vampire nicht atmen müssen!?”
„Und hat dich schon mal jemand darüber aufgeklärt, was Flusssäure ist. Wohl nie Chemieunterricht gehabt.”
„Hahaha, du hältst dich wohl für besonders schlau, Wolfsblut!!! Für was brauche ich Chemie!? Ich bin nahezu unbesiegbar. Wusstest du das nicht!? Tja, da ist die kleine Vampir-Chemikerin wohl am Ende ihrer Weisheit angelangt.”
„Nur wer die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat, kann hinter klug scheißen! Warten wir es doch ab”, forderte ich ihn heraus.
„Und ich bin schließlich auch noch da”, gab Henry mir Rückendeckung.
„Der kleine Aushilfsvampir. Ohhh, ich habe ja solche Angst. Mir schlottern schon die Knie. Darf ich dich an die Nacht vom 16. auf den 17. Juli in Jekaterinburg erinnern, als du die Romanovs vor den Bolschewiki im Ipatjew-Haus retten wolltest. Sehr richtig! Dort hat er auch versagt, dein großer Held. Nur die Flucht hat ihn davor bewahrt, dass ich ihn nicht tötete. Henry willst du nicht besser gleich fliehen? Noch ist die Gelegenheit dazu gegeben.”
„Soll er doch, dann mache ich dich eben alleine fertig!”
„Hahaha, deine forsche Art gefällt mir. Nur leider wird sie dir in dieser Situation nichts nützen. Du bist ein Frischling. Ich hingegen habe schon mehr als 800 Jahre auf dem Buckel und das Blut unzähliger alter Vampire in mir vereint.”
„Dafür trage ich das Zeichen des Wolfes, wenn dir das etwas sagt.”, konterte ich.
„Und ob mir das etwas sagt. Genau deswegen bin ich schließlich hier. Ich werde dich töten, bevor sich dir die Gelegenheit bietet es zu aktivieren.”
„Was weißt du denn darüber?”
„Jedenfalls mehr, als ihr beide zusammen! Doch davon werde ich dir und deinem lächerlichen Wohltäter, der mich netterweise zu dir geführt hat, bestimmt nichts verraten. Findet es selbst heraus. Ach wie dumm von mir … das wird ja nicht mehr gehen. Verabschiedet euch jetzt von eurem jämmerlichen Dasein.”
„Dann lass mal sehen, ob du wirklich so viel drauf hast, wie du behauptest, oder ob du auch nur einer dieser unzähligen Maulhelden bist!”

Kaum hatte ich meinen Satz zu Ende gesprochen, da spürte ich bereits Viktors Hand an meiner Kehle. Er umklammerte sie und presste zu wie ein stählerner Greifarm, der mit hydraulischer Kraft betrieben wird. Nicht einmal Henry, auf dessen Unterstützung ich baute, schien etwas von Viktors Bewegungsablauf mitbekommen zu haben. Viktor hatte die fünf Meter, die ursprünglich zwischen uns gelegen hatten, in einer Zeit zurückgelegt, die im Nanosekundenbereich anzusiedeln sein musste. Es war als kontrollierte er die Zeit, was mich jeder Illusion beraubte, dass ich die folgende Nacht noch erleben würde.
Da half es auch nichts, dass ich als Vampir keine Luft zum Atmen benötigte. Lange würden meine Halswirbelknochen dem unglaublichen Druck dieses Supervampirs nicht mehr standhalten.
„So meine süßes Indianermädchen, und nun sauge ich dich aus.”
„Henry!” Meine Stimme klang kratzend und war kaum noch hörbar. Mit letzter Kraft hob ich den Arm und deutete auf das untere Fach meines Wohnzimmerschranks, in dem ich meine Elementen-Sammlung aufbewahrte – es gibt tatsächlich Menschen, die sich für so etwas wie die chemischen Grundelemente interessieren. Ich besaß nahezu das Komplette Periodensystem; von Beryllium bis zu abgereichertem Uran1 (auch wenn ich mir das Uran zugegebener Weise nicht ganz legal beschafft habe).
Hoffentlich verstand Henry meine Gestik und so viel von der Chemie, dass er nach der Glasampulle mit dem luftdicht versiegelten Cäsium griff und sie an dem Widerling zertrümmerte.
„Du und deine Chemie! Die wird dir hier nichts mehr helfen! Hast du das immer noch nicht begriffen?”
Bleib ruhig überheblich du Arsch! Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Wenn Viktor meine Gedanken gelesen hatte, dann Henry hoffentlich auch.
„Wir … werden … ja...”
Mehr brachte ich an Worten nicht mehr heraus. Ich spürte, wie sich Viktors Zähne tief in das Fleisch meines Halses bohrten und ein fürchterlicher Sog einsetzte, der mich meines Blutes beraubte. Die Umgebung um mich herum verschwamm, wurde milchig trüb, bevor alles in Dunkelheit versank. Nur mein Gehör blieb noch aktiv. Und das vernahm einen qualvollen Schrei, der aus einem heftigen Handgemenge resultierte.
„Charlet, es hat funktioniert. Viktor steht in Flammen! Komm zu Bewusstsein, es ist noch nicht vorbei.” Henry’s Worte erreichten mich zwar, aber ich konnte sie nicht in Taten umsetzen. Meine Augenlider waren zu schwer. Selbst das Denken strengte mich an.
„Charlet! Charlet, komm endlich zur Besinnung, ich brauche deine Hilfe!”
Wieder war es Henry’s Stimme. Sie klang verzweifelt. Aber was sollte ich tun? Mein Körper war gelähmt wie nach einer Überdosis Valium.
Ich kämpfte mit aller Macht dagegen an. Dabei war es nicht die Angst vor dem Sterben, die in mir etwas bewegte – die war nach wie vor nicht vorhanden.
Es war etwas anderes. Würde mich jemand dazu auffordern, eine herausragende Eigenschaft von mir zu nennen, dann wäre meine Antwort mit Sicherheit der eiserner Wille – auch wenn mein gescheiterter Selbstmordversuch anderes vermuten lässt.
Ich weiß nicht wie, aber ich schaffte das Unmögliche und bekam die Augen auf.

Ich lag am Boden, etwa einen Meter von meinem Schrank entfernt und sah auf den offenstehenden Setzkasten meines chemischen Waffenarsenals – natürlich nach Periodensystem geordnet. Erste Hauptgruppe fünfte Periode. Das Rubidium! Wo ist das verdammte Rubidium?, geisterte es mir durch den Schädel.
Ich fand es schließlich am Boden, direkt neben mir.

Heilige Scheiße! Die Ampulle hat 400 Euro gekostet. Meine schöne Sammlung! Hoffentlich bezahlt mir Henry das hinterher alles.

„Charlet, mach schon endlich! Lass dir irgendwas einfallen. Ich kann den Scheißkerl nicht mehr lange in Schach halten.”

Ich hörte Viktor knurren und registrierte wie Henry kurz darauf quer durchs Zimmer flog. Nur der Gegenüberliegenden Wand verdankte er es, dass die Schwerkraft wieder Besitz von ihm ergriff.
„Charlet!” Henry klang immer verzweifelter. Er kämpfte gegen die Erschöpfung. “Charlet, so tu doch endlich was!”
In buchstäblich letzter Sekunde, bekam ich die Ampulle mit dem Rubidium zu fassen und schleuderte sie noch im selben Moment in die Richtung von Viktor. Viktor war sichtbar langsamer geworden, aber immer noch schnell. Zum Glück nicht schnell genug, um meinem Wurfgeschoss rechtzeitig auszuweichen – vermutlich spielte da aber auch seine Arroganz mit ein. Die Ampulle traf ihn am Kopf und zerbarst. Beim ersten Kontakt mit der Luft ging das Metall sofort an seiner Haut in Flammen auf.
Viktor schrie auf wie ein angeschossener Wolf, während sein Gesicht im umgebenden Flammenmeer den Ausdruck und die Gestalt einer Fratze annahm. Mit brennenden Augen torkelte der Supervampir von Blindheit geschlagen zurück.
„Henry! Er sieht nichts mehr. Schnappe dir irgendwas, womit du auf ihn einschlagen kannst. Schnell!”
„Das wird nichts bringen. Der Kerl hält einfach zu viel aus.”
„Henry, jetzt bist du an der Reihe mir zu vertrauen. Nimm die schwere Buddha Statue aus Messing neben dir und schlag ihm damit die Beine zu Brei.”
„Das wird nicht funktionieren!”
„Verdammt, jetzt mach schon endlich!”
Obwohl Viktor nichts mehr sah, lotste ihn meine Stimme sofort zu mir.
Der Bursche war wirklich verdammt zäh, was mir große Sorge bereitete, da mein Arsenal an selbstentflammenden Elementen aufgebraucht war. Nun hatte ich ihm nichts mehr entgegenzusetzen.

„Du Schlampe! Denkst du wirklich, du kannst mich besiegen?”, hallte mir Viktors monströse Stimme wie ein Orkan entgegen, „das alles bringt rein gar nichts. Es verzögert die Sache nur unnötig hinaus. Sobald ich dein Blut getrunken habe, werde ich wieder ganz der Alte sein. Mit Augenlicht und all meinen Kräften. Seht es endlich ein. Ihr seid mir nicht gewachsen.”

Genau in dem Moment schlug Henry mit voller Wucht von hinten mit der Messingstatue zu. Ein Splittern von Knochen war zu hören. Und noch einmal. Wieder und wieder, bis Viktor kraftlos zu Boden sank.
„Was...? Meine Beine!”, schrie er ungläubig.
„Da staunst du, du Ekel. Niemand ist unbesiegbar, merk dir das für die Zukunft. Oh, sorry! Du hast ja keine”, lächelte ich ihm kraftlos entgegen, obwohl ich wusste, dass er mein schadenfrohes Grinsen nicht sehen konnte. Aber er hörte den Triumph der aus meiner Stimme klang.
„Wie konntest du...?”
„Ganz einfach, deine Knochen wurden im Verlauf des Kampfes kräftig durchfluoriert. Das macht sie brüchig. Vielleicht hättest du mir doch besser zugehört, du Angeber!” Ich genoss es mit jeder Silbe den am Boden liegenden Mistkerl zu verhöhnen.
„Charlet!”, unterbrach mich Henry.
„Mach jetzt aus Überheblichkeit nicht den gleichen Fehler wie er. Noch ist er nicht tot. Saug ihn aus und mach dem Spuk eine Ende, bevor er sich erholt.”
„Du hast Henry gehört. Er will, dass ich dich vernasche. Und weißt du was? Nachdem du mir so viel Ärger bereitet und so viel Blut abgezapft hast, bin ich richtig hungrig.”
Mehr Worte wollte ich nicht verschwenden, denn der Hunger hatte mich tatsächlich gepackt, und der Geruch von Viktors potentem Vampir-Blut zog mich an wie ein super-starker Elektromagnet.

Als frischgebackener Vampir, das erste Mal das Blut eines Menschen zu trinken, ist eine großartige Erfahrung, die man nie vergisst – verdrängt man solche Dinge wie Moral und Ethik. Aber das Blut eines Vampirs zu trinken – in meinem Fall sogar ein sehr mächtiger Vampir – ist eine Sensation. Allein die Konsistenz und der Geschmack von Viktors Blut waren unbeschreiblich. Es fühlte sich an wie samtweicher Honig, nur tausendmal geschmackvoller, und bescherte mir einen Rausch, der mich die Welt um mich herum mehr als vergessen ließ. Auf spiritueller Ebene verließ ich sie und betrat eine Dimension, die nicht von physikalischen Gesetzen, wie sie auf der Erde existieren beherrscht wird. Raum und Zeit besaßen keine Gültigkeit mehr. Ich durchflog Nebel aus Licht und Sternen, vorbei an Pulsaren, Quasaren, schwarzen Löchern und Galaxien, bis zum Rand des Universums, wo mich die Erkenntnis erwartete – so glaubte ich. War das, das Tor zum Paradies? Ich fühlte mich wie Alles und Nichts, Alpha und Omega und war doch nur ein Baustein von vielen, die mich umgaben und gemeinsam ein riesiges Puzzle bildeten. Die Essenz von Viktor und all jenen Seelen, die er im Verlauf seines Daseins in sich aufgenommen hatte, gingen auf mich über. All sein Wissen, seine Gedanken, seine verborgenen Wünsche und Ängste flossen in mich ein und machten mich stärker, als ich mir jemals hätte erträumen können. Ich wurde zu einer Herrscherin, einer Göttin, durch deren Adern die Energien des Universums strömten, die ich wie ich es beliebte anzapfen und für mich nutzen konnte. Wow!!!
„Charlet!”
Henry’s Stimme drang wie durch einen unendlichen Raum zu mir. Sie zog an mir und ich wusste instinktiv, dass ich ihr nachgeben musste, sollte nichts Schlimmes geschehen. Doch ich wollte nicht weg von hier. Noch nicht! Das Erlebnis war so gigantisch und es gab noch so viel zu erfahren; so viel, das ich wissen wollte.
„Warte Henry! Nur noch...!” Ich hörte wie meine Stimme sich in der Unendlichkeit verlor.
“Charlet! Komm zurück!”
„Verdammt! Henry, lass mich!”
Keine Chance. Seine Stimme zerrte mich durch Raum und Zeit zurück in die Realität, in der ich nüchtern die Augen aufschlug.
„Wieso?”
„Weil du dich sonst im Rausch seines Blutes verloren hättest! Es birgt ein hohes Risiko einen Vampir bis auf den letzten Blutstropfen auszusaugen, vor allem wenn er so viel älter und mächtiger als man selbst ist.”
Viktors sterbliche Hülle lag vor mir.
„Ist er … tot?”
„Noch nicht ganz. Tot ist er erst dann, wenn er sich in Staub verwandelt hat.”
„Und wie bewerkstelligt man das.”
„Verbrennen durch Feuer oder Sonne.”
„Was schlägst du vor?” Ich war immer noch nicht ganz bei der Sache.
„Zuerst einmal Kopf ab! Dann ist er nicht mehr wiederbelebungsfähig und wir können ihn später verbrennen. Besitzt du ein Beil?”
Man stelle sich diese Frage vor, wenn man gerade erst aus dem Schlaf erwacht ist. Warum mich nicht gleich nach einer Kettensäge fragen!? Ich wohne schließlich in einer Großstadt. Dort gibt es zwar jede Menge Schilderwälder, doch die holzt man, wenn überhaupt, nur mit seinem Auto um, und das auch nur bei mindestens drei Promille.
„Klar hunderte! Sag mal für wen hältst du mich!? Etwa für Charles Manson?”
„Dann vielleicht ein großes Küchenmesser? Wir könnten natürlich auch deine Wohnung in Brand stecken. Wahrscheinlich ist das sogar die bessere Alternative. Deine Wohnung ist nun ohnehin Schrott. Und falls Viktor im Auftrag von Blutekel gehandelt hat, wovon wir ausgehen sollten, hätte das den Vorteil, dass er dich vorerst für tot hält. Das verschafft uns ein wenig Zeit, etwas mehr über die Prophezeiung herauszufinden.”
„Meine Wohnung in Brand stecken!?”
Spätestens jetzt war ich wieder bei vollem Bewusstsein.
„Kommt nicht in Frage! Ich verbrenne doch nicht meine ganzen Schuhe und Klamotten!”
„Und was willst du der Polizei erzählen? Die dürfte nach der heftigen Detonation längst auf dem Weg hier hin sein. Die werden dir sehr viele unangenehme Fragen stellen, ist dir das klar? Und die wollen mit Sicherheit eine plausible Erklärung, die es aber nicht gibt.”
„Gar nichts erkläre ich denen! Das machst gefälligst du! Schließlich hast du mir den ganzen Ärger eingebrockt. Lass dir was einfallen! Du bist doch so schlau! Ach ja, und ich hoffe du bist gut versichert.”
„Charlet, wir brennen die Bude jetzt nieder. Wenn ich Recht überlege, ist das der einzige Weg, um dem größten Ärger aus dem Weg zu gehen.”
„Hey! Das sind immerhin noch meine Wohnung und mein Leben. Und darüber bestimme ausschließlich ich. Nur weil du es bequem findest, werde ich mich nicht wie Osama Bin Laden für den Rest meines Lebens in irgendeiner Höhle abseits jeglicher Zivilisation verkriechen.”
„Uns fällt schon noch was ein, wie wir dich wieder in die Gesellschaft integrieren.”
„Uns!? Das höre ich jetzt wohl ständig. Wir sind kein Ehepaar. Wir sind nicht mal Freunde. Wenn ich es mir so richtig überlege, hasse ich dich mittlerweile schon fast wieder genauso wie zu Anfang.”
„Denkst du wirklich so?”
„Lese doch meine Gedanken!”

Das kann ich nicht mehr, seit du das Blut von Viktor getrunken hast.

Er hatte nicht den Mund bewegt. Das bedeutete...
„Ha, aber ich kann jetzt deine Gedanken lesen!”
Sie hat es gemerkt. Oh Gott, jetzt wird alles noch viel komplizierter.
„Ja mein Lieber. Jetzt ist Schluss mit der Geheimniskrämerei.”
„Charlet! Wir sollten...”

Eine Armada, sich dem Block annähernder Polizeisirenen, ließen Henry im Satz verstummen. Aber auch mich brachten sie aus dem Konzept.
„Charlet, gib endlich dein OK und lass uns dann verschwinden!”
„Und wohin?”
„Das besprechen wir unterwegs.”
„Und meine Schuhe?”
„Ich kaufe dir neue!”
„Nein, ich muss wenigstens die Manolos retten. Du pack dir in der Zeit den Behälter mit dem Kalium aus dem Elementen-Setzkasten und kipp ihn zusammen mit genügend Toilettenpapier in die Toilette.”
„Was soll ich machen?” “Das Kalium zusammen mit viel Papier ins Wasser der Toilettenschüssel werfen. So schwer ist das doch nicht!”
„Und was dann?”
„Dann macht es bumm, und es brennt. Halt!!!”
„Was denn nun noch?”
„Der kleine Wolf! Zuerst muss der Wolf aus dem Bad. Wickel ihn in ein Handtuch ein. Er darf die Dämpfe aus der Wohnung nicht einatmen. Und tu ihm nicht weh, hörst du!
Danach erst das Kalium. Aber geh nicht zu nah ran, wenn du es ins Wasser wirfst, sonst kannst du Viktor Gesellschaft leisten.”
„Und was machst du in der Zeit?”
„Ich such meine Schuhe zusammen.”
Schuhe suchen, dachte Henry abfällig, als gäbe es nichts Wichtigeres. Warum sind Frauen nur so kompliziert!
„Ich höre dich Henry, denk daran!”
Wie ich es genoss!
Kein Mann war mehr vor mir sicher. Warum nur hatte ich erst jetzt diese Fähigkeit erhalten, wo ich nach so vielen Rückschlägen kaum noch Interesse an der Männerwelt verspürte?

Henry erledigte die ihm von mir gestellten Aufgaben erstaunlich gut – das muss man ihm lassen –, während ich die zwei Koffer, die ich besaß, mit den notdürftigsten Utensilien füllte – 20 Paar Schuhe, fünf Paar Kostüme und mehre Kleider.
Während sich die Flammen aufgrund der unzähligen Brandbeschleuniger in meiner Wohnung rasch über die oberste Etage des Gebäudes ausbreiteten, flohen Henry und ich vom Rauch verfolgt durch das Treppenhaus auf die Straße, wo uns eine gaffende Menschenmenge empfing. Sensationslüstern warteten die Schaulustigen auf das Eintreffen des Aufgebots an Polizei, Kampfmittelräumdienst und Feuerwehr. Der Andrang war ähnlich groß wie beim roten Teppich – kein Wunder bei dem Feuerwerk. Nur waren wir keine Stars, sondern die, auf die man mit erhobenem Finger zeigte. Auch den Alt-Nazi aus dem zweiten Stock sah ich in der Menge. Er war der einzige, der mich erkannte und seinen braunen Schmutz nicht nur dachte. Er schrie ihn lauthals hinaus. Was genau er uns nachrief als Henry und ich in die Dunkelheit der Straße liefen, werde ich aus Pietätsgründen hier nicht erwähnen. Nur so viel: Er schwang seine Reichskriegsflagge dabei und hatte den rechten Arm in einem steilen Winkel erhoben.
 

Thuda Dragon

Admin in Pension
Teammitglied
AW: Moin Moin

Viel Spaß und herzlich Willkommen beim mithören und mitlesen! :)
 

Paul

Wertentwender
Sprechprobe
Link
AW: Moin Moin

Auch von mir ein verspätetes Willkommen! :laechel:
 
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