Matze

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[FONT=arial, sans-serif]Indem Lee Gi-Hyung die Wiedervereinigung Korea beschwört, verausgabt er sich im Suchen des Gesagten, der sich erschöpft hat am tosenden Lärm der Welt. Die wahre Tragödie ist es, keinen Ort zu haben als im Wort, in der selbst erschaffenen Sprache, und diesen einzigen Ort zu verlieren noch vor dem physischen Tod, verstummt oder vergessen zu sein. Dieser Lyriker beschwört die Verschwundenen und Seelenverwundeten der koreanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, er sucht die Vergessenen und die Unvergessenen, die von den Geliebten Verlassenen und die von allen guten Geistern liegengelassenen. Er hantiert mit verschiedenen Wahrheiten und Irrtümern der Geschichte. Die Beschleunigung der Lebenszyklen macht unkenntlich, was aus der Zeitperspektive der Jugend noch als Gewinn verbucht werden konnte: sich zum Auge der Welt machen, alles Lebendige dem Bewußtsein einverleiben, das Sammeln und Horten von zerebralen Schnappschüssen. Lee Gi-Hyung sucht in seiner Dichtung jene, die nicht gefunden werden wollen und jene, die auf nichts Anderes hoffen; er sucht sie an den Rändern der Geschichte. Doch dieser Lyriker sucht weiter, sucht zwischen den Zeilen und den Augenblicken. Und er sucht dabei auch sich selbst, weil er gar nicht anders kann, weil die Gedanken nicht stehen bleiben können, weil er im Stillstand nicht stehen bleiben kann, sondern nur in der Stille. Dieser Lyriker hat den Worten ihren Herzschlag abgehört hat, bevor er sie in jene Welt schickte, die ihn in der Stille des Überhörten zurückließ. Geschenkte und verlorene Zeit sind kaum noch auseinanderzuhalten, wenn sie zu Metaphern der Leere werden. Lee Gi-Hyung schlägt in dieser eingenordeten Welt immer in die gegensätzliche Richtung aus. Er ist jemand, der steht, wenn die anderen sich niederlassen und hocken bleiben auf ihren vier Buchstaben. Dieser Dichter sucht das Unsichtbare im Offensichtlichen, macht sich die Wahrheit unbequem, er sucht nicht nur, um zu finden, sondern findet, um zu suchen. Und nie würde Lee Gi-Hyung die Hoffnung aufgeben.

»Wann ist der Mensch am stärksten?« von Lee Gi-Hyung, übersetzt von Chei Woon-Jung, erschienen im Verlag von Michael Glambeck, Erkrath 2009
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