Poldi

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Letzter Mann im Turm

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Erster Eindruck: Wie weit gehen Menschen für Geld?

Am Rande eines Slums im Norden von Mumbai ragt ein Wohnturm in die Höhe, dessen Bewohner der Mittelklasse angehören und ein beschauliches und ruhiges Leben inmitten des krassen Gegensatzes aus arm und reich führen. Bis ein windiger Immobilienmakler alles ein unmoralisches Angebot macht: Für einen hohen Betrag will er ihnen die Wohnungen abkaufen, um dort eine luxuriöse Wohnanlage zu bauen. Alle stimmen zu – bis auf einen alten Mann...

Aravind Adiga ist ein indischer Schriftsteller, und die für uns ebenso fremde wie faszinierende Kultur bringt er der westlichen Welt in seinen preisgekrönten Romanen näher. Sein neuestes Werk heißt „Letzter Mann im Turm“ und ist als Hörbuch beim Audio Verlag erschienen. Auch hier stellt er in lebendigen Worten die Situation der Mega-City Mumbai dar, die geprägt von ärmlichsten Slums und reichen, machtgierigen Männern ist. Diese intensiven Beschreibungen bilden den Grundstock, den Hintergrund der Geschichte, doch die Handlung an sich könnte ohne Probleme auch in jeder anderen Stadt passieren, denn es geht um die Frage, wie weit man in Geldgier gehen würde. Der Mikrokosmos des Hochhauses mit seinen Bewohnern teilt sich aufgrund des Angebotes des Maklers langsam in zwei Teile, diejenigen, die das Geld annehmen wollen und diejenigen, die ablehnen – nur, dass dieser zweite Teil nur aus einem moralisch integeren Mann besteht. Er ist keinesfalls der strahlende Held, sondern wird in seinem Starrsinn sehr menschlich dargestellt, und gerade das macht die Handlung so glaubwürdig und erlebbar. Die Entwicklung der restlichen Hausbewohner, die von verstecktem Ärger zu offenem Hass wechseln, ist der interessante Knackpunkt der Geschichte und stellt jeden Hörer vor die Frage, wie er selbst handeln würde. Die bildhafte und sehr schlichte Sprache transportiert dabei ganze Gefühlswelten und geht sehr genau auf das soziale Umfeld und die Charakterstrukturen der einzelnen Rollen ein. Ein wahres Ausnahmebuch, das gerade wegen seiner Außergewöhnlichkeit punkten kann.

Sprecher Sebastian Kowski bleibt überraschend neutral und stellt sich keineswegs auf die Seite des alten Maestrijs, sondern schildert teilweise fast schon nüchtern die Ereignisse – die so noch mehr für sich sprechen. So gibt er dem Hörer die Möglichkeit, selbst zu urteilen und zwingt sie geradezu, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Seine etwas knarzige Stimme ist dabei sehr lebendig und einprägsam, stellt die Ereignisse eindringlich dar und greift auch die Zunahme der Brisanz auf.

Selbstverständlich ist das Cover der Buchvorlage übernommen, der orangefarbene Hintergrund, der zur Mitte hin immer heller wird, lässt dem abstrakten Motiv Raum zum Wirken. Zu sehen ist der Schriftzug von Autor und Titel, einzelne Buchstaben bilden dabei einen Turm. Ebenso schlicht ist die restliche Aufmachung, ein einzelnes Foto lockert das Orange auf und findet seinen Platz hinter einer der CDs. Als Bonustrack ist auf der letzten CD ein interessantes Interview mit Übersetzer Ilja Trojanow zu hören.

Fazit: Ein intensiver und ebenso gesellschaftskritischer wie unterhaltsamer Roman, außergewöhnlich vorgetragen und ein rundum gelungenes Werk.

VÖ: 16.September 2011
Label: Der Audio Verlag
Bestellnummer: 978-3-86231-132-3
 
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