Poldi

Mitglied
Jugend ohne Gott

jugendohnegott.jpg


Erster Eindruck: Einprägsames Drama in einer Schulklasse

In der Zeit, in der Hitler gerade die Macht ergreift, äußert sich ein Lehrer im Unterricht gegen nationalsozialistisches Gedankengut. Seine Schüler und deren Eltern plädieren für seinen Austausch, der Direktor jedoch steht zu ihm und schickt ihn mit in ein Zeltlager, in der die Jungen auf den Militärdienst vorbereitet werden sollen. Doch eines Tages wird einer der Schüler tot aufgefunden...

Der dritte Roman von Ödön von Horváth mit dem Titel „Jugend ohne Gott“ aus dem Jahr 1937 wurde 2013 vom WDR als Radiohörspiel umgesetzt, noch einige Zeit später ist es beim Hörverlag auch als Kaufversion erschienen. Und dabei wird gleich Vielfältiges geboten: Ein Stück Zeitgeschichte, ein klares Statement gegen Rechtsradikalismus, ein Kriminalfall und dazwischen zahlreiche philosophische Gedankengänge. So kurios diese Mischung auch klingen mag, so wunderbar verflechten sich die einzelnen Elementen im Laufe der Handlung zu einem sehr ansprechenden Ganzen. Erzählt wird aus der Sicht eines Lehrers, dessen Namen ebenso wie die aller anderen Charaktere nicht genannt wird. Doch während sein Charakter deutlich zur Geltung kommt, verschwinden andere in der gesichtslosen Masse, gleichen sich dem nationalsozialistischen Gedankengut an. Der sich anschließende Mord im Zeltlager bringt dann noch ganz andere Facetten mit ein, zeigt interessante Charaktere und stellt auch den Lehrer in ein anderes Licht. Die Kürzung des Romans ist gut gelungen und erhält trotz des Wegfalls einiger prägnanter Szenen sein Wesen und seine Aussagekraft. Ein in seiner Botschaft kraftvolles Hörspiel, sehr gelungen in Szene gesetzt und trotz der eher ruhigen Ausstrahlung sehr unterhaltsam. Sehr hörenswert!

Matthias Bundschuh ist in der Rolle des Lehrers zu hören und übernimmt neben den Dialoge auch eine Art Erzählerfunktion und innere Monologe, was er mit sehr eindringlicher Betonung und treffender Charakterdarstellung gelingt. Durch ihn gewinnt das Hörspiel viel an Kraft und Lebendigkeit. Jean Paul Baeck ist als Schüler N zu hören und kann dessen recht komplexe Gefühlswelt sehr gelungen darstellen und ihn so facettenreich beleuchten. Sehr ausdrucksstark spricht Daniel Rotaug als Schüler Z, der gerade gegen Ende eine sehr imposante Leistung hinlegt. Weitere Sprecher sind Lucie Heinze, Wolf Aniol und Josef Tratnik.

Das Hörspiel konzentriert sich sehr auf die Dialoge, die Sprachaufnahmen stehen zu jeder Zeit im Vordergrund. Diese sind technisch sehr hochwertig aufgenommen worden und bieten einen sehr klaren Klang. Durch den Verzicht auf Musik und Geräusche entsteht eine ruhige, fast schon spröde Atmosphäre, die durch die sehr fähigen Sprechern geprägt wird.

Wie fast immer bei dem Hörverlag ist die Hörspiel-CD in einem sehr ansehnlich gestalteten Digipack untergebracht, dessen Titelbild von einem jungen Mann in einem schlichten Anzug geprägt ist. Die schlichten Lettern stehen hier jedoch im Vordergrund. Auch das Innere ist sehr strukturiert aufgebaut, die Fotos zweier Sprecher sind dabei auf der Rückseite abgedruckt.

Fazit: Die Geschichte um den Lehrer und seine Schulklasse ist sehr eindringlich erzählt worden und enthält zahlreiche sehr gelungene Elemente, die bestens ineinander greifen. Die hervorragende Charakterdarstellung und die intensive Aussagekraft der Handlung machen „Jugend ohne Gott“ zu seinem sehr hörenswerten Radiohörspiel.

VÖ: 27.April 2015
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-1576-3
 
Oben