Poldi
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Jacobs Zimmer (Virginia Woolf)
Erster Eindruck: Moderne Umsetzung des experimentellen Romans
Jacob Flanders, den man schon als Kind bei einem Familienurlaub mit seiner Mutter kennenlernt, bricht als junger Mann sein Studium an der Universität von Camebridge ab und flüchtet sich aus dem modernen Leben immer mehr in die Geschichten der griechischen Mythologie. Doch als der erste Weltkrieg ausbricht, holt ihn die Realität schnell wieder ein…
Virginia Woolf hat mit zahlreichen Romanen für Aufsehen gesorgt, ihre experimentellen Romane gelten als Kernstück ihres Schaffens. Dazu gehört auch „Jacobs Zimmer“, der nun auch vom Bayrischen Rundfunk als Hörspiel vertont wurde - 91 Jahre nach seinem Erscheinen. Beim Hörverlag ist die entsprechende Version auf 4 CDs erhältlich. Die Geschichte wirkt collagenhaft, einzelne Szenen, teilweise ohne nennenswerten Zusammenhang, werden hier aneinandergereiht, um so einen ungewöhnlichen, aber sehr intensiven Einblick in das Leben von Jacob gewährt. Die verschiedenen Stationen seines Lebens werden hier beleuchtet, einige ausführlich und genau, andere nur wie nebenbei. Besonders interessant ist dabei, dass nie aus der Sicht von Jacob selbst erzählt wird, sondern stets ein Blick von außen auf ihn geworfen wird. Er wird also nur von außen in seiner Wirkung auf andere charakterisiert, die Spuren, die er im Leben von anderen hinterlässt, nachgezeichnet. Seine Flucht in seine eigene, selbstgeschaffene Welt und deren Zerstörung durch den Krieg sind das Herzstück dieser Erzählung, die Einbindung der Geschichten aus der antiken Welt und die Erzählungen aus Kindheit und Jugend bilden dazu einen teilweise krassen Kontrast. Doch man braucht schon einiges an Aufmerksamkeit, um sich wirklich in „Jacobs Zimmer“ einzufinden. Die collagenartige Zusammensetzung ist nicht ganz so leicht zu durchdringen, immer wieder muss man sich auf andere Situationen einstellen – zumal ein wirklicher roter Faden, eine Haupthandlung, an der man sich entlanghangeln kann, nicht erkennbar ist. Hier muss aber die Übersetzung und Hörspielbearbeitung von Gaby Hartel gelobt werden, die es dem Hörer deutlich erleichtert, dieses komplexe Gebilde zu durchdringen. Ein anspruchsvolles Hörspiel, sehr ernst und eindringlich gehalten, aber es lohnt sich, Jacob durch sein Leben zu begleiten und den verschiedenen Stationen zu lauschen.
Die Vielzahl an Sprechern ist beeindruckend, um nur einige Namen zu nennen seien Andrea Wnzl, Sylvana Krappatsch und Stefan Merki erwähnt. Zwar hat Jacob gleich zwei Stimmen verpasst bekommen, Benedikt Lückenhaus als junger, Johannes Zirner als etwas älterer Jacob, doch beide haben recht wenig Text, da immer eher ein Blick auf ihn geworfen wird. Dennoch können beide mit einem glaubwürdigen und interessanten Spiel überzeugen. Im Mittelpunkt stehen hier insbesondere die gleich drei Erzähler, die sich immer wieder gegenseitig abwechseln. Dies sind Friedholm Ptok, Britta Hammelstein und Wiebke Puls, die sehr eindringlich und intensiv auf die verschiedenen Szenen eingehen und die jeweilige Stimmung einfangen können.
Musikalisch wurde das Hörspiel behutsam, aber konsequent umgesetzt. Stets ordnen sich die Melodien dem gesprochenen Wort unter, sind aber steter Begleiter und trennen nicht nur die Szenen voneinander, sondern schaffen auch verschiedene Atmosphären. Die Geräuschkulisse ist sehr treffend und ausschweifend, sodass der Hörer schneller die jeweilige Situation einordnen kann.
Ein besonderes Hörspiel, wie Jacobs Zimmer es ist, verdient auch ein besonderes Cover. Dieses wurde hier aus einem beigefarbenen Hintergrund und verschiedenfarbigen, breiten Balken geschaffen, die aussehen, als seien sie mit einem breiten Pinsel gemalt worden. Gerade durch diese Schlichtheit wirkt das Cover so beeindruckend. Interessant ist, dass hier dem Namen der Autorin deutlich mehr Raum gewährt wurde als dem Titel des Hörspiels. Das Booklet hält zahlreiche Informationen zu verschiedenen Mitwirkenden bereit.
Fazit: Durch seine collagenhafte Zusammensetzung ein sehr anspruchsvolles, aber eben auch sehr außergewöhnliches und hörenswertes Hörspiel. Zahlreiche interessante Aspekte ergänzen sich hier bestens, die Umsetzung ist durchdacht, die Produktion professionell. Hier muss man sich Zeit nehmen, wird dann aber mit einem spannenden Hörerlebnis belohnt.
VÖ: 15.Juli 2013
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-1119-2
Erster Eindruck: Moderne Umsetzung des experimentellen Romans
Jacob Flanders, den man schon als Kind bei einem Familienurlaub mit seiner Mutter kennenlernt, bricht als junger Mann sein Studium an der Universität von Camebridge ab und flüchtet sich aus dem modernen Leben immer mehr in die Geschichten der griechischen Mythologie. Doch als der erste Weltkrieg ausbricht, holt ihn die Realität schnell wieder ein…
Virginia Woolf hat mit zahlreichen Romanen für Aufsehen gesorgt, ihre experimentellen Romane gelten als Kernstück ihres Schaffens. Dazu gehört auch „Jacobs Zimmer“, der nun auch vom Bayrischen Rundfunk als Hörspiel vertont wurde - 91 Jahre nach seinem Erscheinen. Beim Hörverlag ist die entsprechende Version auf 4 CDs erhältlich. Die Geschichte wirkt collagenhaft, einzelne Szenen, teilweise ohne nennenswerten Zusammenhang, werden hier aneinandergereiht, um so einen ungewöhnlichen, aber sehr intensiven Einblick in das Leben von Jacob gewährt. Die verschiedenen Stationen seines Lebens werden hier beleuchtet, einige ausführlich und genau, andere nur wie nebenbei. Besonders interessant ist dabei, dass nie aus der Sicht von Jacob selbst erzählt wird, sondern stets ein Blick von außen auf ihn geworfen wird. Er wird also nur von außen in seiner Wirkung auf andere charakterisiert, die Spuren, die er im Leben von anderen hinterlässt, nachgezeichnet. Seine Flucht in seine eigene, selbstgeschaffene Welt und deren Zerstörung durch den Krieg sind das Herzstück dieser Erzählung, die Einbindung der Geschichten aus der antiken Welt und die Erzählungen aus Kindheit und Jugend bilden dazu einen teilweise krassen Kontrast. Doch man braucht schon einiges an Aufmerksamkeit, um sich wirklich in „Jacobs Zimmer“ einzufinden. Die collagenartige Zusammensetzung ist nicht ganz so leicht zu durchdringen, immer wieder muss man sich auf andere Situationen einstellen – zumal ein wirklicher roter Faden, eine Haupthandlung, an der man sich entlanghangeln kann, nicht erkennbar ist. Hier muss aber die Übersetzung und Hörspielbearbeitung von Gaby Hartel gelobt werden, die es dem Hörer deutlich erleichtert, dieses komplexe Gebilde zu durchdringen. Ein anspruchsvolles Hörspiel, sehr ernst und eindringlich gehalten, aber es lohnt sich, Jacob durch sein Leben zu begleiten und den verschiedenen Stationen zu lauschen.
Die Vielzahl an Sprechern ist beeindruckend, um nur einige Namen zu nennen seien Andrea Wnzl, Sylvana Krappatsch und Stefan Merki erwähnt. Zwar hat Jacob gleich zwei Stimmen verpasst bekommen, Benedikt Lückenhaus als junger, Johannes Zirner als etwas älterer Jacob, doch beide haben recht wenig Text, da immer eher ein Blick auf ihn geworfen wird. Dennoch können beide mit einem glaubwürdigen und interessanten Spiel überzeugen. Im Mittelpunkt stehen hier insbesondere die gleich drei Erzähler, die sich immer wieder gegenseitig abwechseln. Dies sind Friedholm Ptok, Britta Hammelstein und Wiebke Puls, die sehr eindringlich und intensiv auf die verschiedenen Szenen eingehen und die jeweilige Stimmung einfangen können.
Musikalisch wurde das Hörspiel behutsam, aber konsequent umgesetzt. Stets ordnen sich die Melodien dem gesprochenen Wort unter, sind aber steter Begleiter und trennen nicht nur die Szenen voneinander, sondern schaffen auch verschiedene Atmosphären. Die Geräuschkulisse ist sehr treffend und ausschweifend, sodass der Hörer schneller die jeweilige Situation einordnen kann.
Ein besonderes Hörspiel, wie Jacobs Zimmer es ist, verdient auch ein besonderes Cover. Dieses wurde hier aus einem beigefarbenen Hintergrund und verschiedenfarbigen, breiten Balken geschaffen, die aussehen, als seien sie mit einem breiten Pinsel gemalt worden. Gerade durch diese Schlichtheit wirkt das Cover so beeindruckend. Interessant ist, dass hier dem Namen der Autorin deutlich mehr Raum gewährt wurde als dem Titel des Hörspiels. Das Booklet hält zahlreiche Informationen zu verschiedenen Mitwirkenden bereit.
Fazit: Durch seine collagenhafte Zusammensetzung ein sehr anspruchsvolles, aber eben auch sehr außergewöhnliches und hörenswertes Hörspiel. Zahlreiche interessante Aspekte ergänzen sich hier bestens, die Umsetzung ist durchdacht, die Produktion professionell. Hier muss man sich Zeit nehmen, wird dann aber mit einem spannenden Hörerlebnis belohnt.
VÖ: 15.Juli 2013
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-1119-2