Poldi

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Gruselkabinett - 36. Das Bildnis des Dorian Gray -1-

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Erster Eindruck: Skandalroman des 19. Jahrhunderts

Fasziniert von und verliebt in den jungen, bildhübschen Dorian Gray fertigt der erfolgreiche Maler Basil Hallward ein Portrait von ihm an. Dorian ist so begeisterst von dem Bildnis, dass er sich wünscht, für immer seine jugendhafte Schönheit zu bewahren. Auch ein Freund von Basil, Lord Henry Wotton, ist fasziniert von dem jungen Adonis und versucht, ihm seine verdorbene Lebensphilosophie näher zu bringen...

"Das Bildnis des Dorian Gray" ist der einzige Roman des irischen Schriftstellers Oscar Wilde und wurde als Zweiteiler in das Gruselkabinett von Titania Medien aufgenommen. In diesem ersten Teil lassen sich nur wenige Elemente der Schauerromantik wiederfinden, die ja das Bild der Serie dominieren. Vielmehr ist sie ein Ausblick in die Abgründe des Menschen, die die vorherrschende Moral im späten 19. Jahrhundert in Frage stellt und bereitet natürlich auch auf den zweiten Teil vor. Eine etwas andere Folge der Serie also, die oftmals eher dramatische Züge hat. Trotzdem (oder gerade deshalb?) kann der Roman in der Reihe bestehen, denn das ungezügelte Verlangen von Henry Wotton und Basil Hallward nach Dorian Gray scheint unweigerlich auf eine große Katastrophe zuzusteuern. Zudem wird ersichtlich, warum die Vorlage zur Zeit der Veröffentlichung als Skandal-Roman galt, denn die unverhohlene Kritik an der englischen Oberschicht und die vielen angedeuteten Hinweise auf die Homosexualität der drei Hauptpersonen waren damals nicht gern gehörte Themen. Atmosphärisch wie immer und mit ungewöhnlichem Ausgangsstoff geht diese Folge andere Wege als ihre Vorgänger und hat mich dabei sehr überzeugt.

Kaum muss noch bei Titania Medien erwähnt werden, wie treffend die Sprecherauswahl geglückt ist. Als Basil Hallward ist Axel Malzacher zu hören, der den passionierten Maler mit unüberhörbarer Leidenschaft in der Stimme darstellt. Auch Tom Vogt ist als Lord Henry Wotton hervorragend besetzt und stellt den kompromisslosen Dandy mit dynamischer Sprechweise dar. Als Lady Agatha ist in dieser Folge die phantastishe Regina Lemnitz zu hören, die die Dekadenz der Oberschicht mit Humor zu nehmen weiß. Weitere Sprecher sind Dagmar von Kurmin, Lutz Mackensy und Cathlen Gawlich.

Die ausgewählte Musik ist wieder pefekt auf die Romanhandlung zugeschnitten und schmückt diese mit der unvergleichlichen Atmosphäre der Serie aus. Das ist besonders bemerkenswert, da hier nicht eigens Musik komponiert wurde, sondern aus bereits existierenden Werken die schaurige, romantische Stimmung entsteht.

Das Erschaffen des Portaits ist nicht nur der zentrale Ausgangspunkt für die Handlung, sondern ebenfalls das ausgewählte Covermotiv. In detailreichem Stil bekommen wir so einen optischen Eindruck des Schönlings, welches wieder sehr gut zu der restlichen Gestaltung passt.

Fazit: Dieser erste Teil wird nicht von Schauerelementen, sondern von einem beginnenden menschlichen Abgrund bestimmt. Eine außergewöhnliche, aber sehr überzeugende Folge.
 
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