Poldi

Mitglied
Gruselkabinett – 87. Alraune

gk-87.jpg


Erster Eindruck: Femme Fatal im Mädchenkörper

Die Mythen, die sich um die Alraunenwurzel ranken, faszinieren eine kleine Gruppe um den Geheimrat Jakob den Brinken. Sie beschließen, selbst eine Alraune zu züchten und befruchten eine Prostituierte mit dem Samen eines gehängten Mörders. Frank Braun, ein junger Mann, wendet sich kurz nach diesem Ereignis von der Gruppe ab und bereut sein Handeln. Jahre später sollte er aus einem Buch erfahren, wie das Leben der Alraune verlaufen ist…

Oft suchen Stephan Bosenius und Marc Gruppe für ihr Gruselkabinett in der Ferne nach passenden Geschichten, mit „Alraune“ ist aber nun die Vorlage eines deutschen Autoren vertont worden: Hanns Heinz Ewers. In dieser geht es um das merkwürdige titelgebende Geschöpf, von der ersten Idee der unnatürlichen Zeugung bis zu deren Ende wird ihr Lebensweg verfolgt – und dabei eine sehr dichte, fast schon greifbare Stimmung erzeugt. Schon die oben beschriebene Szene sorgt dabei für wohlige Schauer und offenbart die Skrupellosigkeit der kleinen Gruppe, rein aus Profitgier und Neugierde schrecken sie vor kaum etwas zurück. Richtig interessant wird es dann natürlich mit der Geburt von Alraune, ihre unheilvolle Macht, die sie auf Menschen ausübt, steht ab dort im Mittelpunkt. Einige Todesfälle werden beschrieben, bei anderen darf man Zeuge sein, wie Alraune die Schicksale herbeigeführt hat. Machtvoll und kühl, aber körperlich eher zerbrechlich wird die dargestellt und erhält dabei eine sehr mystische Aura. Und trotz ihrer erschreckenden Taten kann sich auch der Hörer ihrem Bann kaum entziehen und ist ebenso fasziniert von der heranwachsenden jungen Frau. Umrankt wird dieser sehr konsequente Erzählstrang von einigen sehr interessanten Charakteren. So wird einer wichtigen Rolle der Hang zu sexuellen Kontakten mit Kindern zugesprochen, was allein in seiner Andeutung schrecklich genug ist und hier nicht zu sehr ausgeschlachtet wird, sondern im genau richtigen Maß Anklang findet. Auch Leidenschaft, Depressionen und tiefe Verzweiflung werden thematisiert, und alles läuft auf Alraunes Wirken hinaus. Beeindruckend, wie diese Figur dargestellt wird, wie innig sich alles miteinander verbindet und wie tief man in die Handlung eintauchen kann. Eine herausragende Produktion, und auch in der sehr guten Serie eines der Highlights!

Nach der sehr geringen Sprecheranzahl im direkten Vorgänger sind hier 18 Sprecher zu hören, die allesamt die Geschichte zum Leben erwecken können, jede noch so kleine Nebenrolle wurde mit einem passenden Sprecher besetzt. Im Mittelpunkt steht dabei natürlich Alraune, die von Sabine Bohlmann gesprochen wird. Ihre zarte, sehr besondere Stimmung nimmt hier einen sehr kühlen Ausdruck an, nachdrücklich und doch sanft. So kann sie das faszinierende Geschöpf sehr lebendig gestaltet und mit ausdrucksstarken Attributen versehen. Frank Braun, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, wird von Johannes Raspe gesprochen, der auch in längeren Erzählpassagen die Spannung aufrecht hält und im späteren Verlauf sehr aktiv in die Handlung eingreift, auch hier hinterlässt er einen sehr positiven Eindruck. Hans Bayer kann mit seiner dunklen Stimme die Rolle des Jakob ten Brinken sehr eindringlich schildern und lässt auch deren seelische Abgründe nicht aus. Weitere Sprecher sind Liane Rudolph, Gabrielle Pietermann und Bene Gutjan.

Wieder wurde vom Produzententeam eine einzigartige, dichte Atmosphäre geschaffen, die typisch für das Gruselkabinett ist. Der leise Grusel wird hier durch sanfte Melodien unterstützt, die die Stimmung eher aus dem Hintergrund beeinflussen und nur an einigen besonders dramatischen Szenen forsch in den Vordergrund treten. Auch die Geräusche sind wieder passgenau eingefügt und können die Wirkung einiger Handlungen unterstützen.

Natürlich ist Alraune auf dem Cover dargestellt, sie ist eine blasse junge Frau in weißem Kleid und mit pechschwarzem Pagenschnitt, die elegant auf einem Sofa sitzt und den Betrachter ernst und eindringlich anzusehen scheint. Sie sticht aus dem dunkelvioletten Hintergrund hervor, während noch zwei kleine Szenen aus dem Hörspiel eingebaut sind, die die Schicksale der beiden leiblichen Eltern Alraunes thematisieren. Ein sehr ansprechendes Cover.

Fazit: Trotz seiner insgesamt eher ruhigeren Ausstrahlung ist der Hörer von dieser beeindruckenden Geschichte sofort gefesselt. Begierde und Macht, Abhängigkeit und menschliche Kälte, all das wird thematisiert und an die geheimnisvolle Gestalt der Alraune geknüpft. Diese steht schillernd im Mittelpunkt und übt eine große Faszination aus. Ein exzellentes Hörspiel, das zu den Besten de Reihe gehört.

VÖ: 15.April 2014
Label: Titania Medien
Bestellnummer: 978-3-7857-4966-1
 
Oben