AW: Geht´s noch???
Was erwartet Ihr ? Der deutschsprachige Raum wickelt seit den 70er Jahren kontinuierlich die weltweit (in diesem Ausmaß) einzigartige Errungenschaft eines D/AUT/CH weiten und aus der Öffentlichen Hand subventionierten Kulturlebens ab und verschiebt die Akzente:
- vom Land in die Städte
- von der inhaltlichen künstlerischen Leitung mit gesellschaftspolitischer Dimension hin zum reinen und quotengebundenen Eventmanagement ohne jede Haltung, Prinzip "Sex Sells"
- vom Kulturauftrag als gesellschaftliche Qualität an und für sich hin zum breitenwirksamen und eher industrieträchtigen Wirtschaftsfaktor.
- von einer Daseinsdimension, die alle etwas angeht, egal ob Produzent oder Konsument hin zur reinen Privatsache eines jeden Individuums, dass so zum manipulierten Quotenvieh auf dem Marktplatz degradiert wird.
Natürlich können wir dem romantischen Bild vom Off, also vom David gegen den Goliath Konzern anhangen - aber, bitteschön: das ist der Kapitalismus. Wir alle verantworten diese Welt mit, in der jeder so schnell wie möglich glaubt, das Stückchen Sahnetorte auf dem Buffet der markttüchtig angepriesenen FastShoot leckereien abkriegen zu müssen.
Schauspieler und erst recht Sprecher müssen sich in unserer Welt damit abfinden, dass die Qualität ihrer Arbeit und ihres Könnens ständig (heute mehr denn je) einem Markt ausgesetzt ist, der sie nicht schützt sondern preisgibt - und zwar nach dem Motto: wer kanns billiger. Diese Art der Wahrnehmung unserer "Talente" wird populär gemacht, so das sich gut ausgebildete und langjährig erfahrene Künstler eigentlich dauernd für Deppen (sofern sie kein inneres Lot mehr haben) halten müssten, wenn sie sich ständig vergleichen würden mit all denen, die links und rechts von ihnen ( und nicht ohne Penetranz ) glauben, weil sie einen Satz geradeaus sagen können, sich Sprecher - und wenn sie einmal ihren Rüssel vor die Kamera gehalten haben, sich Schauspieler nennen zu können. Und davon gibt es enorm viele...
Insofern findet sowieso nur noch ein rudimentärer Diskurs über die Frage "was ist Kunst und wie entsteht sie eigentlich ? " statt - der Hintergrund ist nämlich diffus, illusionär und vor allem - inflationär.
Wenn jetzt ein großer Megamedienkonzern mit einer kleinen Anwältelegion versucht einen Pflock einzuschlagen, dann ist die Erwägung, ob es sich beim Synchronsprechen um eine künstlerische Ausübung handelt (was immerhin ein interessantes und umstreitbares Thema wäre) kein bisschen inhaltlich zu verstehen, sondern nur juristisch im Sinne der Geschäftsinteressen.
Die Frage nach der Macht, von der Nathan spricht, ist genau der Hebel, den Disney und Co. garnicht erst in Bewegung sehen wollen - noch lange vor jeglicher "Machtprobe" - deswegen wurden und werden auch Spitzensynchronsprecher, die mal die Klappe etwas weit auf gemacht haben, einfach - nicht mehr engagiert und landen u.U. ganz flott im Hartz. Dann sind sie quasi von einem Moment auf den anderen mundtot und wirkungslos.
Man möchte fast wieder Brecht spielen, denn die Frage, die sich aufdrängt, ist doch auch die nach der Solidarität zwischen Auftraggebern und den von ihnen beauftragten "Künstlern". Aber was das anbelangt, sind wir eher wieder zwischen Mittelalter und Rennaisance unterwegs.
Also Kopf hoch und - kreative Solidarität im Forum üben - lieber kein Geld als auf seine Stimme verzichten, die ja manchmal auch aus einem Kopf zwischen zwei Schultern nach aussen dringt.