Miss Linn

Vom fahrenden Volk
Sprechprobe
Link
An manchen Tagen klingt die Stimme frei und klar, an manch anderen jedoch liegt da so ein dumpfer Schleier darüber, der sie kratzig, rauh, krächzend oder einfach nur belegt miss-tönen lässt.

Früher habe ich mich dann herzhaft geräuspert oder wild gehustet - bis mir (von Schauspielschülern) dringend geraten wurde, das sein zu lassen; es wäre böse strapaziöse für die Stimmbänder.

Seitdem singe ich, wie im Titel erwähnt, bevor ich Texte spreche. Ich singe Tonleitern und Lieder (nicht gut, aber laut) und tatsächlich habe ich das Gefühl, dass sich dadurch meine Stimme "reinigt". Hm.

Soweit ich weiß, ist es so oder so sinnvoll, sich vor dem Einsprechen gewissen Aufwärm-Übungen zu widmen. Aber welche?

Deswegen, liebe erfahrene SprecherInnen: Habt ihr spezielle Lieblings-Praktiken vor dem Sprechen? Praktiziert ihr überhaupt Stimm-Aufwärm-Übungen? Oder spricht der Großteil von euch einfach so drauflos?

Wie gesagt: ich singe. Aber da gibt es doch bestimmt Besseres?:)

(Natürlich gibt es Literatur zu dem Thema. Aber mich interessiert einfach, was sich bei euch Viel-und-oft-Sprechern in der Praxis bewährt hat!)
 

mica

Mitglied
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Hallo Miss Linn,

ich mache meist ein paar Lockerungsübungen, da ich leider dazu neige, meine Muskulatur, vor allem auch im Gesicht, anzuspannen.
Also ein paar Brrrrrr (Lip rolls nennen sich die), du weißt schon, so eine Art Schnauben - Mund lockern durch weites aufreißen und dann wieder ganz klein zusammenziehen, übertriebene Kaubewegungen und ähnliches, hauptsache, die Muskulatur bewegt sich. Bisschen massieren ist auch immer gut.

Dann Artikulationsübungen, so was wie Babada Bobodo bubudu oder p-t-k
Aber auch Stimme einmal hoch und runter führen, bei den ganz tiefen Tönen leicht aufs Brustbein klopfen, das löst auch gut den Schleim. Bei den hohen Tönen ein paar Mimimis oder Miumius ;)

Da ich auch Sängerin bin, mache ich auch oft ein paar kleine Gesangsübungen mit.

Natürlich immer ganz vorsichtig und behutsam rangehen, niemals drücken, pressen oder im Hals fest machen, sonst hat das Aufwärmprogramm womöglich eher einen gegenteiligen Effekt.

Nach diesem Programm klappts auf jeden Fall immer sehr viel besser mit dem Sprechen - manchmal hilft schon eine von diesen Übungen, wenn die Stimme gerade nicht so klingt wie sie soll.
 

Markus

Befahrener Ernutzer
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Liebe Miss Linn,
also unaufgewärmtes lautes singen schadet der Stimme mehr als Räuspern oder Husten! Die Stimmbänder sind auch Muskeln, die langsam aufgewärmt werden wollen, also leise anfangen und dann lauter werden. Im übrigen sind sie aber unglaublich zäh, und Stimmbandschäden kommen meist von falscher Sprechweise. Schleim auf den Stimmbändern ist ganz normal, und nicht weiter dramatisch. Aufwärmen fordert auch hier die Durchblutung, und deshalb arbeiten aufgewärmte Stimmbänder natürlich besser.
 

Erdie

Der düstere Herrscher
Sprechprobe
Link
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Es sind die Schleimhäute, die beweglich werden müssen um das Gefühl eine festen, zähen Stimme loszuwerden. Das geht am besten durch Singen leiser Töne mit viel Obertonsprektrum. Also ohne Druck und dem Gefühl einen fließenden Atemstroms. Dann werden die Schleimhäute weich und die Durchblutung gefördert ohne sie zu drangsalieren.
 

Miss Linn

Vom fahrenden Volk
Sprechprobe
Link
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Hi mica,

danke für die ausführliche Antwort.

Habe mir deine Sprechproben angehört und bin beeindruckt; sehr schöne Stimme hast du! Scheint sich also zu lohnen, sich gut um seine Stimmbänder zu kümmern und sie fleissig aufzuwärmen. :)

Kann gut sein, dass die "Gepresstheit", die ich oft am Anfang empfinde tatsächlich auch von allgemeiner Angespanntheit herrührt... muss ich mal weiter beobachten...

Hi Markus,
du hast natürlich recht; ich brülle auch nicht von Anfang drauf los, auch wenn es vielleicht so klang...;)
Kannst du mir vielleicht erklären, was genau eine falsche Sprechweise bedeutet (die sich schädlich auswirkt) ?
Interesiert mich!

Hi Erdie,
Obertöne erzeugt man doch durch entspannte Töne und gleichzeitiges Mund-Öffnen-und-Schließen, oder?

Ach, und wahrscheinlich ist allgemeine Wärme und Entspanntheit sowieso gut?
 

Jamie

Jamie Leaves
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Vielen Dank für diesen Beitrag! Das mit dem Apfel werde ich mal ausprobieren, denn bei mir ist der Stimmansatz von Tag zu Tag manchmal wirklich sehr unterschiedlich und ich muss mich jedesmal immer gründlich wieder reinhören, wenn ich ein Hörbuch spreche, um denselben Ton zu treffen.
Darüber hinaus habe ich auch das Gefühl, dass ich meine Gesangsstimme umso mehr trainieren muss, seit ich zusätzlich zum Gesang auch noch spreche. Beim Singen habe ich gelernt, wie man ein Konzert 2 Stunden sauber durchhält, ohne heiser zu werden. In manchen Sprecherrollen ist die Stimme aber doch auf eine ganz andere Art beansprucht und ich merke, dass dies dann oft zulasten der Gesangsstimme geht, die dann erst mal wieder nicht mehr so sauber ist und jedesmal wieder von neuem aufgelockert werden muss. Und zur Dynamik im Gesang muss ich sagen, dass ja auch dort die leisen Töne mitunter die schwersten sind. Leise und sauber zu singen ist ein hoher Anspruch und erfordert sehr konkretes Ansprechen der enstprechenden Muskulatur.
Beim Sprechen entspanne ich die Stimmbänder zwischendurch noch durch sogenanntes "Schnarren". Das ist zusagen eine Erste-Hilfe-Sofortmaßnahme, wenn es mal schnell gehen muss. Auch das schafft den Schleim weg und lockert über die Dauer entstandene eventuelle Verkrampfungen.
 

Miss Linn

Vom fahrenden Volk
Sprechprobe
Link
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

@sprecherxy: Sehr informativer Beitrag, Danke dafür!
Ja, mir ist auch schon aufgefallen, wie unterschiedlich die Stimme einer Person zu verschiedenen Tageszeiten klingen kann - aber das fällt komischerweise tatsächlich nur auf Aufnahmen auf. Im "live"-Gespräch klingt die Stimme meines Gegenübers einfach immer nur wie die Stimme meines Gegenübers....
Besonders hilfreich finde ich auch den Trick mit der Obstsäure! Das war mir ganz unbekannt, könnte aber tatsächlich richtig hilfreich sein für ganz verschleimte Zeiten...:)

Es klingt ja so, als wüsstest du genau, wovon du sprichst... Vielleicht hast du auch noch den ein oder anderen Tip, wie man eine Mundflora hinbekommt, die diese ungewünschten Schmatzer reduziert?
Und jetzt hör ich mir mal deine Stimmproben an, um noch was aus der Praxis zu lernen!:D

@Jamie: Danke auch dir. Es ist gut, zu hören, dass jemand wie du, die so viel mit ihrer Stimme arbeitet, sich dann doch auch so viel um ihre Stimme kümmert! :)
Und vor allem interessant, dass das Sprechen anscheinend doch ebenso anstrengend ist, wie das Singen...
Was meinst du denn mit "Schnarren" genau? Wie macht man das?

Vielleicht melde ich mich doch noch irgendwann zu Gesangstunden an... Je länger ich mich mit dem Sprechen beschäftige, um so mehr merke ich, dass es sich dabei wirklich um eine "Kunst" handelt, die gelernt sein will. Und wohl auch regelmässig geübt sein will!
 

Jamie

Jamie Leaves
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Was ich mit "Schnarren" meine, ist mit Worten schwer zu erklären, aber wenn man es hört, weiß sicher jeder was gemeint ist. Ich habe deshalb einfach mal in mein SL11 geschnarrt. Im Hintergrund leichtes Hamburger Donnergrollen (was auch sonst [bored:])

 
 

mica

Mitglied
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Schnarren ist super! Das mache ich auch oft ;)
Sehr schön demonstriert, Jamie :cool:

edit: Witzig, jetzt fiel mir gerade ein, dass ich dafür den Begriff "knattern" gelernt habe... aber schnarren trifft es auch ganz gut
 
Zuletzt bearbeitet:

Markus

Befahrener Ernutzer
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Hi Markus,
Kannst du mir vielleicht erklären, was genau eine falsche Sprechweise bedeutet (die sich schädlich auswirkt) ?
Interesiert mich!
Liebe Linn,
sorry, dass ich jetzt erst auf Dein Post antworte. Eigentlich meinte ich damit, dass viele Menschen mit einer unatürlichen Sprechstimme reden, also entweder zu hoch, oder zu tief. Dieses Problem haben oft Lehrer, die, damit der blöde Schüler auch zuhört, versuchen lauter zu werden, und oft aber meist nur höher sprechen. Die haben dann immer mit Heiserkeit zu kämpfen, und wenn sie keinen guten Logopäden finden ist die Stimme irgendwann hinüber. Das heißt es bilden sich Knoten auf den Stimmbändern, und diese schließen dann nicht mehr richtig. Bei normaler Heiserkeit sind es nur Schwellungen die irgendwann wieder weggehen. Wie finde ich jetzt aber meine ideale Sprechhöhe raus? Dazu stellt man sich entspannt hin, Oberkörper nach vorn, und versucht ohne Zwerchfellspannung eine Ton zu produzieren. Das ist dann eigentlich nur ein Gebrummel, aber es ist tatsächlich die natürliche Sprechhöhe. Auf der kann man dann Sprechen. Meist stimmt es eh, aber wenn man oft mit Heiserkeit zu kämpfen hat ist dies eine Möglichkeit das herauszufinden.
Desweitern hängt die tiefe des Tones von der Länge der Stimmbänder ab und erst in zweiter Folge von den Schwingungen die diese dann produzieren.
Und dem Vorschlag mit der Obstsäure stehe ich etwas skeptisch gegenüber, die greift gerne mal die Stimmbänder auch an. Und wenn es schon Äpfel sein müssen, dann nur geschälte. Ansonsten hat man dauernd Schalenteile auf den Stimmbändern. Schwarztee ist auch nicht gut, gibt einen Belag auf die Stimmbänder und, und, und. Ich sag da nur, Versuch macht klug! Dem einen hilft dies mehr, dem anderen das. Ich mache es immer tagesformabhängig. Morgens den alten Bösewicht, abends den jugendlichen Liebhaber.
Einfach auf Deinen Körper hören, der sagt Dir was er will!!! :)
 

Erdie

Der düstere Herrscher
Sprechprobe
Link
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Dinge, die wir essen oder trinken, kommen unter normalen Umständen doch gar nicht erst in den Kontakt mit den Stimmbändern. Falls das doch mal passiert, kommt der fürchterliche Hustanfall. Insofern glaube ich auch nicht so sehr an die Wirkung von Essen oder trinken ergendwelcher Art. Allein die psychologische Wirkung (Entspannung, Ablenkung von der fixierten Aufmerksamkeit auf den Stimmapparat) ist meines Erachtens die Ursache für das subjektiv besser Gefühl hinterher. Die Dämpfe von heißen Getränken können in den direkten Kontakt mit den Stimmbändern kommen und eine Wirkung haben.
 

Dorle

Berlin
Sprechprobe
Link
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Sehr interessanter Thread hier!
Ich hatte ja letztens das Vergnügen mit einer Logopädin, die sagte mir direkt in der ersten Stunde, wenn ich viel spreche, lohne sich auf jeden Fall, das "richtige Abspannen" zu lernen.
Bei meinen Sprechproben gibt es z.b. den "Grüffelo", da hört man ziemlich deutlich, wie geräuschvoll ich die Luft immer einziehe. Das bedeutet dann eigentlich permanenten Stress für die Stimmbänder, obwohl ich beim "Luftholen" ja gar nicht spreche.
Geübt hatte ich mit ihr, "einfach" das Zwerchfell absinken zu lassen, um Luft ganz von alleine einströmen zu lassen oder anders ausgedrückt die Bauchspannung bewußt aufzulösen, wenn mir nach Luft ist. So wird das Atmen durch dieses "Abspannen" völlig geräuschlos (weil reflektiv) und die Stimmbänder haben etwas Pause.
Ich finde diese Erkenntnis spektakulär- es aber auch nicht einfach, das umzulernen. Aber grade wenn man viel spricht (Hörbücher, Reden, Unterricht, als Physiotherapeutin,...) lohnt es sich doch, diesen feinen Trick zu üben und seine Stimme damit zu schonen.
Ich hoffe, ich konnte das etwas erklären- ansonsten nur zu, wer sich damit noch mehr auskennt!
 

lordhelm11

Böser Diktator
Sprechprobe
Link
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

So seh ich das auch, Erdie. Eines ist jedoch absolut wichtig (ist auch in anderen Threads genannt worden): Trinken, trinken, trinken. Das verdünnt jeglichen Schleim, der sich im Körper sammelt.
Naja und wer sich mal näher mit der Anatomie der Bänder beschäftigt, wird schnell einsehen, dass gut angewärmte Bänder auch besser in ihrer Funktionalität sind.
Singen oder Sprechen ist halt auch eine Art Sport. Und kein einigermaßen vernünftiger Sportler wird ohne Aufwärmen seinen Sport ausüben, wegen der Verletzungsgefahr.
 

Jamie

Jamie Leaves
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Das mit dem "Abspannen" interessiert mich auch sehr. Denn auch ich hole vor den Sätzen phasenweise noch zuviel Luft. Anatmer sind mir bei meinen Aufnahmen oft noch zu laut. Wenn ich mich darauf konzentriere, dann geht es. Die Atmung während des Sprechens kann ich eigentlich am besten steuern, wenn ich vorher nicht zuviel Luft hole. Da halte ich es wie beim Singen. Wenn eine Lunge zuviel Luft hat, dann hat die Luft das Bedürfnis, zu entweichen, wie bei einem aufgeblasenem Luftballon. Das macht sie dann oft unkontrolliert und mit zuviel Druck. Dann zischt die Luft an den Stimmbändern vorbei. Beim Singen atme ich daher oft bewußt durch die Nase ein, so als würde ich an einer Blume riechen, also sanft. Für das Sprechen habe ich da leider noch keine richtige Balance gefunden. Wäre schön, wenn ich das noch ein bisschen besser automatisieren könnte.
 

Miss Linn

Vom fahrenden Volk
Sprechprobe
Link
AW: Erst laut singen, dann schön sprechen?

Danke, Jamie, JETZT kann ich mir unter "Schnarren" sehr bildlich was vorstellen!:D

Als ich es unbedarft selbst ausprobierte, habe ich damit meinen schlafenden Hund zu Tode erschreckt. Man könnte es also auch mit "gefährlichem Knurren" betiteln... Ja, ich kann mir vorstellen, dass es die Stimmbänder entspannt, viellciht sogar effektiver als tiefes Summen...

Das mit dem Atmen finde ich auch interessant; Ich hatte ja eher das das Problem, dass ich zuwenig atme, sprich; aus lauter Angst, meine Atmer wären zu laut und zu hörbar, bin ich oft ziemlich atemlos durch die Texte gehetzt, was natürlich dann ganz unschön klingt.
Inzwischen atme ich auch sehr bewusst und tief vor längeren Passagen - dass das dann auch Stress bedeuten kann, wie Dorle schreibt, war mir auch nicht klar... Was man so alles dazulernt...:) Je mehr man weiß, um so schwiereiger wird es erst mal, diese ganzen Informationen dann auch umzusetzen...

Allerdings empfinde ich Atemgeräusche bei Hörbüchern meist gar nicht als störend, solange sie iregndwie natürlich klingen.
 
Oben