Poldi

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Elser

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Erster Eindruck: Das Verhör eines vergessenen Helden

Der idealistische Schreiner Georg Elser ist unglücklich verliebt in die unglücklich verheiratete Else Härlen, die ihn trotz des prügelnden Ehemannes immer wieder zurückweist. Doch ähnlich hartnäckig wie bei ihr ist Elser auch bei seinem Plan, Hitler auf dem Höhepunkt seiner Macht durch einen Anschlag mit Dynamit umzubringen. Unermüdlich gräbt er heimlich des nachts einen Schacht, um dort den Sprengstoff zu platzieren...

Fast gleichzeitig mit dem gleichnamigen Film erscheint auch die Radio-Hörspielproduktion „Elser“ um den nicht mehr allzu bekannten Hitler-Attentäter Georg Elser. Doch hier ist keinesfalls ein O-Ton-Höspiel entstanden, auch wenn die Sprecher exakt mit den Filmschauspielern übereinstimmen. Vielmehr wurde ein ganz eigenes Drehbuch geschrieben, eine ganz eigene Ästhetik geschaffen, ganz andere Schwerpunkte gesetzt. Hier erfährt man viel über Elsers Innenleben, seinen Idealismus, seinen Traum von einer friedlicheren Welt. Dabei werden kleine Szenen aneinandergereiht, die nicht immer in zeitlicher Kontinuität erzählt sind, es sind auch mal größere Zeit- und Logikbrüche vorhanden. Der Verzicht auf einen Erzähler erschwert dabei etwas den Einstieg, so muss man sich als Hörer aber auch deutlich intensiver mit Elser auseinandersetzen und sich sein eigenes Bild des engagierten Mannes schaffen. So setzt sich langsam ein komplettes Bild zusammen, das die Charaktere in den Vordergrund stellt und diese sehr facettenreich darstellt. Diese Konzentration auf das Wesentliche ist sehr gut gelungen und setzt neue Akzente, die fernab von flachen Heldentum angesiedelt sind. Dabei wurden die Originalmitschriften der Verhöre verwendet, sogar einige Passagen übernommen, was dem Hörspiel einen sehr realistischen Anstrich verleiht. Das Zusammenspiel mit der sehr privaten Szenen mit Else Härlen ergibt dazu einen krassen Kontrast - gerade im ersten Teil des Hörspiels – während später die Verhörszenen dominieren. Auch das politische Geflecht, die Macht Hitlers und Goebbels, sind sehr lebensnah zu spüren und lassen einen tief in die damalige Zeit eintauchen. Elser ist alles andere als leicht verdauliche Kost, verlangt Aufmerksamkeit und Ruhe, dann kann man zahlreiche Feinheiten erspüren, die sehr bewegend dargestellt sind.

Christian Friedel ist in der Hauptrolle des Elser zu hören und spielt diesen sehr eingängig, sehr intensiv und voller Leben. Mit vielen unterschiedlichen Nuancen leuchtet er die Szenerien sehr gekonnt auf, gibt den gefühlvollen Außenseiter ebenso überzeugend wie den mutigen Revoluzzer. Katharina Schüttler spricht die Else mit einer sanften, streckenweise schon zerbrechlich wirkenden Stimme, im späteren Verlauf kann sie aber auch hart und kalt klingen, wobei man ihr diesen Kontrast sofort abnimmt. Johann von Bülow ist in der ebenfalls sehr interessanten Rolle des Heinrich Müller zu hören, seine feinsinnige Interpretation kann dabei voll und ganz überzeugen. Weitere Sprecher sind Burghardt Klaußner, David Zimmerschied und Simon Licht.

Die sehr reduzierte Umsetzung der Handlung zeichnet sich durch den fast vollkommenen Verzicht auf Musik aus, nur am und an sind sehr kleine Musikfetzen eingebaut, nicht harmonisch, weder beruhigend noch Aufmerksamkeit heischend, sondern schlicht und eindringlich. Zahlreiche Geräusche, auch mal sehr leise im Hintergrund oder als kleiner Störton eingebaut, vermitteln trotz ihrer Sachlichkeit eine Menge Atmosphäre.

Um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen wurde für das Cover das Filmplakat übernommen. Obwohl dieses mit dem einzigen lebendig wirkenden Gesicht von Elser unter all den gleichförmigen Männern aussagekräftig und passend ist, wurde die Chance verpasst, sich als eigenständige Umsetzung des Stoffes zu präsentieren. Im umfangreichen Booklet sind zahlreiche Hintergrundinformationen sowie einige Bilder aus dem Film zu sehen.

Fazit: „Elser“ ist kein sonderlich populärer Stoff und zudem recht schwer verdaulich, kann dafür aber mit einem Stück Zeitgeschichte und einer sehr intensiven Charakterdarstellung überzeugen. Im Umfeld des geplanten Attentats treten nicht nur einige Menschen ins Licht und werden intensiv beleuchtet, auch die Umstände der Tat werden sehr detailliert und fast kunstvoll beschrieben.

VÖ: 1.April 2015
Label: Der Audio Verlag
Bestellnummer: 978-3-86231-469-0
 
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