Matze
Mitglied
- #1
Themenstarter/in
"Das Ohr ist das Organ der Furcht." (Friedrich Nietzsche)
Wie die Menschheit miteinander kommuniziert, ist langsam und fehleranfällig. Das Gehirn denkt mit elektrischen Signalen, die für eine Unterhaltung zeitraubend und mechanisch in Schallwellen umgewandelt werden. Wir umgeben uns mit Dämmstoffen und erlassen Schallschutzbestimmungen, aber wir empfinden unsere Umwelt als lauter denn je. Unsere Ohren kommen nicht mehr zur Ruhe. In Kaufhäusern, Restaurants, Fußgängerzonen: Allerorten werden wir berieselt und in ein Meer von akustischem Müll getaucht - ein Gewoge, in dem unsere Wahrnehmungsfähigkeit für Nuancen untergeht. Wir verlieren uns in diesem schrillen Orchester für Dienstleister und Medien, die um die Aufmerksamkeit buhlen und unsere privaten Hörräume zu winzigen Nischen schrumpfen lassen. Wir sind alles andere als nur Opfer - und sehnen uns dabei ständig nach Stille. Was aber, wenn sie tatsächlich eintritt?
Töne dringen ungefiltert in unseren Körper ein – im Gegensatz zu Bildern, die das Gehirn selektieren oder ausblenden kann. Die Ohren messen Luftdruckschwankungen und senden das Messresultat als elektrische Signale an das Gehirn. Keiner der Sinne ist schneller. Augen können zwanzig Bilder pro Sekunde unterscheiden, Ohren reagieren bis zu tausendmal rascher. Das Gehör reagiert auf schallbedingte Vibrationen, die kleiner als der Durchmesser eines Atoms sind. Da beide zwei Ohren nicht nur die Stärke eines Schalls, sondern auch sein zeitliches Eintreffen mit fast unheimlicher Präzision untereinander vergleichen, geben sie Auskunft darüber, woher ein Schall kommt, und geben den Menschen seit der Kindheit an auch im Dunkeln ein räumliches Bild der Umgebung. Das Organ, das diese Wunderleistungen vollbringt, ist kaum größer als eine Murmel und lagert sicher im Schläfenbein. Sein Herzstück ist ein mit Flüssigkeit gefüllter spiraliger Kanal, dem zwei elastische Bänder als Boden und Decke dienen. Am Bodenband sind wie auf einer Wendeltreppe etwa zehntausend schallempfindliche Zellen stufenartig aufgereiht, die, ähnlich gleich Rasierpinseln, an der Oberseite feine Haare tragen. Diese Wendeltreppe ist vom Mittelohr durch eine feine Membran getrennt. Wird diese zum Schwingen angeregt, überträgt sie die Schwingung auf die Flüssigkeit und die beiden elastischen Bänder der spiraligen Wendeltreppe und verbiegt dabei die Haarspitzen der schallempfindlichen Zellen. Selbst die winzigste Verformung dieser Spitzen ändert die elektrischen Eigenschaften der betreffenden Zelle und erzeugt ein elektrisches Signal, das über angekoppelte Nervenbahnen fast augenblicklich die Gehörzentren des Gehirns erreicht. Jede Haarzelle unterscheidet sich von allen anderen in der Länge ihrer Haare und der Steife ihres Zellkörpers. Da eine Struktur umso langsamer schwingt, je größer und flexibler sie ist, sprechen die verschiedenen Haarzellen auf verschieden hohe Töne an. Die Ansprechbereiche der einzelnen Zellen überlappen jedoch; das Ohr berücksichtigt diese Überlappungen und kann so ein differenziert–farbiges Klangbild liefern. Wenn ein Ton die Haarzellen verformt, öffnet er in den Membranen der Haarzelle Schleusen für elektrisch geladene Kalium– und Kalziumionen und erzeugt damit augenblicklich ein elektrisches Signal. Die Haarzellen unseres Gehörs sind hochverletzlich. Werden sie zu stark oder zu lange beschallt, sterben sie und wachsen nie mehr nach. Nicht wenige Zeitgenossen scharren nervös mit den Füßen scharren, wenn die Türen geschlossen sind. Nicht wenige, die dann als einziges Geräusch ein spitzes Pfeifen im Ohr hören: Tinnitus.
Fortzuhören ist schwieriger, als fortzublicken. Die Qualität der Sinnesempfindung hängt, wie die jedes Signals, vom Rauschabstand ab – von dem Verhältnis von Signalstärke zu zufälligem Hintergrundrauschen. Ein gesundes Ohr kann noch Geräusche wahrnehmen, die über eine Million Mal schwächer sind als solche, die an der Schmerzgrenze liegen. Dieser eindrückliche Rauschabstand schenkt uns nicht nur eine reiche Klangpalette, sondern lässt uns auch komplexe akustische Signale virtuos entschlüsseln. Hoher Rauschabstand ermöglicht Stille zur rechten Zeit. Die Dimension des Akustischen ist das Ausmaß der Unfreiheit. Als Hörende sind wir unfrei. Wir sind alle Ohryeure*. In das geöffnete Ohr ebenfalls verschwindet gesprochene Sprache, die sich in Erinnerungsräume einnisten kann, die verschwindet. Aber Sprache verschwindet nicht immer spurlos, denn sie kann aufgerufen und erinnert werden, sie kann durch einen Mund– oder Schriftraum mitgeteilt werden. Hören bedeutet Eintauchen, es birgt ein Potenzial an Regression, so daß sich der Hörer im besten Fall an den tiefsten Orten seines Wesens berührt fühlt. Das Gehör ist der erste Sinn, der sich im Mutterleib bildet, und der letzte, den der Sterbende verliert. Die Faszination des Hörbuchs geht daher über die Lust an Geschichten hinaus und reicht, anthropologisch betrachtet, sehr tief.
Neben dem Gehör ist es die Stimme, die mehr über uns verrät, als uns lieb ist: Unsicherheit, Aufgebrachtheit, Bitterkeit, sind einige Gefühle die dieses Organ preisgibt, obzwar wir dies gar nicht wollen. In Bruchteilen von Sekunden enthüllt die Stimme schonungslos alles, was wir verbergen möchten: Verliebtheit, Neid, Stolz, Wut. Sie wirkt wie eine akustische Visitenkarte, die neben dem Beruf auch die soziale Herkunft und das Ausmaß des Selbstbewusstseins mitteilt. Die Stimme ist der erste Special-Effekt, den die Menschheit entwickelt hat, und der nachhaltigste.
Aus den liegen gebliebenen Experimentiergeräten der Physik entstanden, die eigentlich ganz anderen Forschungen gedient hatten, gibt das ‚Neue Medium’ Radio bereits in seinen Anfängen Anlass zu Medienphantasien. Ausgehend von der Idee eines so genannten ‚Äthers’, der Lichtwellen und Schwingungen übermittelt, verbinden sich Allmachtsvorstellungen von der Reichweite der Sender und auch spiritistische Erwartungen mit dem Monopol staatlicher Kontrolle über das Radio. Zunächst wurde ein so genannter Kulturfunk zugelassen ist. Das erste Hörspiel sendete am 3. August 1922 der Radiosender WGY (Schenectady, New York) mit der Funkfassung des Theaterstückes "The Wolf" von Eugene Walter. Am 15. Januar 1924 sendete die BBC das Stück des jungen walisischen Autors Richard Hughes, das als das weltweit erste Original-Hörspiel in die Geschichte einging: "A Comedy Of Danger". Das erste deutsche Hörspiel war "Zauberei auf dem Sender", eine Produktion des damaligen Direktors des Frankfurter Senders, Hans Flesch. Fleschs Ziel war es, mit diesem Hörspiel eine originäre Kunstform für das neue Medium Radio zu etablieren. Das Stück beginnt mit der Ankündigung eines Konzerts im Rundfunk. Urplötzlich platzt eine "Märchen–Tante" herein und fordert mehr Programmplätze für Kinder. Jetzt gleich. Ein Albtraum für den Hörfunkmoderator, der sich seine Sätze zurechtgelegt und den Finger schon über dem Knopf der Musikautomation schweben hat. "Aber entschuldigen Sie, gnädige Frau, wir können doch jetzt nicht die Gesamtlinie des Funkspruchprogramms ändern!", entgegnet er. Im Folgenden wird aber nicht nur das "Funkspruchprogramm" bedroht, sondern die gesamte Weltordnung. Und alles nur wegen eines Streits um die größtmögliche Freiheit der Öffentlichkeit! Von Beginn an ist das Genre Hörspiel nie in der Sparte Literatur gelandet, sondern aufgrund seiner hohen Technikaffinität eng mit dem Radio verbunden – wie diese »Zauberei auf dem Sender« schon im Titel offenbart. Unter dem Reichspropagandaminister Josef Goebbels wird das ‚Neue Medium’ Radio zu einem zum Instrument der propagandistischen ‚Verschaltung’.
Neben den Propagandasendungen ist auch auf die Radiotheorie von Eugen B. Brecht zu verweisen, wonach jeder Empfänger ein Sender sein soll. Bert Brecht brachte mit seiner "Rede über die Funktion des Rundfunks", die er 1932 verfasste, einen frühen Entwurf von Radiotheorie. Den Schwerpunkt seiner Radiotheorie bildete der Wunsch nach Demokratisierung des Rundfunks. Im Zuge dessen verlangte Brecht nach einer Umfunktionierung des Rundfunks, und zwar einer Umfunktionierung aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat. So schreibt Brecht: "Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstände, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern in Beziehung zu setzen." Der Rundfunk sollte nicht nur eine Seite haben, also nicht nur zuteilen, sondern er sollte auch empfangen können, den Hörer in Beziehung setzen. "Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren." – »Der Ozeanflug«, das erste Lehrstück Brechts, behandelt Lindberghs Erfolg. Es ging 1929 vom Musikfest in Baden–Baden über den Rundfunk. Am Tag darauf wurde das Badener Lehrstück in einer "unfertigen Fassung" aufgeführt, vertont von Paul Hindemith. Brecht und Hindemith griffen noch auf der Szene in den Text und die Musik ein, während ihre Arbeit schon heftig abgelehnt wurde. Die Aufführung geriet zu einem Eklat. Danach trennten sich Hindemiths und Brechts Wege. Brecht schrieb eine geänderte Fassung. Er reichte 1930 »Die Maßnahme« für eine Aufführung ein, das wurde wegen "Minderwertigkeit des Textes" abgelehnt. Brechts Utopie vom öffentlichen Gebrauch des Apparates Rundfunk erfüllte sich nicht. Die Lehrstücke allerdings wurden nachgeahmt. Aus dem Jahre 1931 existiert ein Oratorium Hindemiths »das Unaufhörliche« zu einem Text von Gottfried Benn, ein nach "vitalistischer" Weltanschauung geformtes Einverständnis mit dem Tod, dem Werden und Vergehen.
Ästhetisch reizvoller sind die Radio-Arbeiten von Gottfried Benn, obzwar er dem Rundfunk skeptisch gegenüberstand, hat er das publizistische Potenzial dieses Mediums dennoch für seine Zwecke zu nutzen verstanden. In einem Gedicht aus den frühen fünfziger Jahren, dem Gottfried Benn den Titel ‚Radio’ gegeben hat, heißt es: „Eigentlich ist alles im männlichen Sitzen produziert, was das Abendland sein Höheres nennt, ich aber bin, wie gesagt, für Seitensprünge.“ So ist es nur zu begrüßen, daß der Dichter seinem methodischen Insistieren auf dem geschriebenen Wort nicht immer treu geblieben ist und von Zeit zu Zeit ein Aufnahmestudio betreten hat. Am 6. März 1930 nahmen in einem Studio der Berliner «Funkstunde» zwei Dichter unter einem Mikrofon Platz, die sich als Weggenossen aus den Aufbruchszeiten des Expressionismus kannten. Der 44–jährige Gottfried Benn wird drei Jahre später den Nationalsozialisten seine Reverenz erweisen – und danach lange schweigen. Der 38 Jahre alte Johannes R. Becher ist Parteigänger der „Tendenzkunst“, wird später Stalin–Elogen verfassen und der DDR als Kulturminister dienen. Becher redet in diesem Radiogespräch einer „klassengebundenen Dichtung“ das Wort, die zur „Befreiung der gesamten Menschheit“ angetreten sei. Benn hält das Bild eines autonomen Künstlers dagegen, der nur seinem inneren Gesetz verpflichtet ist. Den linken Fortschrittsglauben Bechers tut er als vulgären Hegelianismus ab. „Eine Offenbarung der Weltvernunft . . . beginnt großartig und endet namenlos, sie übersteht den Niagara, um in einer Badewanne zu ertrinken.“ Becher kontert mit moralischem Welterlösungspathos, doch seine Phrasen machen nur eine Projektionsfläche für neue Attacken auf. Benns Hörwerk spannt einen zeitgeschichtlichen Bogen aus den Pioniertagen des Weimarer Rundfunks bis zu den Sternstunden des Kulturradios der fünfziger Jahre. Das Kulturradio erlebte in der Gründungsphase der Bundesrepublik die heroische Epoche eines Neubeginns. Als nach der Niederlage von 1945 auch die nationalsozialistische Propagandamaschine zum Stillstand gekommen war, schufen die Alliierten mit dem öffentlichrechtlich verfassten Rundfunk ein föderales publizistisches Organ, das schon bald zum Medium und Movens intellektueller Debatten wurde. Schriftsteller wie Alfred Andersch und Axel Eggebrecht, Wissenschafter wie Hans Mayer und Dolf Sternberger oder Publizisten wie Walter Dirks und Eugen Kogon begleiteten und kommentierten die politischen und kulturellen Ereignisse aus den Aufnahmestudios der Funkhäuser. Bis weit in die fünfziger Jahre konnte sich so ein Modus intellektueller Auseinandersetzungen etablieren, der für das geistige Klima dieser Zeit prägend wurde. Sendetitel wie „Abendstudio“ oder „Radio–Essay“ klingen wie Synonyme für diesen aufgeklärten diskursiven Gestus. Keine Wunder, daß in diese Zeit auch die Hörspiel eines Günther Eich oder einer Ilse Eichinger fielen, der Rundfunk wurde in den 1950-er Jahren zu einem Zauberinstrument des Wortes, zur akustischen Probebühne der Poesie, zum Atem der Vernunft.
Das so genannte „Neue Hörspiel“ entwickelte sich in der 1960-er Jahren, parallel zur Stereophonie als eigenständiges Genre in diesem flüchtigen Medium. Hier prallten experimentelle Literatur, konkrete Poesie und Lautpoesie aufeinander. Helmut Heißenbüttel, Max Bense, Franz Mon und Ernst Jandl sind als hervorragende Autoren zu nennen. Herausragend das Hörspiel »Fünf Mann Menschen“ von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, die als Repräsentanten experimenteller Lyrik bekanntgeworden sind. Sie haben zusammen mit dem Regisseur Peter Michel Ladiges zum ersten Male im Hörspiel die Möglichkeiten konkreter Poesie beispielhaft eingesetzt. Sie zeigen exemplarische Sprach- und Handlungsvorgänge, in denen der zur Norm programmierte menschliche Lebenslauf nicht abgebildet, sondern evoziert wird. Dabei nutzen und meistern sie die Möglichkeiten der Stereophonie. Eine Innovation stellte der Kunstkopf dar. Die kopfbezogene Stereophonie begann im Hörspiel 1973 mit Alfred Besters »Demolition«. Der Kunstkopf ist in seinen Abmessungen, Form und seinem spezifischen Gewicht dem menschlichen Kopf eines Erwachsenen sehr genau nachgeformt. Das Kunstkopfmikrophon ist anstelle der beiden Gehörorgane mit Mikrophonen ausgestattet. Hörspiele und Feature, die mit einem Kunstkopf aufgenommen wurden, sollten mit einem geschlossenen Kopfhörer abgehört werden, da nur hier der beabsichtigte extrem räumliche Klangeindruck entsteht. Daran scheiterte schließlich eine breite Anwendung.
Mittlerweile tummeln sich neben klassischen Hörspielen und O–Ton–Collagen auch Dokumentarstücke, Krimis, Kurzhörspiele und Klangkunst auf den entsprechenden Plätzen der Radiosender. Neben den ARD–Sendern und der Deutschen Welle produziert allein das DeutschlandRadio Kultur als einer der größten deutschen Hörspielproduzenten 36.000 Sendeminuten auf sieben verschiedenen Sendeplätzen jährlich. Es geht um Stimmen, um Klangmontagen, um Welten, die sich so nur dem Ohr erschließen. Vielleicht ist es die irritierende Affinität zum Buch, die der Anerkennung des Hörbuchs als eigenständiger Gattung dennoch im Wege steht. Dass sich immer noch kein treffender Name finden ließ, ist symptomatisch: Ein Hörbuch ist eben kein „Buch“, sondern ein „Etwas“ zum Hören, das sich einer eher zufälligen materiellen Hülle bedient. Einst war es die Kassette, jetzt ist es die CD, und als Datei aus dem Internet heruntergeladen – eine Praxis, die sich hierzulande nur zögernd, aber stetig durchsetzt – verschwindet sein dinglicher Charakter fast vollständig. Spätestens seitdem Buchverlage die Möglichkeit entdeckten, mit Lesungen oder „Verhörspielungen“ die Attraktivität ihrer Bücher und Autoren zu steigern, schwindet das Verständnis dafür, dass Hörbücher mehr sein können als verlängerte Literatur. Den Gedanken einer Zweitverwertung wollen Labels wie der Hörverlag gar nicht erst aufkommen lassen. Ihnen geht es – jedenfalls bei den mit Herzblut geschaffenen Projekten – um originär für akustische Räume Gebautes. Um Stimmen, um Klangmontagen, um Welten, die sich so nur dem Ohr erschließen. Seit einigen Jahren ist das Hörspiel aus dieser Domäne ausgebrochen. Durch ein Netz von Festivals, Wettbewerben und Preisen erschließt es sich ein vorwiegend junges Publikum. Mancher, der in seiner Kindheit mit den "Drei ???" Fälle löste oder mit John Sinclair auf Geisterjagd ging, verlängert mit diesen Figuren seiner Kindheit die Adoleszenz bereits bei Club–Hörspielabenden. Allerdings braucht es nicht mehr unbedingt Justus Jonas und Co, auch bis dato unbekannte Helden erobern zunehmend das Genre.
Im Zeitalter der so genannten "Neuen Medien" erreicht man Kinder und Jugendliche nur schwer mit Büchern. Wir erleben einen zunehmenden kulturellen Analphabetismus, den auch die Indifferenz verursacht, zu der die modernen Vereinfältigungsmedien verleiten. User leben eine Kultur der Ungeduld. Sie wissen, wie man etwas findet, aber sie wissen meist eigentlich nicht was sie finden möchten. Das Betriebssystem für die elektronischen Medien ist das Lesen. Das Betriebssystem für das Lesen ist die Sprachkompetenz. Das Betriebssystem für das Hören ist Aufmerksamkeit; eine knappe Ressource.
Wie die Menschheit miteinander kommuniziert, ist langsam und fehleranfällig. Das Gehirn denkt mit elektrischen Signalen, die für eine Unterhaltung zeitraubend und mechanisch in Schallwellen umgewandelt werden. Wir umgeben uns mit Dämmstoffen und erlassen Schallschutzbestimmungen, aber wir empfinden unsere Umwelt als lauter denn je. Unsere Ohren kommen nicht mehr zur Ruhe. In Kaufhäusern, Restaurants, Fußgängerzonen: Allerorten werden wir berieselt und in ein Meer von akustischem Müll getaucht - ein Gewoge, in dem unsere Wahrnehmungsfähigkeit für Nuancen untergeht. Wir verlieren uns in diesem schrillen Orchester für Dienstleister und Medien, die um die Aufmerksamkeit buhlen und unsere privaten Hörräume zu winzigen Nischen schrumpfen lassen. Wir sind alles andere als nur Opfer - und sehnen uns dabei ständig nach Stille. Was aber, wenn sie tatsächlich eintritt?
Töne dringen ungefiltert in unseren Körper ein – im Gegensatz zu Bildern, die das Gehirn selektieren oder ausblenden kann. Die Ohren messen Luftdruckschwankungen und senden das Messresultat als elektrische Signale an das Gehirn. Keiner der Sinne ist schneller. Augen können zwanzig Bilder pro Sekunde unterscheiden, Ohren reagieren bis zu tausendmal rascher. Das Gehör reagiert auf schallbedingte Vibrationen, die kleiner als der Durchmesser eines Atoms sind. Da beide zwei Ohren nicht nur die Stärke eines Schalls, sondern auch sein zeitliches Eintreffen mit fast unheimlicher Präzision untereinander vergleichen, geben sie Auskunft darüber, woher ein Schall kommt, und geben den Menschen seit der Kindheit an auch im Dunkeln ein räumliches Bild der Umgebung. Das Organ, das diese Wunderleistungen vollbringt, ist kaum größer als eine Murmel und lagert sicher im Schläfenbein. Sein Herzstück ist ein mit Flüssigkeit gefüllter spiraliger Kanal, dem zwei elastische Bänder als Boden und Decke dienen. Am Bodenband sind wie auf einer Wendeltreppe etwa zehntausend schallempfindliche Zellen stufenartig aufgereiht, die, ähnlich gleich Rasierpinseln, an der Oberseite feine Haare tragen. Diese Wendeltreppe ist vom Mittelohr durch eine feine Membran getrennt. Wird diese zum Schwingen angeregt, überträgt sie die Schwingung auf die Flüssigkeit und die beiden elastischen Bänder der spiraligen Wendeltreppe und verbiegt dabei die Haarspitzen der schallempfindlichen Zellen. Selbst die winzigste Verformung dieser Spitzen ändert die elektrischen Eigenschaften der betreffenden Zelle und erzeugt ein elektrisches Signal, das über angekoppelte Nervenbahnen fast augenblicklich die Gehörzentren des Gehirns erreicht. Jede Haarzelle unterscheidet sich von allen anderen in der Länge ihrer Haare und der Steife ihres Zellkörpers. Da eine Struktur umso langsamer schwingt, je größer und flexibler sie ist, sprechen die verschiedenen Haarzellen auf verschieden hohe Töne an. Die Ansprechbereiche der einzelnen Zellen überlappen jedoch; das Ohr berücksichtigt diese Überlappungen und kann so ein differenziert–farbiges Klangbild liefern. Wenn ein Ton die Haarzellen verformt, öffnet er in den Membranen der Haarzelle Schleusen für elektrisch geladene Kalium– und Kalziumionen und erzeugt damit augenblicklich ein elektrisches Signal. Die Haarzellen unseres Gehörs sind hochverletzlich. Werden sie zu stark oder zu lange beschallt, sterben sie und wachsen nie mehr nach. Nicht wenige Zeitgenossen scharren nervös mit den Füßen scharren, wenn die Türen geschlossen sind. Nicht wenige, die dann als einziges Geräusch ein spitzes Pfeifen im Ohr hören: Tinnitus.
Fortzuhören ist schwieriger, als fortzublicken. Die Qualität der Sinnesempfindung hängt, wie die jedes Signals, vom Rauschabstand ab – von dem Verhältnis von Signalstärke zu zufälligem Hintergrundrauschen. Ein gesundes Ohr kann noch Geräusche wahrnehmen, die über eine Million Mal schwächer sind als solche, die an der Schmerzgrenze liegen. Dieser eindrückliche Rauschabstand schenkt uns nicht nur eine reiche Klangpalette, sondern lässt uns auch komplexe akustische Signale virtuos entschlüsseln. Hoher Rauschabstand ermöglicht Stille zur rechten Zeit. Die Dimension des Akustischen ist das Ausmaß der Unfreiheit. Als Hörende sind wir unfrei. Wir sind alle Ohryeure*. In das geöffnete Ohr ebenfalls verschwindet gesprochene Sprache, die sich in Erinnerungsräume einnisten kann, die verschwindet. Aber Sprache verschwindet nicht immer spurlos, denn sie kann aufgerufen und erinnert werden, sie kann durch einen Mund– oder Schriftraum mitgeteilt werden. Hören bedeutet Eintauchen, es birgt ein Potenzial an Regression, so daß sich der Hörer im besten Fall an den tiefsten Orten seines Wesens berührt fühlt. Das Gehör ist der erste Sinn, der sich im Mutterleib bildet, und der letzte, den der Sterbende verliert. Die Faszination des Hörbuchs geht daher über die Lust an Geschichten hinaus und reicht, anthropologisch betrachtet, sehr tief.
Neben dem Gehör ist es die Stimme, die mehr über uns verrät, als uns lieb ist: Unsicherheit, Aufgebrachtheit, Bitterkeit, sind einige Gefühle die dieses Organ preisgibt, obzwar wir dies gar nicht wollen. In Bruchteilen von Sekunden enthüllt die Stimme schonungslos alles, was wir verbergen möchten: Verliebtheit, Neid, Stolz, Wut. Sie wirkt wie eine akustische Visitenkarte, die neben dem Beruf auch die soziale Herkunft und das Ausmaß des Selbstbewusstseins mitteilt. Die Stimme ist der erste Special-Effekt, den die Menschheit entwickelt hat, und der nachhaltigste.
Aus den liegen gebliebenen Experimentiergeräten der Physik entstanden, die eigentlich ganz anderen Forschungen gedient hatten, gibt das ‚Neue Medium’ Radio bereits in seinen Anfängen Anlass zu Medienphantasien. Ausgehend von der Idee eines so genannten ‚Äthers’, der Lichtwellen und Schwingungen übermittelt, verbinden sich Allmachtsvorstellungen von der Reichweite der Sender und auch spiritistische Erwartungen mit dem Monopol staatlicher Kontrolle über das Radio. Zunächst wurde ein so genannter Kulturfunk zugelassen ist. Das erste Hörspiel sendete am 3. August 1922 der Radiosender WGY (Schenectady, New York) mit der Funkfassung des Theaterstückes "The Wolf" von Eugene Walter. Am 15. Januar 1924 sendete die BBC das Stück des jungen walisischen Autors Richard Hughes, das als das weltweit erste Original-Hörspiel in die Geschichte einging: "A Comedy Of Danger". Das erste deutsche Hörspiel war "Zauberei auf dem Sender", eine Produktion des damaligen Direktors des Frankfurter Senders, Hans Flesch. Fleschs Ziel war es, mit diesem Hörspiel eine originäre Kunstform für das neue Medium Radio zu etablieren. Das Stück beginnt mit der Ankündigung eines Konzerts im Rundfunk. Urplötzlich platzt eine "Märchen–Tante" herein und fordert mehr Programmplätze für Kinder. Jetzt gleich. Ein Albtraum für den Hörfunkmoderator, der sich seine Sätze zurechtgelegt und den Finger schon über dem Knopf der Musikautomation schweben hat. "Aber entschuldigen Sie, gnädige Frau, wir können doch jetzt nicht die Gesamtlinie des Funkspruchprogramms ändern!", entgegnet er. Im Folgenden wird aber nicht nur das "Funkspruchprogramm" bedroht, sondern die gesamte Weltordnung. Und alles nur wegen eines Streits um die größtmögliche Freiheit der Öffentlichkeit! Von Beginn an ist das Genre Hörspiel nie in der Sparte Literatur gelandet, sondern aufgrund seiner hohen Technikaffinität eng mit dem Radio verbunden – wie diese »Zauberei auf dem Sender« schon im Titel offenbart. Unter dem Reichspropagandaminister Josef Goebbels wird das ‚Neue Medium’ Radio zu einem zum Instrument der propagandistischen ‚Verschaltung’.
Neben den Propagandasendungen ist auch auf die Radiotheorie von Eugen B. Brecht zu verweisen, wonach jeder Empfänger ein Sender sein soll. Bert Brecht brachte mit seiner "Rede über die Funktion des Rundfunks", die er 1932 verfasste, einen frühen Entwurf von Radiotheorie. Den Schwerpunkt seiner Radiotheorie bildete der Wunsch nach Demokratisierung des Rundfunks. Im Zuge dessen verlangte Brecht nach einer Umfunktionierung des Rundfunks, und zwar einer Umfunktionierung aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat. So schreibt Brecht: "Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstände, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern in Beziehung zu setzen." Der Rundfunk sollte nicht nur eine Seite haben, also nicht nur zuteilen, sondern er sollte auch empfangen können, den Hörer in Beziehung setzen. "Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren." – »Der Ozeanflug«, das erste Lehrstück Brechts, behandelt Lindberghs Erfolg. Es ging 1929 vom Musikfest in Baden–Baden über den Rundfunk. Am Tag darauf wurde das Badener Lehrstück in einer "unfertigen Fassung" aufgeführt, vertont von Paul Hindemith. Brecht und Hindemith griffen noch auf der Szene in den Text und die Musik ein, während ihre Arbeit schon heftig abgelehnt wurde. Die Aufführung geriet zu einem Eklat. Danach trennten sich Hindemiths und Brechts Wege. Brecht schrieb eine geänderte Fassung. Er reichte 1930 »Die Maßnahme« für eine Aufführung ein, das wurde wegen "Minderwertigkeit des Textes" abgelehnt. Brechts Utopie vom öffentlichen Gebrauch des Apparates Rundfunk erfüllte sich nicht. Die Lehrstücke allerdings wurden nachgeahmt. Aus dem Jahre 1931 existiert ein Oratorium Hindemiths »das Unaufhörliche« zu einem Text von Gottfried Benn, ein nach "vitalistischer" Weltanschauung geformtes Einverständnis mit dem Tod, dem Werden und Vergehen.
Ästhetisch reizvoller sind die Radio-Arbeiten von Gottfried Benn, obzwar er dem Rundfunk skeptisch gegenüberstand, hat er das publizistische Potenzial dieses Mediums dennoch für seine Zwecke zu nutzen verstanden. In einem Gedicht aus den frühen fünfziger Jahren, dem Gottfried Benn den Titel ‚Radio’ gegeben hat, heißt es: „Eigentlich ist alles im männlichen Sitzen produziert, was das Abendland sein Höheres nennt, ich aber bin, wie gesagt, für Seitensprünge.“ So ist es nur zu begrüßen, daß der Dichter seinem methodischen Insistieren auf dem geschriebenen Wort nicht immer treu geblieben ist und von Zeit zu Zeit ein Aufnahmestudio betreten hat. Am 6. März 1930 nahmen in einem Studio der Berliner «Funkstunde» zwei Dichter unter einem Mikrofon Platz, die sich als Weggenossen aus den Aufbruchszeiten des Expressionismus kannten. Der 44–jährige Gottfried Benn wird drei Jahre später den Nationalsozialisten seine Reverenz erweisen – und danach lange schweigen. Der 38 Jahre alte Johannes R. Becher ist Parteigänger der „Tendenzkunst“, wird später Stalin–Elogen verfassen und der DDR als Kulturminister dienen. Becher redet in diesem Radiogespräch einer „klassengebundenen Dichtung“ das Wort, die zur „Befreiung der gesamten Menschheit“ angetreten sei. Benn hält das Bild eines autonomen Künstlers dagegen, der nur seinem inneren Gesetz verpflichtet ist. Den linken Fortschrittsglauben Bechers tut er als vulgären Hegelianismus ab. „Eine Offenbarung der Weltvernunft . . . beginnt großartig und endet namenlos, sie übersteht den Niagara, um in einer Badewanne zu ertrinken.“ Becher kontert mit moralischem Welterlösungspathos, doch seine Phrasen machen nur eine Projektionsfläche für neue Attacken auf. Benns Hörwerk spannt einen zeitgeschichtlichen Bogen aus den Pioniertagen des Weimarer Rundfunks bis zu den Sternstunden des Kulturradios der fünfziger Jahre. Das Kulturradio erlebte in der Gründungsphase der Bundesrepublik die heroische Epoche eines Neubeginns. Als nach der Niederlage von 1945 auch die nationalsozialistische Propagandamaschine zum Stillstand gekommen war, schufen die Alliierten mit dem öffentlichrechtlich verfassten Rundfunk ein föderales publizistisches Organ, das schon bald zum Medium und Movens intellektueller Debatten wurde. Schriftsteller wie Alfred Andersch und Axel Eggebrecht, Wissenschafter wie Hans Mayer und Dolf Sternberger oder Publizisten wie Walter Dirks und Eugen Kogon begleiteten und kommentierten die politischen und kulturellen Ereignisse aus den Aufnahmestudios der Funkhäuser. Bis weit in die fünfziger Jahre konnte sich so ein Modus intellektueller Auseinandersetzungen etablieren, der für das geistige Klima dieser Zeit prägend wurde. Sendetitel wie „Abendstudio“ oder „Radio–Essay“ klingen wie Synonyme für diesen aufgeklärten diskursiven Gestus. Keine Wunder, daß in diese Zeit auch die Hörspiel eines Günther Eich oder einer Ilse Eichinger fielen, der Rundfunk wurde in den 1950-er Jahren zu einem Zauberinstrument des Wortes, zur akustischen Probebühne der Poesie, zum Atem der Vernunft.
Das so genannte „Neue Hörspiel“ entwickelte sich in der 1960-er Jahren, parallel zur Stereophonie als eigenständiges Genre in diesem flüchtigen Medium. Hier prallten experimentelle Literatur, konkrete Poesie und Lautpoesie aufeinander. Helmut Heißenbüttel, Max Bense, Franz Mon und Ernst Jandl sind als hervorragende Autoren zu nennen. Herausragend das Hörspiel »Fünf Mann Menschen“ von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, die als Repräsentanten experimenteller Lyrik bekanntgeworden sind. Sie haben zusammen mit dem Regisseur Peter Michel Ladiges zum ersten Male im Hörspiel die Möglichkeiten konkreter Poesie beispielhaft eingesetzt. Sie zeigen exemplarische Sprach- und Handlungsvorgänge, in denen der zur Norm programmierte menschliche Lebenslauf nicht abgebildet, sondern evoziert wird. Dabei nutzen und meistern sie die Möglichkeiten der Stereophonie. Eine Innovation stellte der Kunstkopf dar. Die kopfbezogene Stereophonie begann im Hörspiel 1973 mit Alfred Besters »Demolition«. Der Kunstkopf ist in seinen Abmessungen, Form und seinem spezifischen Gewicht dem menschlichen Kopf eines Erwachsenen sehr genau nachgeformt. Das Kunstkopfmikrophon ist anstelle der beiden Gehörorgane mit Mikrophonen ausgestattet. Hörspiele und Feature, die mit einem Kunstkopf aufgenommen wurden, sollten mit einem geschlossenen Kopfhörer abgehört werden, da nur hier der beabsichtigte extrem räumliche Klangeindruck entsteht. Daran scheiterte schließlich eine breite Anwendung.
Mittlerweile tummeln sich neben klassischen Hörspielen und O–Ton–Collagen auch Dokumentarstücke, Krimis, Kurzhörspiele und Klangkunst auf den entsprechenden Plätzen der Radiosender. Neben den ARD–Sendern und der Deutschen Welle produziert allein das DeutschlandRadio Kultur als einer der größten deutschen Hörspielproduzenten 36.000 Sendeminuten auf sieben verschiedenen Sendeplätzen jährlich. Es geht um Stimmen, um Klangmontagen, um Welten, die sich so nur dem Ohr erschließen. Vielleicht ist es die irritierende Affinität zum Buch, die der Anerkennung des Hörbuchs als eigenständiger Gattung dennoch im Wege steht. Dass sich immer noch kein treffender Name finden ließ, ist symptomatisch: Ein Hörbuch ist eben kein „Buch“, sondern ein „Etwas“ zum Hören, das sich einer eher zufälligen materiellen Hülle bedient. Einst war es die Kassette, jetzt ist es die CD, und als Datei aus dem Internet heruntergeladen – eine Praxis, die sich hierzulande nur zögernd, aber stetig durchsetzt – verschwindet sein dinglicher Charakter fast vollständig. Spätestens seitdem Buchverlage die Möglichkeit entdeckten, mit Lesungen oder „Verhörspielungen“ die Attraktivität ihrer Bücher und Autoren zu steigern, schwindet das Verständnis dafür, dass Hörbücher mehr sein können als verlängerte Literatur. Den Gedanken einer Zweitverwertung wollen Labels wie der Hörverlag gar nicht erst aufkommen lassen. Ihnen geht es – jedenfalls bei den mit Herzblut geschaffenen Projekten – um originär für akustische Räume Gebautes. Um Stimmen, um Klangmontagen, um Welten, die sich so nur dem Ohr erschließen. Seit einigen Jahren ist das Hörspiel aus dieser Domäne ausgebrochen. Durch ein Netz von Festivals, Wettbewerben und Preisen erschließt es sich ein vorwiegend junges Publikum. Mancher, der in seiner Kindheit mit den "Drei ???" Fälle löste oder mit John Sinclair auf Geisterjagd ging, verlängert mit diesen Figuren seiner Kindheit die Adoleszenz bereits bei Club–Hörspielabenden. Allerdings braucht es nicht mehr unbedingt Justus Jonas und Co, auch bis dato unbekannte Helden erobern zunehmend das Genre.
Im Zeitalter der so genannten "Neuen Medien" erreicht man Kinder und Jugendliche nur schwer mit Büchern. Wir erleben einen zunehmenden kulturellen Analphabetismus, den auch die Indifferenz verursacht, zu der die modernen Vereinfältigungsmedien verleiten. User leben eine Kultur der Ungeduld. Sie wissen, wie man etwas findet, aber sie wissen meist eigentlich nicht was sie finden möchten. Das Betriebssystem für die elektronischen Medien ist das Lesen. Das Betriebssystem für das Lesen ist die Sprachkompetenz. Das Betriebssystem für das Hören ist Aufmerksamkeit; eine knappe Ressource.