Poldi
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Der geheimnisvolle Fremde
Erster Eindruck: Besuch von einem Engel
Im spätmittelterlichen Österreich verbgingen die drei jugendlichen Freunde Theodor, Seppi und Nikolaus eine unbeschwerte Zeit. Doch eines Tages begegnen sie einem jungen Mann, der von sich behauptet ein Engel und der Neffe des Satans zu sein. Zugleich beweist er ihnen seine magischen Fähigkeiten. Die drei sind völlig fasziniert von ihm, und er führt sie immer weiter in seine Welt ein…
Mark Twain ist hierzulande wohl vor allem durch die Geschichten um Tom Sawyer bekannt, doch ein näherer Blick auf sein Werk lohnt sich. Das hat sich auch Deutschlandradio Kultur gedacht und zu einem seiner letzten Werke ein aufwändiges Hörspiel produziert: Der geheimnisvolle Fremde. Auch wenn hier aus der Sicht von Theodor erzählt wird, ist die Hauptperson doch Satan. Mit seiner mysteriösen Art fasziniert er den Hörer, er ist nie ganz durchschaubar, nie ganz greifbar, nur stückchenweise gelingt es, ihn weiter zu durchdringen. Diese Aura des Geheimnisvollen umgibt ihn schon gleich zu Beginn, steigert sich aber immer weiter. Dabei zeigt er den Jungen und insbesondere Theodor seine Weltanschauung, seinen Blick auf die Menschheit, die er für unvollkommen, gewalttätig und primitiv hält. Dazu führt er den Jungen scheinbare Alltagssituationen vor, geht später aber auch weiter und verändert das Schicksal der Menschen. Von seinem Tun ganz gebannt, völlig in Satans Sog gezogen, erlebt Theodor die Begegnungen mit dem Engel wie eine Droge, hängt an seinen Lippen und kann sich auch beim größten Grauen nicht abwenden – und genauso geht es auch dem Hörer. Es ist kein angenehmes Menschenbild, das hier präsentiert wird. Man bekommt den Spiegel vorgehalten und erkennt auch das Bösartige in sich selbst, in der Menschheit und ist erschüttert von den klaren Bildern. Wie am Ende die ganze Welt dargestellt wird, ist sicherlich nicht jedermanns Überzeugung und Geschmack, aber eben auch Teil des Konstrukts, des Kunstwerkes, das Twain hier geschaffen hat. Die eindringlichen Worte, die klaren Bilder und die einfache und doch so vielseitige und aussagekräftige Handlung gepaart mit der hervorragenden Produktion machen „Der geheimnisvolle Fremde“ zu einem extrem guten Hörspiel und einem echten Geheimtipp, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
Diese Produktion steht und fällt mit ihren Sprechern, die das Hörspiel mit Leben füllen müssen – und allesamt machen ihre Sache hervorragend. Jannik Schümann spricht den Theodor und hat dabei den mit Abstand meisten Text, ist sowohl als Erzähler als auch als in Dialogen zu hören. Er kann die Faszination, die Besessenheit des jungen Mannes sehr intensiv und greifbar wirken lassen, aber auch den Schrecken und die Angst, die er empfindet. Grandios ist aber insbesondere Alexander Fehling als Satan, mal schmeichelnd, mal deutlich, mal schneidend, aber immer sehr gradlinig und betont. Seine sanfte, angenehme Stimme passt hier sehr gut und verleiht ihm die Rolle des großen Verführers. Doch auch die Nebenrollen sind sehr gut besetzt, so ist in einer Szene der phänomenale Felix von Manteuffel als Richter zu hören und kann seine markante Stimme wieder hervorragend in Szene setzen. Weitere Sprecher sind Robert Gwisdek, Sebastian Urzendowsky und Andreas Schmidt.
Die Musik wurde aufwendig in die Handlung eingebaut und verleiht den Sprechern in ihrer Wirkung den letzten Schliff. Dabei sind insbesondere klassische Instrumente zu hören, neben einer Gitarre ist ein melancholisches, aber auch schon mal energischeres Klavier dominant. Das alles verwebt sich zu einer sehr gelungenen Kulisse für die Handlung. Und am Ende gibt es noch etwas Besonderes, noch nie habe ich mit solcher Inbrunst und Kreativität die Mitwirkenden vorgelesen bekommen.
Auf Hochglanz poliert ist das Cover zum Hörspiel, das stabile Digipack ist komplett mit einer Glanzfolie überzogen. Mit dem stilisierten Gesicht, das spitz und animalisch wirkt. Auch die restliche Gestaltung mit den kleinen Zeichnungen ist sehr gelungen. Besonderes Augenmerk verdient das Booklet, das im Gegensatz zum Digipack aus mattem, griffigem Papier gefertigt ist. Kunstvolle Zeichnungen, kleine Kommentare, Fotos und Infos zu den Sprechern – sehr hübsch und gelungen!
Fazit: Ein durch und durch faszinierendes Hörspiel voller Feinsinn und Gespür für das richtige Timing. Die Geschichte um den dunklen Engel Satan mit seiner recht extremen Weltanschauung und den eindringlichen Taten lässt den Hörer wie gebannt zurück und hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, der unbequem ist und aus dem man sich vieles herausziehen kann. Die hervorragende Umsetzung trägt dazu bei, dass die Geschichte so intensiv wirken kann. Fast schon ein modernes Märchen, aber ein düsteres, erschreckendes und erschütterndes. Herausragend!
VÖ: 4.Januar 2014
Label: Hörbuch Hamburg
Bestellnummer: 978-3-89903-883-5
Erster Eindruck: Besuch von einem Engel
Im spätmittelterlichen Österreich verbgingen die drei jugendlichen Freunde Theodor, Seppi und Nikolaus eine unbeschwerte Zeit. Doch eines Tages begegnen sie einem jungen Mann, der von sich behauptet ein Engel und der Neffe des Satans zu sein. Zugleich beweist er ihnen seine magischen Fähigkeiten. Die drei sind völlig fasziniert von ihm, und er führt sie immer weiter in seine Welt ein…
Mark Twain ist hierzulande wohl vor allem durch die Geschichten um Tom Sawyer bekannt, doch ein näherer Blick auf sein Werk lohnt sich. Das hat sich auch Deutschlandradio Kultur gedacht und zu einem seiner letzten Werke ein aufwändiges Hörspiel produziert: Der geheimnisvolle Fremde. Auch wenn hier aus der Sicht von Theodor erzählt wird, ist die Hauptperson doch Satan. Mit seiner mysteriösen Art fasziniert er den Hörer, er ist nie ganz durchschaubar, nie ganz greifbar, nur stückchenweise gelingt es, ihn weiter zu durchdringen. Diese Aura des Geheimnisvollen umgibt ihn schon gleich zu Beginn, steigert sich aber immer weiter. Dabei zeigt er den Jungen und insbesondere Theodor seine Weltanschauung, seinen Blick auf die Menschheit, die er für unvollkommen, gewalttätig und primitiv hält. Dazu führt er den Jungen scheinbare Alltagssituationen vor, geht später aber auch weiter und verändert das Schicksal der Menschen. Von seinem Tun ganz gebannt, völlig in Satans Sog gezogen, erlebt Theodor die Begegnungen mit dem Engel wie eine Droge, hängt an seinen Lippen und kann sich auch beim größten Grauen nicht abwenden – und genauso geht es auch dem Hörer. Es ist kein angenehmes Menschenbild, das hier präsentiert wird. Man bekommt den Spiegel vorgehalten und erkennt auch das Bösartige in sich selbst, in der Menschheit und ist erschüttert von den klaren Bildern. Wie am Ende die ganze Welt dargestellt wird, ist sicherlich nicht jedermanns Überzeugung und Geschmack, aber eben auch Teil des Konstrukts, des Kunstwerkes, das Twain hier geschaffen hat. Die eindringlichen Worte, die klaren Bilder und die einfache und doch so vielseitige und aussagekräftige Handlung gepaart mit der hervorragenden Produktion machen „Der geheimnisvolle Fremde“ zu einem extrem guten Hörspiel und einem echten Geheimtipp, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
Diese Produktion steht und fällt mit ihren Sprechern, die das Hörspiel mit Leben füllen müssen – und allesamt machen ihre Sache hervorragend. Jannik Schümann spricht den Theodor und hat dabei den mit Abstand meisten Text, ist sowohl als Erzähler als auch als in Dialogen zu hören. Er kann die Faszination, die Besessenheit des jungen Mannes sehr intensiv und greifbar wirken lassen, aber auch den Schrecken und die Angst, die er empfindet. Grandios ist aber insbesondere Alexander Fehling als Satan, mal schmeichelnd, mal deutlich, mal schneidend, aber immer sehr gradlinig und betont. Seine sanfte, angenehme Stimme passt hier sehr gut und verleiht ihm die Rolle des großen Verführers. Doch auch die Nebenrollen sind sehr gut besetzt, so ist in einer Szene der phänomenale Felix von Manteuffel als Richter zu hören und kann seine markante Stimme wieder hervorragend in Szene setzen. Weitere Sprecher sind Robert Gwisdek, Sebastian Urzendowsky und Andreas Schmidt.
Die Musik wurde aufwendig in die Handlung eingebaut und verleiht den Sprechern in ihrer Wirkung den letzten Schliff. Dabei sind insbesondere klassische Instrumente zu hören, neben einer Gitarre ist ein melancholisches, aber auch schon mal energischeres Klavier dominant. Das alles verwebt sich zu einer sehr gelungenen Kulisse für die Handlung. Und am Ende gibt es noch etwas Besonderes, noch nie habe ich mit solcher Inbrunst und Kreativität die Mitwirkenden vorgelesen bekommen.
Auf Hochglanz poliert ist das Cover zum Hörspiel, das stabile Digipack ist komplett mit einer Glanzfolie überzogen. Mit dem stilisierten Gesicht, das spitz und animalisch wirkt. Auch die restliche Gestaltung mit den kleinen Zeichnungen ist sehr gelungen. Besonderes Augenmerk verdient das Booklet, das im Gegensatz zum Digipack aus mattem, griffigem Papier gefertigt ist. Kunstvolle Zeichnungen, kleine Kommentare, Fotos und Infos zu den Sprechern – sehr hübsch und gelungen!
Fazit: Ein durch und durch faszinierendes Hörspiel voller Feinsinn und Gespür für das richtige Timing. Die Geschichte um den dunklen Engel Satan mit seiner recht extremen Weltanschauung und den eindringlichen Taten lässt den Hörer wie gebannt zurück und hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, der unbequem ist und aus dem man sich vieles herausziehen kann. Die hervorragende Umsetzung trägt dazu bei, dass die Geschichte so intensiv wirken kann. Fast schon ein modernes Märchen, aber ein düsteres, erschreckendes und erschütterndes. Herausragend!
VÖ: 4.Januar 2014
Label: Hörbuch Hamburg
Bestellnummer: 978-3-89903-883-5