Poldi
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Das Decamerone
Erster Eindruck: 100 Novellen kunstvoll verpackt
Florenz wird von der Pest heimgesucht, und die Bewohner gehen jeder auf seine Art mit der Seuche um. So beschließt eine Gruppe von sieben Schwestern gemeinsam mit drei jungen Männern, der Stadt den Rücken zu kehren und weitab der Stadt in einem Landhaus ihr Leben zu verbringen. Um gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, wird jeden Tag ein König oder eine Königin bestimmt, die die Regeln des Tages festlegt. Und täglich werden viele Geschichten erzählt…
„Das Decamerone“ gilt als wichtigstes Werk des italienischen Dichters Giovanni Boccaccio, hat er darin doch nicht nur 100 Novellen gesammelt und in eine hübsche Rahmenhandlung eingekleidet, sondern auch damalige Erzählstrukturen aufgebrochen und durchaus erotische Aspekte eingebaut – was im Mittelalter nicht gerade üblich war. 1984 hat der Norddeutsche Rundfunk das Decamerone als Vorlage für ein Hörspiel genommen, dieses wurde nun vom Hörverlag aus den Archiven befreit und auf zehn CDs gepresst. Die Einleitung mag dabei vielleicht etwas zäh geraten sein, lang und breit erklärt hier der Autor, warum er gerade die Pest als Ausgangspunkt gewählt hat, obwohl die Handlung eigentliche eine verträumte Leichtigkeit ausstrahlt und der Tod und das Leiden nicht ganz dazu passen wollen. Dennoch ist dies wichtig, da die Rahmenhandlung auch einen gewissen gesellschaftlichen Spiegel beinhaltet und die schreckliche Seuche nicht ausgelassen werden sollte. Die oben beschriebene Rahmenhandlung fängt die Stimmung unter den zehn Reisenden sehr gut ein und kann das kleine Experiment mit der Bestimmung des täglichen Königs interessant und reizvoll wirken lassen. Noch mehr gelingt dies mit dem Fortschreiten der zehn Tage, die die kleine Gesellschaft anhält, immer mehr verliert man sich in dieser Idee. Der eigentliche Kernpunkt sind jedoch die kleinen Geschichten, die kunstvoll in diese Handlung eingewoben wurden, jeden der zehn Tage erzählt jeder der Mitreisenden eine Geschichte. Diese sind mal ernst, mal heiter, mal belanglos und mal schwer tragend, aber immer hörenswert. Und auch das Einbauen frivoler und leicht erotischer Bestandteile ist hier gut gelungen und fügt sich bestens in die Geschichtensammlung an. Aufgrund der Erzählstruktur ist der Anteil an Monologen recht hoch. Nach der recht langen Einführung durch einen externen Erzähler übernehmen die zehn Mitglieder der Reisegruppe nicht nur die Dialoge, sondern erzählen eben auch ihre kleinen Novellen. Das mag auf den ersten Blick nicht mehr ganz zeitgemäß erscheinen, ist aber stimmig und sehr passend. Dies ist natürlich kein Hörspiel für zwischendurch und auch keines, das man am Stück hören sollte. Es kann einen einige Tage begleiten, wobei einem die Charaktere immer vertrauter werden, die Geschichten immer gut unterhalten, das Eintauchen in die mittelalterliche Welt immer faszinierender wird. Anspruchsvoll, besonders da man sich erst einmal an die altertümliche Sprache gewöhnen muss, aber auch lohnenswert.
Gert Westphal, der in zahllosen Hörspielen mitgewirkt hat, ist hier in der Rolle des Erzählers zu hören. Er schafft es, die oft langen Monologe kurzweilig und spannend wirken zu lassen, zudem baut er sofort eine direkte Verbindung zum Hörer auf. Beate Lenders ist als Filomena zu hören, eine der sieben Schwestern. Sie schafft mit ihrer einprägsamen Stimme eine gelungene Symbiose aus Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit. Der junge Christian Rode spricht den Panfilo und kann seine erzählten Geschichten mit Nachdruck in der Stimme erzählen. Weitere Sprecher sind Ingeborg Kallweit, Thessy Kuhls und Uwe Friederichsen.
Akustisch hält sich diese Produktion – ganz nach der Konvention der damaligen Zeit – eher zurück, die Sprecher stehen hier klar im Vordergrund. Dennoch ist die musikalische Untermalung durchaus gelungen, leise und sanfte Klänge, die mittelalterlich anmuten, zieren einige Stellen und schaffen eine passende Atmosphäre. Geräusche sind kaum zu hören, was aber aufgrund der Erzählstruktur nicht weiter verwunderlich ist und auch nicht stört.
Ein typisches Portrait einer Frau aus dem Mittelalter ziert das Cover zu dieser Folge. Eine kunstvolle Frisur mit vielen Zöpfen und ineinander verflochtenen Strähnen umrahmt ein hübsches Gesicht, das leicht melancholisch im Profil zu sehen ist und in die Ferne zu schauen scheint. Besonders gelungen ist das umfangreiche Booklet mit vielen Informationen zum Autor und einigen Mitwirkenden sowie einer übersichtlichen Trackliste.
Fazit: Die Rahmenhandlung kann – trotz anfänglicher Schwere – mit einer interessanten Konstellation und einem sanften Verlauf überzeugen. Kernpunkt sind jedoch die 100 kurzen Geschichten, die ganz unterschiedlichen Ansätze und Stimmungen enthalten. Nicht jede kann dabei jedem gefallen, durch die Vielfalt wird aber jeder bald besonders stimmige Geschichten finden. Die Einbindung einiger frivoler Momente sowie die mittelalterliche Sprache können den Reiz noch verstärken.
VÖ: 9.Dezember 2013
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-1172-7
Erster Eindruck: 100 Novellen kunstvoll verpackt
Florenz wird von der Pest heimgesucht, und die Bewohner gehen jeder auf seine Art mit der Seuche um. So beschließt eine Gruppe von sieben Schwestern gemeinsam mit drei jungen Männern, der Stadt den Rücken zu kehren und weitab der Stadt in einem Landhaus ihr Leben zu verbringen. Um gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, wird jeden Tag ein König oder eine Königin bestimmt, die die Regeln des Tages festlegt. Und täglich werden viele Geschichten erzählt…
„Das Decamerone“ gilt als wichtigstes Werk des italienischen Dichters Giovanni Boccaccio, hat er darin doch nicht nur 100 Novellen gesammelt und in eine hübsche Rahmenhandlung eingekleidet, sondern auch damalige Erzählstrukturen aufgebrochen und durchaus erotische Aspekte eingebaut – was im Mittelalter nicht gerade üblich war. 1984 hat der Norddeutsche Rundfunk das Decamerone als Vorlage für ein Hörspiel genommen, dieses wurde nun vom Hörverlag aus den Archiven befreit und auf zehn CDs gepresst. Die Einleitung mag dabei vielleicht etwas zäh geraten sein, lang und breit erklärt hier der Autor, warum er gerade die Pest als Ausgangspunkt gewählt hat, obwohl die Handlung eigentliche eine verträumte Leichtigkeit ausstrahlt und der Tod und das Leiden nicht ganz dazu passen wollen. Dennoch ist dies wichtig, da die Rahmenhandlung auch einen gewissen gesellschaftlichen Spiegel beinhaltet und die schreckliche Seuche nicht ausgelassen werden sollte. Die oben beschriebene Rahmenhandlung fängt die Stimmung unter den zehn Reisenden sehr gut ein und kann das kleine Experiment mit der Bestimmung des täglichen Königs interessant und reizvoll wirken lassen. Noch mehr gelingt dies mit dem Fortschreiten der zehn Tage, die die kleine Gesellschaft anhält, immer mehr verliert man sich in dieser Idee. Der eigentliche Kernpunkt sind jedoch die kleinen Geschichten, die kunstvoll in diese Handlung eingewoben wurden, jeden der zehn Tage erzählt jeder der Mitreisenden eine Geschichte. Diese sind mal ernst, mal heiter, mal belanglos und mal schwer tragend, aber immer hörenswert. Und auch das Einbauen frivoler und leicht erotischer Bestandteile ist hier gut gelungen und fügt sich bestens in die Geschichtensammlung an. Aufgrund der Erzählstruktur ist der Anteil an Monologen recht hoch. Nach der recht langen Einführung durch einen externen Erzähler übernehmen die zehn Mitglieder der Reisegruppe nicht nur die Dialoge, sondern erzählen eben auch ihre kleinen Novellen. Das mag auf den ersten Blick nicht mehr ganz zeitgemäß erscheinen, ist aber stimmig und sehr passend. Dies ist natürlich kein Hörspiel für zwischendurch und auch keines, das man am Stück hören sollte. Es kann einen einige Tage begleiten, wobei einem die Charaktere immer vertrauter werden, die Geschichten immer gut unterhalten, das Eintauchen in die mittelalterliche Welt immer faszinierender wird. Anspruchsvoll, besonders da man sich erst einmal an die altertümliche Sprache gewöhnen muss, aber auch lohnenswert.
Gert Westphal, der in zahllosen Hörspielen mitgewirkt hat, ist hier in der Rolle des Erzählers zu hören. Er schafft es, die oft langen Monologe kurzweilig und spannend wirken zu lassen, zudem baut er sofort eine direkte Verbindung zum Hörer auf. Beate Lenders ist als Filomena zu hören, eine der sieben Schwestern. Sie schafft mit ihrer einprägsamen Stimme eine gelungene Symbiose aus Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit. Der junge Christian Rode spricht den Panfilo und kann seine erzählten Geschichten mit Nachdruck in der Stimme erzählen. Weitere Sprecher sind Ingeborg Kallweit, Thessy Kuhls und Uwe Friederichsen.
Akustisch hält sich diese Produktion – ganz nach der Konvention der damaligen Zeit – eher zurück, die Sprecher stehen hier klar im Vordergrund. Dennoch ist die musikalische Untermalung durchaus gelungen, leise und sanfte Klänge, die mittelalterlich anmuten, zieren einige Stellen und schaffen eine passende Atmosphäre. Geräusche sind kaum zu hören, was aber aufgrund der Erzählstruktur nicht weiter verwunderlich ist und auch nicht stört.
Ein typisches Portrait einer Frau aus dem Mittelalter ziert das Cover zu dieser Folge. Eine kunstvolle Frisur mit vielen Zöpfen und ineinander verflochtenen Strähnen umrahmt ein hübsches Gesicht, das leicht melancholisch im Profil zu sehen ist und in die Ferne zu schauen scheint. Besonders gelungen ist das umfangreiche Booklet mit vielen Informationen zum Autor und einigen Mitwirkenden sowie einer übersichtlichen Trackliste.
Fazit: Die Rahmenhandlung kann – trotz anfänglicher Schwere – mit einer interessanten Konstellation und einem sanften Verlauf überzeugen. Kernpunkt sind jedoch die 100 kurzen Geschichten, die ganz unterschiedlichen Ansätze und Stimmungen enthalten. Nicht jede kann dabei jedem gefallen, durch die Vielfalt wird aber jeder bald besonders stimmige Geschichten finden. Die Einbindung einiger frivoler Momente sowie die mittelalterliche Sprache können den Reiz noch verstärken.
VÖ: 9.Dezember 2013
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-1172-7