Poldi

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Beim Leben deines Bruders

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Erster Eindruck: Mord in der Vergangenheit

Kommissar Fin Macleod kehrt seinem Beruf den Rücken und will wieder in der Stadt seiner Jugend sesshaft werden. Doch die raue Landschaft wird bald von dem Fund einer grausam zugerichteten Leiche erschüttert. Bald ist klar, dass der Mord vor 50 Jahren geschehen ist, und als einziger Zeuge ist der Bruder des Toten übrig geblieben – und der leidet an Demenz und kann sich an die vergangenen Ereignisse kaum noch erinnern…

Zugegeben, als ich die Beschreibung von „Beim Leben deines Bruders“ gelesen habe, habe ich einen eher konventionellen Krimi erwartet. Doch beim Hören der 425 Minuten wurde dies nicht bestätigt, vielmehr handelt es sich um einen intelligent erzählten, anspruchsvollen und stellenweise schockierenden Thriller, der mich schnell in den Bann gezogen hat. Zuerst steht die Person des Fin im Mittelpunkt, und auch er vollzieht während der Geschichte ein Wandlung und muss sich mit privaten Problemen und seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen. Doch das wird nur nebenbei verfolgt, denn bald steht der Mordfall von vor 50 Jahren im Mittelpunkt und fordert die volle Konzentration des ehemaligen Kommissars. Die Handlung ist dabei auf zwei Ebenen erzählt, einerseits die Ermittlungen in der Gegenwart, andererseits der Bericht des demenzkranken Bruders, der aus seiner Kindheit berichtet. Hier kommen schockierende Details ans Tageslicht, die eine dunkle Vergangenheit aufzeigen und sehr eindringlich geschildert sind. Beides verknüpft sich mit der Zeit zu einem untrennbaren Ganzen und entwickelt sich parallel weiter, die Spannungskurve steigt stetig weiter und verdichtet sich zu einer sehr intensiven Stimmung. Auch die Auflösung kann dabei vollkommen überzeugen und all die losen Enden der Geschichte aufgreifen. Die rauen, ursprünglichen Landschaftsbeschreibungen sind dabei eine gekonnte Ergänzung und verleihen zusätzliche Stimmung.

Die beiden Zeitebenen werden von zwei verschiedenen Sprechern übernommen, sodass eine sehr gute Trennung und Unterscheidbarkeit entsteht. Die Rolle des Fin wird von David Nathan übernommen, der wie immer sehr gradlinig spricht und kann mit seiner intensiven Stimme die Rolle sehr gelungen umsetzen und den Spannungsbogen schlagen kann. Den Blick in die Vergangenheit setzt Hans Peter Hallwachs um, auch er spricht eindringlich und absolut glaubhaft, lässt seine Stimme mal brüchig und verwirrt, mal kräftig und klar klingen. Das durchaus sensible Thema kann er mit Nachdruck und ohne Scheu vor Befindlichkeiten umsetzen.

In düsteren, erdigen Farben ist das Cover gehalten, das die so gut beschriebene Landschaft Schottlands wird hier zumindest in einem kleinen Ausschnitt gezeigt. Ein Mann mit wehendem Trenchcoat geht dabei einen Hügel herauf, der mit strohigem Gras bedeckt ist. Der Wind weht stark, der Himmel ist mit Wolken verhangen, ein Schwarm schwarzer Vögel fliegt über die sehr gut dargestellte und ansprechende Szenerie.

Fazit: Neben den privaten Verwicklungen von Fin Macleod kommt hier bald ein verschlungener und undurchsichtiger Kriminalfall auf, der den Hörer fesselt und mit den beiden Ebenen sehr gut durchdacht und sehr spannend erzählt wurde. Die Umsetzung mit den beiden Sprechern ist dem absolut angemessen und kann die eindringliche Stimmung bestens einfangen.

VÖ: 1.März 2014
Label: Der Audio Verlag
Bestellnummer: 978-3-86231-368-6
 
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